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Mieze aus der Flasche

Für ihren Erdbeerbrand hat die Meissener Spezialitätenbrennerei eine alte und besondere Sorte in Pillnitz ausgegraben.

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© Claudia Hübschmann

Von Peter Anderson

Meißen. Mieze wird nicht gern fest gedrückt. Da reagiert sie ganz empfindlich. Aber sonst ist sie eine richtig Süße und wird in der Sonne schnell rot. Ihre Vorfahren stammen aus besten Familien in England und Frankreich. Seit Jahren hat Destillateurmeister Siegbert Hennig aus Reichenbach bei Meißen ein Auge auf sie geworfen. Doch der Experte für ausgefallene Obstsorten hatte immer Pech: Die für ihr konzentriertes Aroma berühmte Erdbeersorte macht sich extrem rar in Deutschland.

Hat mit Mieze Schindler eine der wohlschmeckendsten und aromareichsten Erdbeersorten in Deutschland in flüssige und streichbare Form gebracht: Spezialitätenbrenner Siegbert Hennig aus Reichenbach bei Meißen.
Hat mit Mieze Schindler eine der wohlschmeckendsten und aromareichsten Erdbeersorten in Deutschland in flüssige und streichbare Form gebracht: Spezialitätenbrenner Siegbert Hennig aus Reichenbach bei Meißen. © Claudia Hübschmann

Diesen Sommer wendete sich das Blatt für Siegbert Hennig. Es ergab sich, dass er 1,6 Tonnen der wohlschmeckenden roten Früchte erwerben konnte. Woher genau er den wertvollen Rohstoff bezog, hält Hennig allerdings geheim. Die Konkurrenz soll keine direkte Adresse bekommen. Kollegen aus ganz Deutschland interessieren sich für Mieze Schindler, da sie im Geschmack die neueren Sorten bei Weitem übertrifft.

Die Probe aufs Exempel zeigt, dass dies nicht übertrieben ist. Mit einem genießerischen Lächeln schenkt Siegbert Hennig einen Schluck ins Probierglas ein. Ein kurzes Schwenken, schon löst sich ein süßer und doch nicht zu schwerer Erdbeerduft aus dem Kelch. Keine Verwechslung mit Himbeere ist möglich. Auf das Schnuppern folgt das Kosten. Ganz neue Nuancen erschließen sich auf der Zunge. Jetzt offenbart sich in einer gewissen Urwüchsigkeit die Nähe von Mieze Schindler zur Walderdbeere. Wiewohl der Brand mit 42 Volumenprozent Alkohol daherkommt, gleitet er sanft die Kehle hinab.

Als Dreingabe zum Produkt gibt es kostenlos die unterhaltsame Geschichte der Erdbeersorte dazu, fein gedruckt auf Büttenpapier. Züchter der kleinen Aromabombe ist demnach Prof. Dr. Otto Schindler, der erste Direktor der nach dem Ersten Weltkrieg in Pillnitz gegründeten Lehranstalt für Gartenbau. Der Erdbeere galt neben Apfel, Birne und Kernobst sein größtes Interesse. Insgesamt acht Erdbeersorten gingen aus seiner Arbeit hervor. Bis heute hat sich vor allem Mieze Schindler am Markt behauptet. Ihr putziger Name bewahrt das Andenken an Frau Schindler. Mieze war ihr Kosename. Mehreren Anekdoten zufolge soll die mit Geburtsnamen Marie gerufene Dame allerdings auch gern einmal gefaucht und ihre Krallen gezeigt haben. Ob die Taufe der Erdbeersorte nach ihr die Schindler-Gattin vielleicht versöhnlich stimmen sollte? Bis heute finden sich Erdbeerpflanzen jedenfalls auch als exotischer Schmuck auf dem Grab der Eheleute Schindler in Dresden-Hosterwitz.

Abseits der Anekdoten bleibt der Fakt, dass die in Pillnitz gezüchtete Pflanze bis heute von zahlreichen Liebhabern gekauft und angebaut wird. In Fachzeitschriften ist von mehreren Hunderttausend Pflanzen pro Jahr die Rede. Gegen den gewerblichen Anbau auf großen Plantagen sprechen ihre geringe Größe, die Weichheit der Früchte und eine Anfälligkeit für die Weißfleckenkrankheit. Trotz dieser Nachteile soll Marmeladen-Riese Schwartau Interesse zeigen, Mieze-Schindler in seine Premium-Produktlinie aufzunehmen.

Destillateurmeister Hennig allerdings ist Schwartau in kleinerem Maßstab zuvorgekommen. Seinen Erdbeerbrand gibt es in einer Kiste als Kombination mit einem Glas Fruchtaufstrich, hergestellt von der Helene-Maier-Stiftung in Kreischa.

Der Erdbeerbrand mit Aufstrich ist erhältlich in 0,2 l und 0,35 l Flaschen für 34 bzw. 59 Euro in der Vinothek Weingut Proschwitz in Zadel oder unter 03521 76760. Es gelangen nur mehrere Hundert Flaschen in den Verkauf.