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Mehr als Balkonien

Die siebenköpfige Familie Hein aus Meißen kann in den Urlaub fahren, Unterstützung von Land und Bund sei Dank.

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© Repro: SZ

Von Udo Lemke

Meißen. Drei Jungs, zwei Mädchen, Mutter und Vater – das ist Familie Hein aus Meißen. Vater Thomas arbeitet als Gas- und Wasser-Installateur, Mutter Ivonne ist zu Hause und kümmert sich um die fünf Kinder und den Haushalt. Eine Woche war die Familie an der Mecklenburger Seenplatte im Urlaub in einer Ferienwohnung. Ohne Hilfe wäre aber selbst diese eine Woche Urlaub nicht möglich.

„Für viele Familien geht es maximal auf Balkonien, für eine Urlaubsreise reicht oft das Geld nicht“, sagt Johannes Albrecht von der Diakonie Meißen. An ihn hat sich Familie Hein gewandt. Und er konnte helfen, denn die Diakonie ist eine der möglichen Stellen, bei denen Familien Geld, das der Freistaat Sachsen für die Familienerholung bereitstellt, beantragen kann. „Einmal im Kalenderjahr ist ein Urlaubsaufenthalt für die Dauer von sieben bis vierzehn Tagen förderfähig.“

Dabei muss der Urlaubsort in Deutschland liegen, entweder in einer Familienferienstätte, auf Bauernhöfen oder in Ferienwohnungen. Gefördert werden Familien nur unter einer bestimmten Einkommensgrenze, die sich auf das Nettoeinkommen ohne Kindergeld bezieht. Familie Hein fällt unter diese Grenze. Der Haushaltsvorstand der zusammenlebenden Eltern hat weniger als 525 Euro pro Monat und weniger als 300 Euro für jedes weitere Familienmitglied. Deshalb „bekommen wir pro Familienmitglied und Urlaubstag 7,50 Euro“, sagt Ivonne Hein. Das macht für die eine Woche insgesamt 367,50 Euro.

„Das ist eine feine Sache, und wir werden das nächstes Jahr wieder beantragen“, sagt Thomas Hein. Und er sagt, dass es sonst nur ein Entweder oder Oder gäbe: Alle Kinder, bis auf die Kleinste, auf Klassenfahrten zu schicken und in den Sportverein und dann noch in den Urlaub zu fahren – das wäre schlicht nicht möglich. Dass am Ende doch beides geht, liegt neben der Urlaubsunterstützung an einer zweiten staatlichen Hilfe.

„Das Bildungspaket ist eine Riesenhilfe für uns.“ Und Ehefrau Ivonne ergänzt: „Ohne das könnten wir nicht in den Urlaub fahren.“ Zwar bezieht Familie kein Hartz IV, aber Wohngeld und ist damit antragsberechtigt. Mit dem Bildungspaket werden Mittagessen, Klassen- und Tagesfahrten sowie Beiträge für den Sportverein gestützt. Alle Kinder, bis auf das jüngste, spielen Handball. Pro Schuljahr und Schulkind können die Heins 100 Euro beantragen. Ivonne und Thomas Hein sind sich einig: Sie glauben nicht, dass alle berechtigten Familien wissen, dass sie das Bildungspaket beantragen können.

Auf Nachfrage erklärte Stadtsprecher Philipp Maurer, dass Stand Juni in Meißen 543 Haushalte Wohngeld beziehen. „Wer von den Wohngeldbeziehern darüber hinaus von Zuwendungen aus dem Bildungspaket profitiert, wird unsererseits statistisch nicht erfasst. Eine Auskunft hierzu ist daher leider nicht möglich.“

Bei der Wohngeldstelle der Stadt Meißen werden Anträge für das Bildungspaket ausgegeben und angenommen, Auskünfte erteilt, Hilfestellung gegeben. Auch findet sich auf jedem positiven Wohngeldbescheid ein Hinweis auf das Bildungspaket. Bearbeitet, geprüft und bewilligt werden die beantragten Mittel jedoch von der Wohngeldbehörde beim zuständigen Landkreis Meißen.

Auf Nachfrage erklärt Kreissprecherin Kerstin Thöns: „Die Vermutung, dass viele Anspruchsberechtigte über die Leistungen der Bildung und Teilhabe nicht informiert sind, trifft nicht zu.“ In den Jobcentern seien alle zuständigen Mitarbeiterinnen gehalten, alle Neuantragsteller, deren Angehörige Anspruch auf diese Leistungen haben könnten, über die bestehenden Möglichkeiten zu informieren. Das sei gesetzlich so festgelegt.

Die aktuelle Statistik des Jobcenters weise folgende Zahlen aus: Im 1. Quartal 2016 gab es 5 517 potenziell leistungsberechtigte Kinder und Jugendliche, wovon für 3 634 mindestens ein Antrag gestellt wurde. Das sind rund 66 Prozent.

Thomas und Ivonne Hein bekennen sich zu einem traditionellen Familienbild. Er: „Ich versuche das Geld heranzuschaffen.“ Sie: „Ich bin Vollblut-Mama, ich bin froh, dass ich nachmittags, wenn die Kinder kommen, Zeit für sie habe.“ Wie sie als große Familie aufgenommen werden, lautet die Frage: „Wir haben noch keine negativen Erfahrungen gemacht“, antwortet Ivonne Hein. Das liege aber sicher auch am günstigen Umfeld. Alle Kinder gehen auf die Freie Werkschule, „dort sind Familien mit einigen Kindern nicht selten“, sagt Thomas Hein. Und: „Wir geben der Gesellschaft mit unseren Kindern ja auch etwas zurück.