Merken

Mehr Grün für Bautzen

An der Michaeliskirche gibt es jetzt einen Garten für jedermann. Doch das soll erst der Anfang sein.

Teilen
Folgen
NEU!
© Uwe Soeder

Von Miriam Schönbach

Bautzen. Trotz Regen brauchen die Kräuter Wasser. Immer wieder läuft Olaf Haase mit der Gießkanne zur Pumpe auf dem Michaelis-Kirchhof in Bautzen. Die anderen Mitstreiter der Gruppe „Die Stadtbegrüner“ pflanzen im Schatten der Kirche noch ein paar Frauenmantelstauden und Ringelblumen. Auch Taglilien kommen ins Beet. „Von ihnen kann man auch die Blüten essen“, sagt Matthias Berger und erläutert den Sinn des Projekts: „Dieser Kräuter- und Naschgarten ist der Anfang einer essbaren Stadt für Bautzen.“

In mehr als 90 Orten in Deutschland trägt die Idee der Stadtgärten zum Selbstbedienen bereits Früchte. Beispielhaft für Matthias Berger ist Andernach am Rhein. Seit fast 20 Jahren gilt in Stadt in der Nähe von Koblenz in den öffentlichen Grünanlagen „Pflücken erlaubt“. Denn dort wachsen Gemüse, Obst, Beeren, Küchenkräuter oder Schnittpflanzen. Im Schlossgarten werden jährlich über 100 Tomatensorten, 100 Bohnensorten sowie 20 Zwiebelsorten gepflanzt. Dazu ist ein fahrbarer Schulgarten entstanden, der bei Bedarf an Schulen und Kindergärten aufgestellt wird.

Starthilfe aus dem Bürgerhaushalt
Das Projekt wird am Rhein durch Langzeitarbeitslose betreut. „Inzwischen weiß man, dass sich die Abschaffung der Wechselbepflanzung durch die essbare Stadt rechnet“, sagt Matthias Berger. Er ist einer der Initiatoren des Bautzener Projekts.

Gefördert wird es aus Mitteln des sogenannten Bürgerhaushalts. Um die Gelder aus dem Fonds können sich Einwohner, Vereine und Initiativen mit ihren Ideen bewerben. „Die Stadtbegrüner“ erhielten für ihren Vorschlag 2 000 Euro.

Mit dieser Starthilfe kann das Projekt „Essbare Stadt“ nun wachsen. Bei der Anlage des ersten Beets vor wenigen Tagen haben gleich 15 Hobbygärtner mit angepackt. Die Pläne dafür hat Architektin Cornelia Barth angefertigt, Unterstützung kam außerdem vom Permakultur-Experten Thomas Noack aus Nebelschütz. Permakultur bedeutet, von der Natur zu lernen und ihre Muster in die Planung einzubeziehen. So sollen Gärten nach den Prinzipien der Permakultur möglichst langfristig ohne menschliches Eingreifen funktionieren.

Auch aus diesem Grund schützt die Erde im Kräutergarten nun eine dicke, mineralische Mulchschicht aus gelbem Granit aus dem Steinbruch in Melaune unweit von Niederseifersdorf. Die Beeren stehen dagegen in dickem, hölzernen Hackschnitzel. „Damit die sogenannten Unkräuter nicht kommen“, sagt Olaf Haase.

Der grobe Belag hat außerdem noch einen zweiten Nebeneffekt. Auch Hunde meiden den spitz-steinigen Untergrund. Somit können nun Salbei, Süßdolde, Minzen, Blutampfer, Schnittlauch, Scharfgarbe, Zitronenthymian, Liebstöckel, Herzgespann und vieles mehr ungehindert anwachsen. Insgesamt stehen 70 Pflanzen in den Beeten vis-à-vis zur Alten Wasserkunst.

Im Garten des Bautzener Wahrzeichens könnten schon bald die nächsten Beete der „essbaren Stadt“ entstehen. „Wenn von diesem Projekt noch Geld übrig ist, sollen dort noch zwei Hochbeete unter anderem mit selbstgezogenen Tomaten bepflanzt werden“, sagt Matthias Berger. Doch für ihn sind die leckeren Stadtgärten mehr als ein Ort zum Selbstbedienen. Zum einen fördern sie die Kulturpflanzenvielfalt und werten das städtische Grün auf, zum anderen tragen sie zur Bildung bei und sollen zum Mittun einladen. „Zum Beispiel suchen wir noch Paten für unsere Gemüsepflanzen, die Pflege und Ernte übernehmen“, sagt Matthias Berger. Die Ideen der „Stadtbegrüner“ gehen aber noch weiter. Stück für Stück könnten sich die städtischen Grünanlagen in Bautzen wie in Andernach in einen Garten für jedermann verwandeln. Selbst transportable Hochbeete wären denkbar. Aber das ist Zukunftsmusik. Zunächst einmal brauchen die Kräuter und Beerensträucher an der Michaeliskirche noch ein bisschen Hinwendung und von Zeit zu Zeit einen Schluck Wasser aus der Gießkanne.

Die Stadtbegrüner sind unter folgender E-Mail-Adresse zu erreichen: [email protected]