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Messerstecher muss in die Psychiatrie

Ein psychisch kranker Mann hat auf dem Lidl-Parkplatz in Königsbrück einen Kunden angegriffen. Er fühlte sich von einer höheren Macht gesteuert.

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© Jonny Linke

Von Nicole Preuß

Königsbrück/Bautzen. Die GEZ spielt für Steffen O. eine große Rolle. Er glaubt, dass er von der Gebühreneinzugszentrale gesteuert wird. Sie haben ihm eine Art Maschine verpasst, die nach und nach seinen ganzen Körper erfasst und ihn Dinge tun lässt, die er eigentlich gar nicht will. Deshalb hat er seinem Neffen schon mal eine Schere an den Hals gehalten, obwohl er, wie er selbst sagt, „nie mit dem Probleme hatte.“ 24-mal ist Steffen O. bereits vorbestraft. Und jetzt muss er dauerhaft in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden, wenn er gegen das Urteil nicht Revision einlegt.

Der Königsbrücker hat einen Kunden auf dem Lidl-Parkplatz ohne Vorwarnung und auch ohne ersichtlichen Grund Ende Februar einfach in den Rücken gestochen. In der Verhandlung im Landgericht in Bautzen am Dienstag erlebt man einen unauffälligen Mann. Steffen O. ist kräftig, aber nicht besonders groß. Die weite Hose ist blau, die Strickjacke schwarz. Der 48-Jährige trägt Fußfesseln und auch Handschellen in den Pausen. Steffen O. ist seit seiner Verhaftung in einem spezialisierten Krankenhaus in Leipzig untergebracht.

Zufälliges Opfer

Die Wahnvorstellungen hat er noch immer. Wenn er von GEZ, Doppelgängern und Ringen überm Kopf spricht, blüht er richtig auf. Der Kunde auf dem Parkplatz wurde nur zufällig sein Opfer. Der Informatiker wollte nach der Arbeit nur noch schnell etwas einkaufen, sagt er vor Gericht aus. Er stand bereits am Auto, lud seine Einkäufe in den Kofferraum und sah im Augenwinkel noch, wie jemand an seinem Einkaufswagen vorbei ging. „Kurz darauf sprang mich plötzlich von hinten etwas an und ich spürte im Bereich der Niere einen Schlag.“ Der Mann drehte sich um und sah Steffen O. Der hatte ihm ein acht Zentimeter langes Messer in die Seite gerammt, war anscheinend einen Augenblick lang schockiert und rannte schließlich los. Der Kunde lief hinterher. Der Informatiker merkte gar nicht, dass er blutete. „Das war vermutlich der Schock“, sagt er. Er wollte den Angreifer nur einholen und schaffte das schließlich, er warf ihn zu Boden. Und Steffen O. wusste überhaupt nicht, wie ihm geschah. „Ich war geschockt“, sagt er. „Ich schiebe dem das Messer rein und dann holt er mich auch noch ein.“

„Ein komisches Flüstern“

Steffen O. erklärt vor Gericht, dass er vor dem Überfall seine übliche Abendrunde durch Königsbrück ging. Das Messer steckt ständig in seiner Bauchtasche, seit er angeblich einmal auf dem Netto-Parkplatz der Stadt verprügelt wurde. „Damals hab ich mir das Messer besorgt, damit ich überhaupt noch normal einkaufen gehen kann“, sagt er. Er schaute sich die Angebote im Kasten an und hörte plötzlich ein komisches Flüstern. Der Gutachter nimmt an, dass das eine Halluzination war. „Dann ging alles ruckizucki. Ich dachte, bevor ich auf die Fresse kriege, drücke ich ihm das Messer rein.“ Dabei hatte der Informatiker gar nichts gemacht. Steffen O. handelte aus einer fixen Idee heraus, so wie er vor zwei Jahren auch schon mal Kunden am Netto bedroht hatte. Der psychiatrische Gutachter bescheinigt dem Angeklagten eine paranoide Schizophrenie. Dreimal war er in den vergangenen zehn Jahren deswegen im Arnsdorfer Krankenhaus. Besserung zeigte sich nicht. Im Gegenteil: Steffen O. wollte nicht wahrhaben, dass er krank ist. Er lebte in einer Obdachlosenwohnung in Königsbrück und vereinsamte zusehends. Der rechtsmedizinische Gutachter ist sich sicher: „Dass das Opfer heute vollkommen ohne Einschränkung lebt, ist wirklich Glück gewesen. Stichverletzungen sind prinzipiell lebensgefährlich, da nicht steuerbar ist, welche Strukturen verletzt werden.“ Und Steffen O.? Er verzichtet nur ungern auf das Messer, das sichergestellt wurde. „Ich brauch auf alle Fälle eins“, sagt er.