Von Peter Anderson
Meißen. Es muss doch nicht immer gleich der ganze Vogel sein. Ein schöner Flügel tut’s doch auch. Manufaktur-Geschäftsführer Tillmann Blaschke gefällt die Konzentration auf ein Detail. Immer wieder nimmt er auf die aus dieser Idee heraus entstandenen Arbeiten von Meissen-Chefgestalter Jörg Danielczyk Bezug. Dessen manchmal stark abstrakte, dann wieder ganz figürliche Flügel drücken wohl am ehesten das aus, was Blaschke unter moderner Meissener Porzellankunst verstanden wissen will.
Der Chef des Luxus-Unternehmens hat an diesem Vormittag zur Vernissage ins Kurländer Palais nach Dresden eingeladen. Erstmals präsentiert er die Neuheiten seines Hauses für das kommende Jahr. Vergangenen September stand noch Dampfplauderer Christian Kurtzke an seiner Stelle, in der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen. Dort forderte er eine „radikale Verjüngung“ der Marke. Vor allem mit dem Service Cosmopolitan in allen Farben des Regenbogens sollten neue Kunden gelockt werden. Außerdem kündigte Kurtzke gesenkte Preise an.
Vieles ausprobieren
Sein Nachfolger Tillmann Blaschke gibt jetzt eine deutlich abgeänderte Parole aus. Er setzt den Schwerpunkt auf Porzellankunst. Diese müsse den Kern der Marke bilden, da sie die Einzigartigkeit des Meisseners verkörpere: Kunsthandwerkliches Malen und Formen auf allerhöchstem Niveau. Dabei will Blaschke nicht beim beständigen Reproduzieren historischer Vorbilder stehen bleiben. Zeitgemäße Muster und Stile sollten sich auf dem Porzellan wiederfinden. Warum nicht Ornamente im Stile von Tätowierungen oder gar die sogenannten Tags der Graffiti-Sprüher? „Wir müssen jetzt einfach viel ausprobieren“, sagt Blaschke. Alles sei erlaubt. Das Ziel eint ihn mit seinem Vorgänger: Junge Käufer sollen mit stylischen Produkten an die Marke herangeführt werden.
Raum für Innovationen sieht der Meissen-Chef nicht zuletzt beim Geschirr. Cosmopolitan sehe er als einen wichtigen Schritt nach vorn. Das stark männlich geprägte Service müsse jedoch ergänzt werden durch weibliche Formen. Zwischen dem modernen Cosmopolitan und den historischen Meissener Services gelte es einen großen Raum zu füllen. Blaschke sagt dies, jedes Wort abwiegend, mit Pausen und zögerlich. Im Gegensatz zu Christian Kurtzke scheut er vollmundige Vorhersagen und kündigt keine Revolution an. Hinter vorgehaltener Hand loben Mitarbeiter diese neue Bescheidenheit. Mehr Sein als Schein habe wieder in der Manufaktur Einzug gehalten. Es werde weniger geredet, dafür aber umgesetzt, was einmal gesagt sei.
Limitierte Kunstwerke
Schmuck-Manager Christian Sieg kündigt an, bei Ringen, Ketten und Uhren den Porzellananteil stärker als bislang herauszustellen. Entsprechende Produkte würden derzeit entwickelt. Sobald sie reif zur Produktion sind, will Sieg sie vorstellen.
Von den seit gestern im Kurländer Palais präsentierten 43 limitierten Kunstwerken der 2016er Edition erhofft sich Tillmann Blaschke einen guten Umsatz, nicht zuletzt im nahenden Weihnachtsgeschäft. Die Auflagen schwanken zwischen zehn und 100 Exemplaren. Von einer nach Vorbildern des Modelleurs Johann Joachim Kaendler hergestellten Vase seien bereits acht verkauft worden. Das gute Stück kostet immerhin 60 000 Euro. Angesichts solcher Aufträge habe die seit Juli geltende Kurzarbeit bislang nicht im vollen Umfang in Anspruch genommen werden müssen, sagt Blaschke. Anfang Oktober werde der neu besetzte Aufsichtsrat zudem einen Nachfolger für den ausgeschiedenen Vorsitzenden Kurt Biedenkopf bestimmen. Wann ein zweiter Geschäftsführer kommt, sei allerdings noch unklar.
Für die Öffentlichkeit ist die Schau im Kurländer Palais am 26. September von 9 Uhr bis 17 Uhr bei freiem Eintritt zugängig.