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Mehr Sozialarbeiter für Dresdens Schulen

Mit den neuen Regelungen zu Hartz-IV können auch Schulsozialarbeiter bezahlt werden. In Dresden soll es nur sechs mehr geben. Die sind aber dringend nötig.

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Von Claudia Schade

Ulrike Giesecke von der Dinglingerschule wartet schon seit vier Jahren. „Wir haben Kinder, die Verhaltensauffälligkeiten und auch psychische Störungen haben“, sagt die Leiterin der Schule zur Lernförderung. „Das ist im Unterricht eine enorme Belastung.“

Manche Kinder leiden unter häuslicher Gewalt oder der Trennung der Eltern. Andere vereinsamen vor dem Computer oder haben nie gelernt, wie man respektvoll und höflich miteinander umgeht. Und wieder andere sind mit dem Zurechtkommen in der Gruppe überfordert. Was sie in der Pause zunächst als Spiel beginnen, kann sich daher schnell zum heftigen Streit auswachsen.

Diese Konflikte werden in den Unterricht getragen. „Der Lehrer kann erst dann mit Mathe oder Deutsch weitermachen, wenn die Streitereien untereinander geklärt sind“, sagt die Schulleiterin. Nicht nur in solchen Situationen wünscht sie sich einen Schulsozialarbeiter. Auch beim Umgang mit Schulverweigerern, bei Elterngesprächen, freizeitpädagogischen Angeboten oder der Stadtteilarbeit soll dieser helfen.

Bislang sind an Dresdens Schulen 14 Sozialarbeiter an zwölf Mittelschulen und zwei Förderschulen im Einsatz. Sie werden aus den städtischen Mitteln der freien Jugendhilfe bezahlt. 2010 wurden dafür 620.524 Euro ausgegeben. Mit dem neuen Bildungspaket für bedürftige Kinder ist nun auch Geld für weitere Pädagogen vorhanden. Bundesweit könnten sich 3.000 Fachkräfte um Kinder und Jugendliche kümmern. Auf Dresden bezogen wären das 20 zusätzliche Stellen, hat die SPD-Fraktion im Stadtrat ausgerechnet.

Doch Sozialbürgermeister Martin Seidel (parteilos) bremst. „Wir bekommen vom Bund eine Pauschale für ein Hartz-IV-Gesamtpaket“, sagt er. Das heißt, die zusätzlichen Mittel für die Kosten der Unterkunft, warme Mittagessen für Bedürftige oder Geld für Schulausflüge werden nicht einzeln aufgeschlüsselt. Bleibt nach den verpflichtenden Ausgaben noch etwas übrig, könnte damit die Sozialarbeit finanziert werden. Zudem seien die Bundesmittel bis Ende 2013 befristet.

Nach Schätzungen stünden für 2011 etwa 280.000 Euro für die Schulsozialarbeit aus Bundesmitteln zur Verfügung. Zum kommenden Schuljahr sollen damit sechs neue Schulsozialarbeiter an den Start gehen. Seidel rechnet damit, sie an drei Standorten einzusetzen. Bedarf angemeldet haben bislang jedoch fünf Schulen, drei zur Lernförderung, eine für Erziehungshilfe und eine für geistig Behinderte.

Eltern sind zu oft hilflos

Kurt Hartmann, Leiter der 56. Mittelschule auf der Cottbuser Straße, weiß, wie wertvoll die Arbeit der zusätzlichen Pädagogen ist. „Eltern sind oft dankbar für die Unterstützung“, so seine Beobachtung. „Den hilflosen Satz: ,Ich weiß nicht mehr, was ich mit meinem Kind machen soll‘, höre ich viel zu oft.“ Die Sozialarbeiter sind im sechsten Jahr an seiner Schule tätig. „Wir sehen das durchweg positiv“, zieht Hartmann Bilanz.

Das sieht Andreas Böer ähnlich. Der 44-Jährige arbeitet für den Verein „In Via“ und betreut an der 56. Mittelschule derzeit regelmäßig 15 Kinder als Einzelfälle, davon sechs sehr eng. Manche Kinder hat er über mehrere Jahre intensiv begleitet. „Unsere Aufgabe ist es, dass das Kind aus dem schulischen Ablauf nicht herausfällt, dass es seine Prüfungen schafft und in einen Beruf geht.“ Das wäre zwar auch ohne Schulsozialarbeit möglich, sagt er. Dafür bedürfe es jedoch anderer Strukturen an den Schulen, die unter anderem mehr Zeit lassen, auf die Kinder einzugehen.

Die Sozialarbeiter indes können zum Beispiel bei ersten Anzeichen häuslicher Gewalt eingreifen. Fällt einem Lehrer auf, dass ein Kind untypische blaue Flecken hat, gehen die Sozialarbeiter dem nach. Als Anwalt des Kindes ergreifen sie auch gegenüber den Lehrern Partei für den Jugendlichen und bringen so eine andere Sichtweise auf schulische Probleme mit.

Vor allem Schüler der fünften bis siebenten Klasse brauchen Hilfe, sagt Böer. Sie befinden sich zunächst in einer Umbruchphase nach dem Wechsel von der Grund- auf die weiterführende Schule. Später spielt dann vor allem die Pubertät eine Rolle.

Ulrike Giesecke von der Dinglingerschule kann nur abwarten. Ob ihre Schüler bald auch Hilfe von einem Schulsozialarbeiter bekommen, ist noch nicht entschieden.