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Markus Wolf ist tot

Berlin - Fast 30 Jahre war er Chef der DDR-Spione und brachte in Bonn einen Kanzler zu Fall: Markus Wolf ist tot. Der Ex-General und Stellvertreter von Stasi-Chef Erich Mielke starb im Alter von 83 Jahren in der Nacht zum Donnerstag in Berlin, dem 17. Jahrestag des Mauerfalls.

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Von Jutta Schütz und Rochus Görgen

Berlin - Fast 30 Jahre war er Chef der DDR-Spione und brachte in Bonn einen Kanzler zu Fall: Markus Wolf ist tot. Der Ex-General und Stellvertreter von Stasi-Chef Erich Mielke starb im Alter von 83 Jahren in der Nacht zum Donnerstag in Berlin, dem 17. Jahrestag des Mauerfalls. Das teilten seine Schwiegertochter und der Eulenspiegel-Verlag der dpa mit. Der 83-Jährige sei in seiner Wohnung in Berlin-Mitte „friedlich eingeschlafen“. Als spektakulärster Erfolg Wolfs gilt die Rekrutierung des Kanzlerspions Günter Guillaume. Seine Enttarnung 1974 führte zum Rücktritt von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD).

Die Linkspartei, Nachfolgerin der SED, würdigte Wolf als Mann „voller Widersprüche“. Mehrere Vertreter der DDR-Bürgerbewegung und Zeitzeugen gaben sich zurückhaltend und wollten sich zum Tode Wolfs nicht äußern. Rainer Eppelmann, früherer DDR-Pfarrer, sagte der dpa, er empfinde keine Trauer. „Ich habe keine hohe Meinung von ihm.“ Wolf habe sich als „Spitzenmann des Apparates“ und „Steigbügelhalter“ dafür engagiert, dass die SED weiter regieren konnte.

Der Leiter der so genannten Stasi-Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) führte über 4000 Auslandsagenten - mit „der Präzision eines Schachspielers“, wie Beobachter meinten. Im Westen galt er lange Zeit als der legendäre „Mann ohne Gesicht“, dem auch seine Gegner einen gewissen Respekt zollten, doch wurden auch Verbrechen der Stasi bekannt. Erst Ende der 70er Jahre gelang es, den Chef der DDR-Spionage in Stockholm zu fotografieren. 1979 wurde Wolf vom Überläufer Werner Stiller enttarnt. Seine Spionagestrategie war vor allem auf das Eindringen in die Führungszentren der westlichen, insbesondere der bundesdeutschen Gesellschaften ausgerichtet. Dabei stieß er bis in die NATO-Zentrale vor.

1986 schied Wolf im Range eines Generaloberst aus dem Dienst aus. Er hatte sich als vorsichtiger Sympathisant von Gorbatschows neuer Perestroika-Politik zu erkennen gegeben. Im Wendeherbst 1989 wurde er am 4. November auf der ersten freien Massendemonstration auf dem Ost- Berliner Alexanderplatz von aufgebrachten Demonstranten ausgepfiffen, die ihm seine kritische Position nicht abnahmen.

Nach der Wiedervereinigung stand „die graue Eminenz der Spionagewelt“ ganz oben auf der bundesdeutschen Fahndungsliste und wurde zunächst zu sechs Jahren Haft verurteilt, was später wieder aufgehoben wurde. Schließlich erhielt er zwei Jahre Haft auf Bewährung. In Beugehaft saß Wolf, weil er sich auch noch Jahre nach dem Untergang der DDR weigerte, Namen seiner einstigen Mitarbeiter zu nennen.

Wolf sei auf seine Weise „Ausdruck des “Jahrhunderts der Extreme““ gewesen, sagte der Vorsitzende der Linkspartei, Lothar Bisky. „Er war Kämpfer gegen das Nazi-Regime, Chef der Aufklärung der Staatssicherheit und Schriftsteller, also voller Widersprüche.“ Ex- DDR-Staatschef Hans Modrow sagte, er habe mit Wolf einen seiner besten Freunde verloren. „Wolf gehörte zu den jungen deutschen Emigranten in der Sowjetunion, die mit der Roten Armee den Kampf gegen den Faschismus führten.“

Wolf war der Sohn des jüdischen Arztes und Schriftstellers Friedrich Wolf („Professor Mamlock“) und Bruder des Defa-Regisseurs Konrad Wolf. Die Trauerfeier soll nach dem Willen der Familie im engsten Kreis stattfinden. Wann und wo der frühere Spionagechef beerdigt werden soll, wollte eine Vertraute nicht sagen. Möglich scheint jedoch, dass Wolf wie sein Vater und sein Bruder auf dem Zentralfriedhof in Berlin-Friedrichsfelde seine letzte Ruhe findet.

Wolfs Vater ist dort in der Gedenkstätte der Sozialisten beerdigt, die zu DDR-Zeiten Prominentenfriedhof für SED-Größen und Widerstandskämpfer war. Sein Bruder Konrad ist in einem anderen Grab ganz in der Nähe bestattet. In Friedrichsfelde wurde im Jahr 2000 auch Stasi-Chef Mielke beigesetzt - in einem anonymen Urnengrab. (dpa)