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Mackenroth: "Diese Ansammlung von Wutbürgern muss sich ändern"

Warum der Radebeuler Abgeordnete Geert Mackenroth nach 15 Jahren endgültig den Sächsischen Landtag verlässt, obwohl diese Arbeit doch süchtig macht.

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Er war Richter, Staatsanwalt, Staatssekretär und Minister. Der sächsische Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth (74) aus Radebeul verlässt den Landtag.
Er war Richter, Staatsanwalt, Staatssekretär und Minister. Der sächsische Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth (74) aus Radebeul verlässt den Landtag. © Norbert Millauer

Herr Mackenroth, Sie verlassen als Vertreter des Landkreises Meißen im September den Landtag nach 15 Jahren. Sie waren aber nie Alterspräsident, oder?
Nein, aber der Job des Alterspräsidenten war auch nie mein Traumberuf.

Weshalb haben Sie so lange durchgehalten?
Ich war Richter, Staatsanwalt, Staatssekretär, Minister, alles wunderbare Aufgaben. Aber jetzt als Abgeordneter erlebe ich: Der Landtag macht fast süchtig. Dabei geht es mir nicht um Macht, sondern um die Möglichkeit, Zukunft zu gestalten, für meine Kinder und Enkel, aber auch für Sachsen insgesamt.

Was ist heute anders im Landtag als früher?
Social Media, Deepfake und jede Woche neue Krisen - das gab es so früher nicht. Auch da haben wir uns in der Sache gestritten, aber uns doch respektiert und abends zusammen ein Bier getrunken. Heute betreiben Extremisten das üble Geschäft der Angst und der Spaltung bis hin zu persönlicher Feindschaft.

Wenn Sie so zurückblicken, was war Ihr größter politischer Erfolg als Abgeordneter? Vielleicht auch für die Region?
Da müssten Sie andere fragen – mir fällt neben der üblichen Lobbyarbeit für den Wahlkreis in Dresden etwa die Hochstufung der BA in Riesa und der Erhalt unserer wunderbaren Elblandphilharmonie ein. Mir war und ist wichtig, den Menschen als Ansprechpartner zu dienen, Politik und Rechtsstaat zu erklären und zu helfen, beispielsweise im Runden Tisch Hochwasserschutz für unser Elbtal, den ich seit Jahren moderieren darf.

Und der größte Misserfolg oder die größte Panne?
Wir sind auch als Abgeordnete leider nicht bei Wünsch Dir was, sondern eingebunden in ein großes Geflecht von Abhängigkeiten. Die B169 hat immer noch nicht den dritten Bauabschnitt, das ärgert mich, aber die Mühlen mahlen halt langsam. Der Bürokratieabbau tritt seit Jahrzehnten auf der Stelle, die Modernisierung des Kreises lässt vielfach auf sich warten, und auch der ländliche Raum wird weiter in vielen Bereichen stiefmütterlich behandelt.

Zum kommenden Wahlkampf: Welche Chancen hat Ihre Partei auf Landesebene?
Ich bin zuversichtlich. Wir haben mit Michael Kretschmer einen prächtigen Frontmann, der unseren Freistaat ruhig und kompetent, fleißig und bürgernah durch wilde Zeiten führt. Die Sachsen sind zu klug, das nicht zu erkennen, sie werden es an der Wahlurne honorieren.

Und in den vier Meißner Wahlkreisen?
Da erkenne ich Licht, sehe aber auch noch Luft nach oben: Mir imponiert unser Radebeuler Kandidat Dr. Sven Eppinger, der uneitel, mit klarem Kompass und nach einem klugen Plan arbeitet. Man merkt ihm an, dass er nicht nur die Wahl, sondern die Menschen gewinnen will. Daniela Kuge, Sebastian Fischer und Falk Müller wissen selbst, wo noch Nachbesserungen ihren Wahlkampf schärfen könnten. Es ist jedenfalls noch nicht zu spät. Und wer partout nicht weiter weiß, kann sich ja auch mal den einen oder anderen klugen Ratschlag etwa von unserer Kreisvorsitzenden Bianca Wunderwald holen.

Wird es mal eine CDU-AfD-Koalition in Sachsen geben, wenn es gar nicht mehr anders geht?
Nein. Nicht mit dieser AfD. Wenn, dann muss sich diese Ansammlung von Wutbürgern und Systemkritikern nachhaltig ändern, Hass und Hetze, Fremden- und Europafeindlichkeit ablegen und sich zu Toleranz und Wahrheit, zur Freiheit des Einzelnen und zum Rechtsstaat bekennen.

Oder eine CDU-Minderheitsregierung, die von wechselnden Mehrheiten toleriert wird?
Davon halte ich nichts. Minderheitsregierungen sind instabil und teuer. Sie schaffen kein Vertrauen, kein gutes Klima, weder für Wirtschaft noch für Investoren. Dann lieber die eine oder andere grün-rote Koalitionskröte schlucken, auch wenn die Grünen schon vorher immer ganz genau wissen, was der Rest der Menschheit tun und lassen soll, und die Roten nicht einmal wissen, was sie selbst wollen. Solange die Kreuze für meine Partei auf den Wahlzetteln überwiegen, bleibt das beherrschbar.

Es ist zu hören, Sie bleiben sächsischer Ausländerbeauftragter, bis ein Nachfolger gefunden ist?
So sagt es das Gesetz. Ich möchte aber bitte nicht aus meinem Büro herausgetragen werden …

Schieben wir entweder zu zögerlich oder die Falschen ab?
Das Vorurteil hört man immer wieder. Die Behörden richten sich grundsätzlich nach dem Gesetz, und das ist gut und richtig so. Ich würde mir allerdings wünschen, dass die Ausländerbehörden von dem ihnen eingeräumten Ermessen noch mehr als jetzt schon verantwortungsvollen Gebrauch machen und gelegentlich auch mal in die Kommunen hineinhören und nachfragen, wie weit die Integration der Menschen vor Ort vorangeschritten ist.

Was passiert mit Ihren Ämtern als Chef des Weißen Rings und Vizepräsident des sächsischen DRK …
… und der CDU-Seniorenunion, die mir besonders ans Herz gewachsen ist? Auch dort ist der geordnete Rückzug nur eine Frage der Zeit. Ich habe Enkelkinder, die Anspruch auf einen Opa haben, will mit meiner Frau noch einige Pläne umsetzen, bin dankbar für mein erfülltes Berufsleben, huldige aber nicht der Vorstellung von der eigenen Unersetzbarkeit.

Das Gespräch führte Ulf Mallek.