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„Meissener Manufaktur in Gefahr“

Der frühere Generaldirektor Reinhard Fichte sammelt Ex-Mitarbeiter zum Protest gegen die aktuelle Geschäftspolitik.

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Von Peter Anderson

Preisabsprache, Entlassungswelle, Polterabend – die Porzellan-Manufaktur Meissen macht seit Monaten immer wieder negative Schlagzeilen. Frühere Mitarbeiter haben jetzt eine Bürgerinitiative „Manu in Gefahr“ gegründet.

Prominentestes Mitglied dürfte der ehemalige Generaldirektor Reinhard Fichte sein. Von 1983 bis 1989 leitete er das Unternehmen. 1989 kam er von der Frühjahrsmesse in Frankfurt am Main nicht nach Meißen zurück. Der Einstieg in die westdeutsche Porzellan-Branche gelang nahtlos. Von 1989 bis 1990 war Fichte Geschäftsführer der CS-Porzellan-Manufaktur in Arzberg, anschließend bis zur Pensionierung 2002 Chef der Höchster Porzellan-Manufaktur. Mittlerweile lebt Fichte wieder in Meißen. Aus Urlaubsgründen war er gestern für die SZ nicht erreichbar.

Kunstfertigkeit geht verloren

An seiner Stelle bestätigte Hans Sonntag, langjähriger Leiter des Porzellanmuseums, die Gründung der Bürgerinitiative. Ideengeber sei Reinhard Fichte. Zu den ersten Mitgliedern gehören der ehemalige Obermeister Bossiererei Peter Häßlich und Manufaktur-Urgestein Frank Schmidt. Beide zusammen bringen es auf knapp 100 Dienstjahre in dem Unternehmen. Ende 2010 waren sie und ihre Kollegin Renate Fratzscher mit einem offenen Brief zum „Polterabend“ an die Öffentlichkeit getreten.

Sonntag zufolge sollen in einem ersten Schritt jetzt ehemalige und derzeitige Mitarbeiter gesammelt werden. Ein Programmentwurf für die BI Manu liegt der SZ vor. Das dreiseitige Schreiben übt harsche Kritik an der aktuellen Geschäftspolitik des Unternehmens. Zusammenfassend wird von den Unterzeichnern gefordert, „die Marke Blaue Schwerter darf nicht weiter beschädigt werden!“

Zu den wichtigsten Kritikpunkten im Programmentwurf der BI Manu zählt die Entlassung von 180 Mitarbeitern 2010. Dieser Aderlass greife die Substanz des Unternehmens an.

Meissens Erfolg beruhe auf den künstlerischen und kunsthandwerklichen Fähigkeiten der Angestellten. Meisterschaft werde nur durch intensive Ausbildung und langjährige Berufspraxis erreicht. Jeder entlassene Porzelliner bedeute einen großen Verlust für das Unternehmen. Sollte die Nachfrage nach echtem Meissener steigen, lasse sich nicht von heute auf morgen Ersatz für die hochqualifizierten Spezialisten finden.

Eine Absage erhält das Programm zum Ausbau der Meissener Produktpalette mit Seidentüchern und in Mailand hergestelltem Schmuck. Die Verfasser fragen, ob es Aufgabe eines sächsischen Staatsunternehmens sein könne, „solche porzellanfremden Produkte im Ausland fertigen zu lassen und unter den eigenen Traditionsmarken zu handeln.“

Die mit den neuen Produkten verbundene Aufspaltung in Profit-Center untergrabe die Identifikation der Mitarbeiter mit ihrem Unternehmen.

Die Bürgerinitiative belässt es nicht bei einer langen Liste von Kritikpunkten. Statt dessen schlagen die Autoren verschiedene Auswege aus der von ihnen diagnostizierten Meissener Krise vor. So werde gegenwärtig das Einsparpotenzial bei den technischen Verfahren im Unternehmen stark unterschätzt. Dort sieht die BI Manu gute Chancen, die Kosten zu senken. Parallel dazu sollte Meissen mehr Kapital aus seinem ideellen Erbe schlagen und für die Manufaktur den Titel als Weltkulturerbe beantragen.

Umsatz steigt wieder

Fraglich bleibt, welche Wirksamkeit die BI Manu entfalten kann. Kritik zu Meissens Geschäftspolitik durch Landtagsabgeordnete blieb bislang erfolglos. Manufaktur-Aufsichtsratschef Kurt Biedenkopf hielt schützend seine Hand über Unternehmens-Chef Kurtzke.

Dieser konnte gestern zudem auf deutliche Erfolge seines neuen Kurses verweisen. Meissen befindet sich nach den Einbußen der vergangenen Jahre beim Umsatz wieder auf Wachstumskurs.

Nach vorläufigen Zahlen stieg der Umsatz 2010 bei Porzellan im Vergleich zum Vorjahr um rund 11,5 Prozent auf 35,2 Millionen Euro.