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Medikamenten-Cocktail im Elbwasser

Zahlreiche Arzneimittelrückstände lassen sich in Riesa im Fluss nachweisen. Und es werden immer mehr.

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© Sebastian Schultz

Von Christoph Scharf

Riesa. Ob zum Duschen, Geschirrspülen oder Kaffeekochen: Ein großer Teil des Trinkwassers im Altkreis Riesa-Großenhain wird aus Uferfiltrat der Elbe gewonnen. Zuletzt sorgten vergleichsweise hohe Nitratwerte im Grundwasser für Aufregung. Nach Ansicht von Volkmar Göthe von der Wasserversorgung Riesa-Großenhain liegt das wahre Problem aber ganz woanders: Man habe – wie andere Elb-Anlieger auch – zu viel Rückstände von Medikamenten im Elbwasser nachweisen können.

Eine aktuelle Studie gibt ihm recht: Demnach wurden an der Elbe in Riesa hohe Rückstände von Guanylharnstoff im Wasser nachgewiesen – das entsteht aus dem Wirkstoff eines Anti-Diabetikums. Die Konzentration betrug vergangenes Jahr etwa das 20-Fache dessen, was nach dem Europäischen Fließwassermemorandum (ERM) gut wäre. Nicht viel besser sieht es beim Röntgenkontrastmittel Iomeprol aus, das in Riesa seit 2010 von Jahr zu Jahr in stärkerer Konzentration im Elbwasser nachzuweisen ist: vom Dreifachen des sogenannten Zielwerts 2010 bis zum mehr als Achtfachen im Jahr 2015. Das geht aus einer gerade erst erschienenen Studie der „Arbeitsgemeinschaft der Wasserversorger im Einzugsgebiet der Elbe“ hervor, zu der neben der Wasserversorgung Riesa-Großenhain unter anderem auch die Dresdner Drewag, die Leipziger Wasserwerke und die Berliner Wasserbetriebe zählen.

Die Unternehmen wollen darauf aufmerksam machen, dass ständig neue Stoffe in unbekannten Mengen in den Wasserkreislauf gelangen, die mit modernster Analysetechnik nachzuweisen sind. Die Gewinnung von Trinkwasser durch Uferfiltration aus der Elbe und anderen Flüssen sei bewährt – und auch künftig unverzichtbar. Deshalb komme es darauf an, das sogenannte Rohwasser zu untersuchen – und zu verhindern, dass die Gewässerbelastung überhand nimmt.

Aus der Blutbahn in die Elbe

Bei manchen Stoffen ist an der Elbe eine positive Entwicklung zu beobachten: Der Sulfatgehalt beispielsweise ist unkritisch, die Belastung mit Ammonium gar deutlich zurückgegangen – das belegen Messungen aus Dresden, Riesa und Torgau. Auch Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmittel finden sich deutlich weniger als noch Mitte der 90er Jahre. Laut der Studie liegt das daran, dass der Einsatz verschiedener Stoffe im Maisanbau mittlerweile verboten ist.

Ganz anders sieht die Entwicklung bei der Belastung durch Medikamente aus. Rückstände des Antiepileptikums Carbamazepin, des Schmerzmittels Dicolefenac und des Rheumamittels Ibuprofen konnten schon seit Jahren in der Elbe nachgewiesen werden. Mittlerweile sind neu identifizierte Stoffe hinzugekommen – vor allem die Wirtstoffe Gabapentin (ein Antiepileptikum) und Metformin (ein Antidiabetikum). Die Wasserversorger fürchten, dass die Stoffkonzentrationen in den Gewässern weiter steigen werden: weil bei den typischen Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck und Schmerzen auch mehr Medikamente verschrieben werden.

Offenbar wird auch in den Kliniken und ambulanten Praxen deutlich häufiger mit dem CT-Gerät untersucht als früher. Darauf deutet die deutliche Steigerung des Iomeprol-Werts im Riesaer Elbwasser hin. Das Kontrastmittel wird geschluckt oder gespritzt, gelangt über die Toilette in die Kanalisation, wird in den Kläranlagen nicht abgebaut – und gelangt so in die Flüsse. Was lässt sich dagegen tun? Die Wasserversorger weisen darauf hin, dass einiges daran hängt, welche Medikamente der Arzt verschreibt: So gibt es beispielsweise Blutdrucksenker, deren Wirkstoffe im menschlichen Körper oder in der Kläranlage so abgebaut werden, dass sie später keine Gefahr für das Trinkwasser darstellen. Anders sieht es beim Mittel Valsartan aus, das bei der Uferfiltration kaum abgebaut wird – und deshalb potenziell gefährlich für das Trinkwasser ist. Dabei gäbe es andere Wirkstoffe, die ähnlich wirkten und auch nicht teurer seien.

Neben Arzneimittelrückständen sind in der Elbe auch Reste von Haushalts- und Industriechemikalien zu finden – etwa Benzotriazole. Diese Korrosionsschutzmittel werden in Motoren eingesetzt, aber auch zum Silberschutz in Geschirrspülmitteln. Die Tendenz der Konzentration in der Elbe bei Riesa ist seit Jahren steigend. Auch dort gelte es, den Eintrag solcher Stoffe ins Trinkwasser zu verringern – etwa durch den Ersatz biologisch abbaubarer Stoffe. Noch könne man qualitativ hochwertiges Trinkwasser im Einzugsgebiet der Elbe produzieren. Wenn das langfristig so bleiben soll, müsse man jetzt handeln.