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Meißen feiert Freiwillige Feuerwehr

1841 verpflichteten sich Meißner Bürger für ein Feuerlösch- und Rettungskorps. Aus Sicht der Stadt war es die erste Freiwillige Feuerwehr Deutschlands. Der Titel ist umstritten - gefeiert wird trotzdem.

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© dpa

Von Simona Block

Meißen. Einer für alle, alle für einen: Alarm - Kleinkind in Auto eingeschlossen. In Sekunden rollen zwei Fahrzeuge vom Hof der modernen Feuerwache in Meißen. Auf einem Parkplatz hat sich eine Großmutter aus dem Auto ausgesperrt, der Schlüssel steckt drinnen - wie ihr Enkelkind.

Schnell ist klar, die Scheibe muss nur im Notfall eingeschlagen werden. Da es dem anderthalbjährigen Mädchen gut geht, holen die Feuerwehrmänner einen Autoschlosser, der die Tür öffnet.

„Normaler Alltag“, sagt Frank Fischer, Chef der Freiwilligen Feuerwehr Meißen. Die feiert am Wochenende ihr 175. Jubiläum als „erste Freiwillige Feuerwehr Deutschlands“ - mit Festakt, Andacht, Wettkämpfen, Feuerlöschertraining und Blaulichtdisko. „Feuerwehrleute sind unverzichtbare und verlässliche Helfer und Helden in der Not“, sagt Innenminister Markus Ulbig (CDU).

„Bis 1830 war Feuerlöschdienst Pflicht aller Bürger“, erzählt die Leiterin des Stadtmuseums, Martina Fischer. Schon Jahrhunderte davor habe es ein gut funktionierendes Löschwesen gegeben, das in den 1820er Jahren aber in die Krise geraten sei - auch wegen einer Flut von Vorschriften. 1840 schlug Bürgermeister Hugo Tzschuke ein freiwilliges Feuerlösch- und Rettungscorps vor, das alle nötigen Handgriffe und Verrichtungen regelmäßig üben sollte.

Am 17. Juli 1841 verpflichteten sich 132 Bürger per Handschlag zu Gehorsam und Pflichterfüllung im Einsatz - wie einer Urkunde in der Ausstellung „Erstmals freiwillig!“ des Stadtmuseums in der einstigen Franziskanerklosterkirche zu entnehmen ist. Mit Feuerrock und je zwei Eimern ausgerüstet hielten die Männer die erste Übung ab. Ausgestellte historische Leinwandröcke, Hüte und Pickelhauben zeugen von den Anfängen der Wehr, die laut Fischer auch Nachahmer fand, und ihrer 175-jährigen Geschichte.

Um den Titel „Älteste Freiwillige Feuerwehr Deutschlands“ wird indes seit dem 19. Jahrhundert gestritten. „Meißen ist es definitiv nicht“, sagt Rolf Schamberger, Leiter des Deutschen Feuerwehrmuseums im hessischen Fulda. Die Meißener seien nur eine von mehreren Rettungs- und Löschmannschaften gewesen, aber immerhin wichtige Vorläufer einer richtigen Feuerwehr, für die eine militärische Organisierung mit klarer Struktur und Hierarchie kennzeichnend sei.

Im Gegensatz zur Spritzenmannschaft konnte die spätere richtige Feuerwehr mithilfe von Steigern, die aus Turnermannschaften rekrutiert wurden, den Brandherd von der Leiter aus bekämpfen, wie Schamberger erläutert.

Erstmals urkundlich erwähnt wurde der Begriff Freiwillige Feuerwehr 1847 in der „Karlsruher Zeitung“. Der Meißner Rat verwendete erstmals 1861 den Begriff Feuerwehr.

„Das System der Freiwilligen Feuerwehr ist nahezu einmalig in Europa“, sagt Silvia Darmstädter, Sprecherin des Deutschen Feuerwehrverbandes.

Nur in Österreich und Polen gebe es Vergleichbares. Ende 2013 gab es bundesweit 22 814 Freiwillige Feuerwehren mit gut 1,8 Millionen Mitgliedern in 31 725 Feuerwachen. Neuere Zahlen liegen laut Darmstädter nicht vor. „Ohne Freiwillige Feuerwehr würde es nicht gehen, das Ehrenamt ist eine Säule des Bevölkerungs- und abwehrenden Brandschutzes“, sagt die Verbandssprecherin.

Doch mittlerweile gibt es teils massive Nachwuchsprobleme. Vor allem in strukturschwachen Regionen mussten oder müssen Wehren zusammengelegt oder geschlossen werden. Auch die Meißner verlieren viele junge Feuerwehrleute, sobald diese ihren Schulabschluss in der Tasche haben. „Man muss sich Gedanken machen“, sagt Wehrleiter Fischer.

Aktuell sind es 64 Mitglieder: 44 Aktive im Alter zwischen 16 und 70 Jahren. Hinzu kommen 20 Ehemalige sowie 33 Jugendliche und Kinder. „Wir könnten mehr aufnehmen, wenn wir Ausbildungskapazität dafür hätten.“

Die 37 Männer und sieben Frauen sind immer auf Abruf, Tag für Tag, „egal ob Weihnachten, Feiertag oder der eigene Geburtstag“. Fast alle haben einen handwerklichen Beruf - von Augenoptikerin über Elektriker, Fliesenleger oder Schweißer bis Verkäufer - und Familie.

Jährlich kommen rund 300 Einsätze im Stadtgebiet und Landkreis zusammen. Nur in jedem dritten Einsatz geht es um Brände. Meist werden die Freiwilligen zu Verkehrsunfällen gerufen oder sie öffnen Türen für den Rettungsdienst.

Rainer Forberger gehört seit 1958 dazu. Der 78-Jährige ist Chef der Alters- und Ehrenabteilung. Der frühere Schneidermeister pflegt im Ruhestand Uniformen und Kleidung - und vermisst die alten Zeiten. „Früher war mehr Zusammenhalt“, sagt er. „Die Jugend will jedes Feuer mitmachen, sich aber nicht an die Truppe binden.“