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Mehr Mindestlohn und mehr Arbeit

Im neuen Jahr gibt es mindestens 8,84 Euro pro Stunde. Sächsische Gastwirte und Handwerker sprechen von einem „Kraftakt“.

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© Zeichnung: Schwarwel

Dresden. Der Mindestlohn steigt, und damit bekommen Hunderttausende Sachsen im Januar eine Lohnerhöhung. Im Freistaat gebe es etwa 260 000 Menschen mit Mindestlohn, sagte der stellvertretende sächsische DGB-Vorsitzende Markus Schlimbach.

Von der Erhöhung zum Jahresanfang könnten zwischen 10 000 und 15 000 Sachsen zusätzlich profitieren, weil damit auch ihr Lohn steigt. Kritik an der Erhöhung zwei Jahre nach Start des Mindestlohns gibt es dagegen von Handwerkern sowie Hoteliers und Gastwirten. Sie fürchten, dass die höheren Lohnkosten nur schwer erwirtschaftet werden können.

Zum 1. Januar steigt der gesetzliche Mindestlohn um 34 Cent auf 8,84 Euro pro Stunde. Er gilt zwei Jahre lang. Ein Verlust von Arbeitsplätzen ist laut DGB nicht zu befürchten. Schlimbach sagte, das sei „2015 nicht passiert, obwohl der Sprung der Löhne teilweise ziemlich groß war, und das wird auch 2017 nicht passieren.“

Seit Einführung des Mindestlohns ist demnach die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Freistaat um 3,6 Prozent gestiegen, die Löhne haben einen Sprung von durchschnittlich 11,3 Prozent gemacht. Schlimbach: „Für sächsische Niedriglöhner war der Mindestlohn ein Segen.“

Auch das Dresdner Ifo-Institut rechnet nicht mit nennenswerten Negativeffekten, solange der Aufschwung andauert – und damit wird fürs neue Jahr gerechnet. Für 2017 prognostizieren die Wirtschaftsforscher einen Anstieg der Zahl der Erwerbstätigen in Sachsen um 12 000. Nach der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 war die Zahl der Erwerbstätigen insgesamt leicht gesunken: Es gab weniger Minijobber, aber mehr Menschen mit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung.

Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) bezeichnete die Erhöhung des Mindestlohns als „gute Nachricht“ für die Beschäftigten. Er sei „froh und glücklich“ über die schrittweise Erhöhung. Die Lohnentwicklung nach unten wurde aufgehalten, sagte der Minister. Dennoch könne man mit dem Niveau noch lange nicht zufrieden sein. Dulig forderte von der sächsischen Wirtschaft mehr Tarifabschlüsse.

Der Landesverband des Hotel- und Gaststättengewerbes, Dehoga, steht der Erhöhung der Lohnuntergrenze dagegen kritisch gegenüber: Dabei sei weniger der Mindestlohn an sich das Problem, vielmehr die daraus folgende Lohnerhöhung für andere Mitarbeiter. Schon bisher hätten Gastwirte vielerorts mit kürzeren Öffnungszeiten und mehr Ruhetagen reagiert, sagte Dehoga-Hauptgeschäftsführer Jens Vogt. Er rechne für das Jahr mit weiteren Einschränkungen für die Gäste. Zum Start des Mindestlohns hatten die Gastwirte vor allem die Pflicht zum Dokumentieren der Arbeitszeit bemängelt und Kontrollen gefürchtet. Die gab es auch, aber viele Zöllner wurden zeitweilig für andere Aufgaben benötigt – zur Arbeit mit Flüchtlingen.

Vogt sagte, zwar steige der Monatslohn eines Vollzeitbeschäftigten auf den ersten Blick nur um rund 60 Euro im Monat. „Aber bei 20 Mitarbeitern, plus Arbeitgeberanteil für Sozialversicherung sind das aufs Jahr gerechnet schnell 10 000 Euro.“ Das müsse erst einmal erwirtschaftet werden. Vor allem Gastwirten auf dem Land mache die Lohnerhöhung zu schaffen.

Im Handwerk liegen die Löhne in vielen Branchen zwar ohnehin über dem gesetzlich verankerten Mindestlohn, sagte der Präsident des Sächsischen Handwerkstages, Bäckermeister Roland Ermer aus Bernsdorf bei Kamenz. Dennoch sei eine Anhebung vor allem für Betriebe in strukturschwachen, ländlichen Regionen ein „echter Kraftakt“.

Außer Bäckereien und Fleischereien seien auch Kunsthandwerker und Spielzeughersteller im Erzgebirge betroffen. Zudem habe der Mindestlohn-Aufschlag zur Folge, dass die Kostenschere zwischen industriell und handwerklich gefertigten Produkten weiter auseinandergehe, sagte Ermer. Gerade in personalintensiven Unternehmen würden höhere Lohnkosten die Preise für Produkte und Dienstleistungen nach oben treiben.

Deutschlands Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer stellt den Sinn der Lohnuntergrenze infrage. „Nutzt der Mindestlohn Langzeitarbeitslosen und Geringqualifizierten?“, fragt er. „Ich sage Nein, denn ihnen erschwert der Mindestlohn den Sprung in die Beschäftigung, und das ist auch sozialpolitisch falsch.“ Doch in eineinhalb Jahren wird die Mindestlohn-Kommission anhand der Tariflohn-Entwicklung festlegen, wie es 2019 weitergeht. (dpa/SZ)