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Carsharing im Landkreis Meißen: Kann das auch auf dem Land funktionieren?

Die Menschen im Landkreis teilen ihr Auto selten. Während das Angebot in Radebeul und Meißen wächst, ist Carsharing auf dem Land kein Thema. Warum eigentlich nicht?

Von Lucy Krille
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In Meißen stehen mittlerweile schon zwei Autos am Busbahnhof, die geteilt werden können. Doch was, wenn der nächste Bahnhof weit weg ist, und der Nutzerkreis kleiner?
In Meißen stehen mittlerweile schon zwei Autos am Busbahnhof, die geteilt werden können. Doch was, wenn der nächste Bahnhof weit weg ist, und der Nutzerkreis kleiner? © Claudia Hübschmann

Der Mobilitätskompass von Saechsische.de zeichnet ein klares Bild zu Carsharing im Landkreis Meißen: Nur 15 Prozent der Befragten nutzen ein entsprechendes Angebot. Kein Wunder, denn im Kreis gibt es kaum Leihflotten - außer in Radebeul und Meißen. Dort stehen Fahrzeuge von Teilauto bereit. Der Marktführer aus Leipzig stellt in Mitteldeutschland weit über 1.000 Autos zur Verfügung.

Einmal angemeldet, reservieren die Nutzenden ein Auto und bringen es nach der Fahrt zurück zum Stellplatz. Die Kunden und Kundinnen tanken mit einer Karte von Teilauto, abgerechnet wird nach gefahrenen Kilometern und der Nutzungszeit. Der Preis ist abhängig von der Fahrzeugklasse und dem gebuchten Tarif.

Das funktioniert in Meißen offenbar sehr gut. So gut, dass seit Ende Juni ein drittes Auto zum Ausleihen in der Stadt steht. Vor zwei Jahren startete das Unternehmen mit einem Kompakt- und Kleinwagen von Ford am Kleinmarkt und am Meißner Busbahnhof. Besonders der Bahnhof hat sich als Standort bewährt, dort steht mittlerweile auch ein Opel-Kleinwagen bereit. Auch in Radebeul hat sich die Flotte vergrößert. Im öffentlichen Raum gibt es laut Stadtverwaltung drei Stellplätze mit Teilautos, wie etwa an der Güterhofstraße. Ein weiterer ist auf der Karl-Marx-Straße geplant. Dazu kommen weitere Teilauto-Stationen, etwa bei den Landesbühnen.

Anfragen aus Riesa, Coswig und Weinböhla

"In manchen Monaten ist die Nutzung von Carsharing in Meißen und Radebeul sogar besser, als in so mancher Großstadt", sagt Antje Böttcher, die sich im Rahmen des Projekts "Mobil in Stadt und Land" mit der Verkehrswende abseits der Großstädte beschäftigt.

Sie berichtet von Anfragen aus Riesa, Coswig und Weinböhla. "Diese Interessensbekundung ist ein erster wichtiger Schritt", sagt Böttcher. Sie sieht grundsätzlich Potenzial für die Kommunen. Etwa 25 Personen müssten Interesse an einem Auto haben, damit es sich lohnt. "Oder es gibt Ankerkunden, zum Beispiel die Stadtverwaltung". Das ist etwa in Dresden der Fall.

Teilauto als Ersatz für den Zweitwagen

In Meißen nutzen auch Menschen aus Niederau, Weinböhla und Coswig das Angebot, weiß Böttcher. "Zwischen Dresden und Radebeul gibt es ähnliche Verflechtungen." Im Mobilitätskompass gaben zwei von 1.029 Befragten im Landkreis an, wöchentlich auf Carsharing zurückzugreifen - beide aus Radebeul. 35 Personen nutzen so ein Angebot monatlich oder seltener. Neben den Teilauto-Standorten tauchen auch Coswig, Klipphausen, Moritzburg sowie Gemeinden im Norden und Westen des Landkreises auf. Mehr als zwei Drittel von ihnen hat ein oder kein Auto im Haushalt.

"In kleineren Orten ist ein Teilauto der Ersatz für einen Zweitwagen", sagt Böttcher. Viele Familien würden sich ein zweites Auto für kürzere Wege halten, dass oft aber nur da steht. "Sie könnten viel Geld sparen, wenn es vor Ort ein Carsharing-Angebot gibt", meint Böttcher. Nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs sei auch die Nachfrage bei Teilauto gestiegen, weil viele Wege suchten, um Geld zu sparen. Doch selbst in Radebeul nutzen 80 Prozent der Befragten nie ein Teilauto, in Meißen sind es sogar 82 Prozent. Der Großteil gibt an, dass eigene Auto zu nutzen, weil die Alternativen zu viel Zeit kosten würden. Tatsächlich funktioniert Carsharing nur, wenn die Autos gut zu erreichen sind. Deshalb versucht Teilauto, die Fahrzeuge an zentralen Orten zu platzieren, wie etwa an Bahnhöfen.

Doch was, wenn es in dem Ort gar keinen Bahnhof gibt? Auf dem Land funktioniert Carsharing tatsächlich nur in Einzelfällen, zeigen Zahlen des Bundesverbands Carsharing. In 7 Prozent der deutschen Gemeinden mit unter 20.000 Einwohnenden gibt es ein solches Angebot. Und: "Viele dieser Kommunen liegen dann doch im Dunstkreis einer Großstadt und sind damit nicht wirklich als ländliche Kommunen zu sehen", sagt Böttcher. Im Raum Dresden läuft das Teilen hauptsächlich über Teilauto. Aber auch das Modell des Marktführers funktioniert in den kleineren Städten nur mit Unterstützung durch Ehrenamtliche und die Kommune, macht Böttcher klar.

Carsharing auf dem Land nur mit großem Willen möglich

Das fordert viel Engagement. Eine starke innerörtliche Struktur und Vereine seien wichtig, sagt Böttcher. "Das ist unheimlich schwierig." Dass es machbar ist, zeigt etwa der Vaterstettener Autoteiler, der als Verein ein Carsharing im bayrischen Landkreis Ebersberg aufgebaut hat und erfolgreich betreibt. In Niedersachsen gibt es eine ähnliche Initiative namens "Carsharing im Wendland".

"Allerdings glaube ich, dass man insbesondere das Wendland-Modell kaum auf andere ländliche Regionen übertragen kann", gibt sich Böttcher zurückhaltend. Dem Projekt ging eine breit angelegte Studie voraus, zudem wird es finanziell gefördert, erklärt Böttcher. Der größte Knackpunkt sei aber eine gewisse Grundeinstellung. Nur an Orten, wo bereits viel geteilt werde, etwa in Form von Wohn- oder Ökoprojekten, funktioniere das Modell.

Bei Dörfern in Sachsen hat Böttcher da ihre Zweifel, dass die Bereitschaft groß genug ist. Tatsächlich gaben mehr als 70 Prozent der Befragten im Landkreis an, dass es ihnen besonders wichtig sei, flexibel und unabhängig zu sein. Wenn das Auto dann nicht mehr direkt vor der Haustür steht, sei das schwer zu vermitteln, denn es ist oft das einzige Verkehrsmittel, auf das man zurückgreifen kann.