Meißen
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Leserbrief: "Viel zu lange schauen wir zu"

Zum Auftreten des Heimatschreibers Dr. Günter Naumann und seinem Sohn in Stadtrats- und Ausschusssitzung äußert sich Stadtrat Helge Landmann. Die SZ hatte berichtet.

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Blick auf das Windmühlenareal. Zwei Meißner mühen sich redlich, hier eine Lösung zu finden.
Blick auf das Windmühlenareal. Zwei Meißner mühen sich redlich, hier eine Lösung zu finden. © Claudia Hübschmann

Zum Beitrag "Und täglich grüßt Herr Naumann" drängt es mich, Stellung zu beziehen, als Mensch und nicht in irgendeiner Funktion. Denn es geht bei den handelnden
Personen um anerkannte Mitglieder unserer Stadtgesellschaft. Und es geht um einen Inhalt, der nicht nur bei der Familie Naumann Betroffenheit erregt. Hier nützt nicht das Verschanzen hinter einer Rechtsordnung, hier gilt es, bestehende Konflikte zu lösen.

Auftritte dazu in einer Bürgerfragestunde sind das legitime Recht eines Jeden, auch mehrfach. Ob die Form quält oder nicht, entscheidet letztlich die Art des eigenen Umganges mit den anstehenden Problemen. Dabei ist es gleichgültig, ob es nun um den
bevorstehenden Verlust des historischen Müllerhauses inklusive Scheune in Proschwitz oder das Verschwinden alter Wegebeziehungen durch die Aufrebung des Hanges oberhalb des Ludwig-Richter-Blicks in den letzten Jahren betrifft.

Mich beschäftigt mehr als andere die Sorge, dass Dr. Günter Naumann und sein Sohn Frank Schaden nehmen – in ihrem Ansehen und in ihrer Psyche, denn sie kämpfen wie Don Quichotte gegen Windmühlenflügel. Für den Vater mit 87 Jahren scheint das kein Thema zu sein. Er hat ein Leben lang hartnäckig und letztlich aufopfernd um jede seiner Positionen gerungen. Er hat dabei leider auch manchen gutwilligen Weggefährten verletzt.

"Wegschauen hilft nicht!"

Für den Sohn kommt die gewählte Aufopferung in seinen noch jungen Jahren einer Selbstopferung gleich und könnte zu Anarchismus führen. Wie können wir einen solchen Irrweg als Gemeinschaft vermeiden, denn wir sind nicht nur passiv daran beteiligt, sondern aktiv. Viel zulange schauen wir nur zu, ohne wirksame Schritte der Abhilfe einzuleiten. Doch auch Wegschauen hilft nicht! Nur, wie könnte Abhilfe unter den bestehenden Bedingungen aussehen? Sie könnte erst einmal einräumen, dass mit der Kommunikation in unserer Stadt etwas nicht stimmt, wenn sich die honorigsten Bürger mit ihren Überlegungen wie Bittsteller vor dem Rat, dem Oberbürgermeister und seiner Verwaltung produzieren müssen, noch dazu in einem Zeitregime, welches mit drei Minuten für Maschinen geeignet scheint, nicht aber für leidenschaftliche Menschen.

Noch wichtiger aber wäre, zusammen über Formen des Auftritts in der Öffentlichkeit zu sprechen, die wichtigen Themen der Stadt in ihrer Komplexität anreißen. Unsere Einwohnerversammlungen sind dazu weder in ihrem Format, ihrer Moderation noch in der zeitlichen Fixierung geeignet. Sie sind auch nicht immer verlockend. Die Resonanz in der Bürgerschaft ist entsprechend. So etwas wie Speakers ́ Corner im Hyde Park wäre manchem wohl lieber, um Luft abzulassen oder mit dem eigenen Anliegen an ein Publikum durchzudringen. Andere hätten sicher Interesse an einer Meckerecke im Netz. Im Moment individualisieren sich die Bedürfnisse der Menschen gerade gewaltig. Hauptanliegen bei allem sollte aber bleiben, konstruktiv miteinander umzugehen, andere nicht hinzuhalten, sondern in eigener Verantwortung neue Lösungsansätze zu suchen.

In Anbetracht des großen Jubiläums „1.100 Jahre Meißen“ wird es noch viele Gedanken geben, die sich nicht in den üblichen Ausschüssen oder Ratsversammlungen hinreichend erörtern lassen. Insofern wäre vielleicht ein monatlicher, offener, d. h. nicht auf eine besondere Personengruppe festgelegter Gesprächskreis ratsam. Der Projektkoordinator für „2029“ könnte diese Runde moderieren und dadurch Kontakte aufbauen bzw. vernetzen. Für die Naumanns unter den Meißnern könnte mithin ein Ventil geschaffen werden, zuweilen auch überschießende Ideen in Bahnen zu lenken, die gemeinsam vertretbar sind.

Leserbriefe sind die persönliche Meinung der Schreiber und entsprechen nicht unbedingt der Auffassung der Redaktion. Bitte geben Sie bei Briefen, E-Mails und Faxen neben dem vollständigen Namen auch Anschrift und Telefonnummer an (werden nicht veröffentlicht). Wir behalten uns vor, Zuschriften sinnwahrend zu kürzen.