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Voller Einkaufskorb, leeres Portemonnaie

Die Inflation trifft den Landkreis Meißen mit voller Wucht. Verbände rufen nach der Politik, während Unternehmen wie Schloss Wackerbarth höhere Preise ankündigen.

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Wochenendeinkauf für eine fünfköpfige Familie in Meißen. Die Preise steigen immer weiter.
Wochenendeinkauf für eine fünfköpfige Familie in Meißen. Die Preise steigen immer weiter. © Claudia Hübschmann

Meißen. Familienvater Schneider räumt den Wochenendeinkauf in den Kofferraum seines Kombis und rechnet kurz nach. Rund 130 Euro stehen auf dem Kassenzettel. Das war auch schon einmal mehr, vor der Schuleinführung der jüngsten Tochter oder vor den Weihnachtsfeiertagen, zu denen sich die Schwiegereltern angekündigt hatten. Aber in einer ganz normalen Woche?

Die Inflation ist längst in den Geldbörsen der Verbraucher angekommen. Für den Monat Februar hat das Statistische Bundesamt eine Teuerungsrate von 5,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat berechnet. Preistreiber Nummer eins bleibt die Energie, die gegenüber dem Vorjahr um rund 20 Prozent zugelegt hat. Doch auch Lebensmittel sind mit knapp acht Prozent deutlich teurer als im Vorjahr. Frisches Gemüse und Speiseöle führen mit Teuerungsraten von über 20 Prozent die Statistik an. Bei Obst, Brot und Brötchen sowie Molkereiprodukten müssen die Verbraucher zwischen sechs und acht Prozent mehr ausgeben als noch vor einem Jahr. Die Teuerung trifft nicht nur Familie Schneider. Auch die Restaurant- und Imbissbetreiber sowie Hoteliers sind betroffen. "Die massiv gestiegenen Einkaufspreise beschäftigen die Branche sehr stark. Die Unternehmer werden nicht umhinkommen, ihre Preise neu zu kalkulieren und auch anzuheben", sagt Axel Klein, Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga Sachsen. "Es bleibt am Ende die unternehmerische Entscheidung jedes Einzelnen, aber wir als Verband werben ganz klar für faire Preise", so Axel Klein.

Neben dem Wareneinkauf belasten auch die stark gestiegenen Energiepreise die Branche, die darüber hinaus – wie alle Dienstleistungsunternehmen – sehr personalintensiv ist. "Schon allein um die neu geschlossenen Tarifverträge durchzusetzen, die auch darauf abzielen, Fachkräfte durch verbesserte Konditionen zu halten, müssen die Unternehmer ihre Preise anheben", so Axel Klein. Einige haben das schon getan, wie Familienvater Schneider bemerkt. Für den Döner mit Käse, den er sich immer nach dem Familieneinkauf gönnt, muss er jetzt einen Euro mehr zahlen.

Deutlich mehr schmerzen da schon die knapp 110 Euro, die an der Zapfsäule für einmal Volltanken fällig werden. Den Bon nimmt er mit nach Hause. "Über 100 Euro für einen vollen Tank, das habe ich noch nie bezahlt, nicht mal auf der Urlaubsfahrt an der Autobahn", sagt er. Und während Familie Schneider nur zwei Autos betanken muss, trifft es in den Unternehmen ganze Fahrzeugflotten. Für sie könnte die Entwicklung der derzeitigen Benzin- und Ölpreise existenzbedrohend werden, warnt der CDU Kreisverband Meißen. In Meißen kostet der Liter Diesel am Freitag 2,36 Euro. "Aktuell erreichen die Kraftstoffpreise ungeahnte Höhen. Das trifft besonders Selbstständige, Familien und Menschen auf dem Land, die eben nicht auf Bus und Bahn umsteigen können. Ich erwarte von der Bundesregierung eine schnelle Entlastung! Klimaschutz und Energiewende sollten jetzt bis zur Überwindung der Ukraine-Krise zurückgestellt werden", sagt der CDU-Kreisvorsitzende Sebastian Fischer. Er fordert eine steuerliche Entlastung der Bürger durch eine unverzügliche Senkung der staatlichen Energieabgaben und Steuern auf Kraftstoffe und Heizöl. Auch eine zeitweise Senkung der Mehrwertsteuer von derzeit 19 auf sieben Prozent müsse in Erwägung gezogen werden, so Fischer. Darüber hinaus regte er eine neuerliche Debatte über den für 2030 geplanten Kohleausstieg an. Denn spätestens mit Beginn der Heizperiode im Herbst 2022 müsse Sachsen, müsse Deutschland, unabhängig von russischen Gaslieferungen sein, so der Kreisvorsitzende, der zu schnellen Entscheidungen mahnte, um Verbrauchern wie Unternehmen Planungssicherheit zu geben.

Aufgeben ist für Unternehmer keine Option

Die wünscht sich auch Dehoga-Chef Axel Klein. Zum Jahresende läuft das dritte Steuerhilfe-Gesetz aus, das den Gastronomen einen ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent für Speisen erlaubt. "Wir fordern eine Entfristung dieser Steuergesetzgebung über das Jahr 2022 hinaus", so Axel Klein. Er rechnet trotz der widrigen Umstände nicht mit einem großen Firmensterben in der Branche. "Die meisten Restaurants und Hotels sind in Familienbesitz und das schon über Generationen. Aufgeben ist für diese Unternehmer keine Option, denn ihr Betrieb ist auch ein Stück Altersvorsorge", so der Dehoga-Chef. Um sie zu entlasten, hat er noch einen weiteren Wunsch: Entbürokratisierung. "Der Verwaltungsaufwand und die Dokumentationspflichten sind enorm und kosten sehr viele Arbeitsstunden. Hier hätte der Gesetzgeber die Möglichkeit, schnell zu helfen", so Axel Klein.

Welche Wege es gibt, die Arbeitnehmer von den Folgen der Inflation zu entlasten, beschäftigt auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. "Der Spielraum ist allerdings überschaubar", gesteht Sprecher Jörg Förster. Für viele Branchen sind die Tarifverträge bereits ausgehandelt. "Und wir müssen natürlich berücksichtigen, dass die Preissteigerungen – insbesondere bei Energiepreisen, auch die Unternehmen treffen", so Förster. Gerne würde man die Arbeitnehmer, die jeden Tag pendeln müssen, entlasten. Doch anders als eine einmalige Corona-Prämie, die steuerfrei gezahlt werden konnte, wäre ein monatlicher Pendlerzuschuss ein geldwerter Vorteil, für den nach Paragraf 8 des Einkommenssteuergesetzes Abgaben anfallen würden. "Um ehrlich zu sein, sind wir noch auf der Suche nach einer geeigneten Möglichkeit, Arbeitnehmer zu entlasten", sagt Verdi-Sprecher Förster. Auch er sieht die Politik in der Pflicht, da die gestiegenen Energiekosten über Gas- und Heizölpreise nicht nur die Pendler hart treffen, sondern die gesamte Gesellschaft.

Betroffen von den aktuellen Entwicklungen am Markt ist auch die Sächsische Staatsweingut GmbH auf Schloss Wackerbarth. Steigende Kosten für Energie, Verpackung und Logistik belasten die Bilanz. Dazu kommen der Fachkräftemangel der Gastronomie, die Anhebung des Mindestlohns und der Mehraufwand durch den Infektionsschutz. "Alles zusammen wird dazu führen, dass wir unsere Preise bei ausgewählten Weinen und Sekten anpassen müssen", sagt ein Sprecher des Staatsweingutes.