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Masseurin für entspannte Kinder

Die Bühlauerin Susanne Haufe bringt Schülern Massagegriffe bei. Für Auszeiten im stressigen Alltag.

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© Steffen Unger

Von Carolin Menz

Bühlau. Bela schließt die Augen. Und genießt. Von Tony lässt er sich seine schmalen Schultern ordentlich durchkneten. Tony ist gerade eine Bäuerin, die Brotteig knetet. Einige Augenblicke später kommt die Bäuerin mächtig ins Schwitzen. Tonys Handflächen streichen sanft über Belas Stirn. Und dann ist Tony ein kleines Häschen, lässt seine Hände über Belas langgestreckten Arm hoppeln. Und als Tony kleine Hasenkinder zählt, drückt er kräftig zehn Punkte in Belas Hand. Massage im Klassenzimmer. Entspannung gegen den Leistungsdruck und gegen den Stress, dem Kinder heute mehr und mehr ausgesetzt sind. Susanne Haufe bringt es ihnen bei. Die Bühlauerin steht frühmorgens vor der ersten Klasse. Anhand einer kleinen Geschichte zeigt sie den Kindern 15 aufeinanderfolgende Massagestriche. Ihr neues Angebot an der Großharthauer Grundschule kommt an.

Belas Augen sind immer noch geschlossen. In Zweiergruppen sitzen die Kinder und massieren sich. Natürlich tragen sie dabei ihre Kleidung, natürlich gaben die Eltern ihr Einverständnis dafür. 18 Mädchen und Jungen sind es in dieser Klasse. „Die Massage ist gut geeignet für Kinder dieser Altersstufe. Nach dem Schuleinritt brauchen sie Phasen der Ruhe und Entspannung“, so Susanne Haufe. Als vierfache Mutter begleitet sie ihre Kinder durch einen Alltag, der immer aufreibender wird. Ihr jüngster Sohn besucht die erste Klasse, die Tochter kam erst ans Gymnasium mit seinen härteren Anforderungen.

Das Bedürfnis nach Veränderung

Susanne Haufe weiß, wie es ist, wenn alles zu viel wird. Es waren die steigenden Anforderungen im Beruf, die sie vor wenigen Jahren ans Ende ihrer Kräfte brachten. 20 Jahre arbeitete sie in Schichten als Krankenschwester im Helios Klinikum Pulsnitz. „Bei weniger Kollegen gab es immer mehr Arbeit“, sagt Susanne Haufe. „Ich bin immer wieder krank geworden, das kannte ich von mir gar nicht.“ Irgendwann sei sie ausgelaugt gewesen, am Rande des Zusammenbruchs. „Ich musste dringend etwas ändern.“ Im Yoga fand sie Hilfe. Seit 2010 besuchte sie regelmäßig Kurse. Ihre anfängliche Skepsis wich neuem körperlichen Wohlbefinden. „Mit Yogaübungen ist ja beides möglich. Man baut für den Körper Muskeln auf und entspannt den Geist“, sagt Susanne Haufe. 2013 bis 2014 ließ sie sich zur Yogakursleiterin ausbilden, seit September 2014 bietet sie Kurse für Erwachsene und Kinder in Bühlau an. Auch beruflich veränderte sie sich. Bei der Lebenshilfe in Bischofswerda betreut sie jetzt Menschen mit Behinderung. 20 Stunden geregelte Arbeitszeit in der Woche. Der Familie und ihrer Gesundheit tut es gut – und es bleibt Zeit für Yoga. „In meinen Kinderkursen baue ich auch Massagen ein. Ich merke, dass Kinder das sehr mögen und regelrecht einfordern.“ Also reifte der Entschluss, sich zur Kindermasseurin ausbilden zu lassen.

Achtsamkeit lernen

Entwickelt wurde das Programm „Massage in schools“ (kurz MISP) in England. Susanne Haufe absolvierte im März ihre Ausbildung zum „MISP-Instructor“. Seitdem schult sie Kinder, sich mit ihren Händen gegenseitig zu massieren. 15 Griffe bietet das Programm – für Schulter, Rücken, Kopf, Arme und Hände. Nacheinander ausgeführt dauern die Schritte um die 15 Minuten. „Für kurze Entspannungen genügen aber schon zwei bis drei Griffe“, sagt die 46-jährige Susanne Haufe. Sie wünscht sich, dass die Schüler die erlernten Massagegriffe im Unterricht und Hort einbauen. „Die gegenseitigen Massagen fördern die Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit beim Lernen und lockern die Muskulatur“, sagt Susanne Haufe. Oftmals haben gerade Schreibanfänger Verspannungen in Armen und Händen. „Die Massagen fördern auch das Zusammengehörigkeitsgefühl in den Klassen. Kinder lernen, sich achtsamer zu berühren“, so Haufe. Sie weiß, dass einige Eltern – vor allem von älteren Mädchen und Jungen – skeptisch sind, eben weil sie sich anfassen. „Wenn die Massage aber schon von klein auf geübt wird, kann man derartige Berührungsängste verhindern“, sagt Susanne Haufe. Sie klärt Eltern, Lehrer und Erzieher über das Kindermassage-Programm auf und würde gern weitere Kurse in Kitas oder Schulen anbieten. Die Rammenauer Kita und die Grundschule Großharthau sind Vorreiter in der Region. Allerdings müssen Eltern für das Zusatzangebot zahlen. Vier Stunden kosten zwölf Euro.

Mathe, Deutsch und Sachkunde sind für Bela gerade weit weg. Er sieht ziemlich entspannt aus. Tony malt mit seinen Händen ein großes Herz auf seinen Rücken. Sie lachen. Jetzt ist Bela der Masseur.