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Milchtanke hat jetzt auch Eier

Täglich werden in Girbigsdorf 50 Liter Milch vom Hof verkauft. Der Automat bei Familie Neumann wird angenommen.

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© Pawel Sosnowski

Von Constanze Junghanß

Girbirgsdorf. Am Melkroboter stehen die Kühe Schlange. „Freiwillig“, wie Kerstin Neumann sagt. Die Technik ist brandneu auf dem Bauernhof in Girbigsdorf. Der Roboter übernimmt sämtliche Arbeitsschritte, die zuvor Menschenhände erledigten. Rotierende Bürsten reinigen das Euter. Die Zitzen findet die Maschine von ganz allein. Es macht kurz „flupp“. Und wenige Sekunden später sprudelt durch die Schläuche frische Milch in den Tank. Dass die Kühe so brav den Gang in das technische „Wunderwerk“ antreten, hat mit einiger Übung und einer Portion Extra-Leckereien zu tun. In der Anlage haben die Tiere immer was zu futtern. Mittlerweile sehen die schwarz-weiß Gefleckten den Gang zum Roboter schon als Zeremonie an, bestätigt die Landwirtin.

Ob Neumanns überhaupt in eine solche Technik investieren würden, stand vor rund zwei Jahren noch auf der Kippe. Das Landwirtschaftsunternehmen machte sich damals große Sorgen um seine Zukunft. „Milchkrise“ war das Stichwort. Die traf auch den mit einer Größe von 60 Milchkühen eher kleinen Betrieb. „Aufhören oder weitermachen, war da die Frage“, erinnert sich die 50-Jährige. Nach einer Alternative und einer zusätzlichen Einnahmequelle wurde gesucht. Im November 2016 schafften sich Neumanns den so genannten Milchautomaten an und gehören damit zu den Vorreitern im Landkreis Görlitz. Der Automat funktioniert nach dem Tankstellenprinzip. Geld wird eingeworfen, Milch kommt in die untergestellten Behälter heraus. Wahlweise ein halber oder ein ganzer Liter. Verkauft wird direkt ab Hof und frisch aus der Kuh sozusagen. Rohmilch ist das, die vor dem Verbrauch abgekocht werden muss.

Die Milchkrise haben Neumanns überstanden, der Betrieb ist gerettet. „Allein von einem solchen Automaten leben kann allerdings kein Landwirtschaftsbetrieb“, sagt die Landwirtin. Dazu sind die verkauften Mengen viel zu gering. Im Durchschnitt um die 50 Liter pro Tag an frisch gezapfter Milch wandern von den Kühen in die Flaschen und Küchen der Verbraucher. Die kommen vor allem aus dem Umland, aus Görlitz und aus Niesky und Umgebung. Neumanns haben anfangs auch mal darüber nachgedacht, weitere „Milchtankstellen“ aufzustellen. Die Idee wurde jedoch schnell wieder verworfen. „Der Aufwand mit der täglichen Reinigung und Betreuung ist für unsere Betriebsgröße nicht umsetzbar“, sagt die Girbigsdorferin. Der Automat auf dem Hof habe sich aber etabliert und mittlerweile gebe es einen festen Stammkundenkreis. Der profitiert neuerdings auch von den frischen Eiern der 150 Hühner. Dank Tageslichtstall legt das Federvieh auch jetzt im Winter fleißig. Befüllt ist der Automat zudem mit Wurst. Das Frühstücksfleisch und die anderen Sorten stammen von den beiden hauseigenen Schweinen. Regionale Herstellung und Vermarktung werden also groß geschrieben bei Neumanns. Und das kommt an. „Unsere Hofkundschaft weiß, woher die Produkte stammen und wie die Tiere gehalten werden“, sagt Kerstin Neumann.

Das Bewusstsein für regionale Produkte wächst. Das zeigen auch die Zahlen beim Sächsischen Bauernverband zu den Milchtankstellen. 35 Mitgliedsbetriebe sind für Sachsen aufgelistet, die Rohmilch an den Verbraucher abgeben. Damit sind die „Milchtankstellen“ im Freistaat offensichtlich auf dem Vormarsch. Vor eineinhalb Jahren nannte der Bauernverband noch rund 20 Mitgliedsbetriebe, die ihre Milch frisch ab Hof verkaufen. Es dürften aktuell sogar noch mehr Höfe sein, da nur die Betriebe in der Internet-Karte eingetragen sind, die an den Verband auch gemeldet werden. So ist im Landkreis Görlitz bisher ein Unternehmen aufgelistet: Ein Bauernhof in Großschönau.

Dass es sich um Rohmilch handelt, darüber müssen die Bauern informieren. Entsprechende Hinweise sind auch bei Neumanns am Automaten zu lesen. Denn die Milch muss vor der Verarbeitung abgekocht werden. Ständige Kontrollen finden in Girbigsdorf so oder so statt. Inhaltsstoffe und Qualität kommen regelmäßig auf den Prüfstand. „Wir sind Mitglied im Landeskontrollverband Sachsen“, sagt Kerstin Neumann. Die Milchproben – von jeder Kuh zweimal 30 Milliliter – werden ins Labor des Kontrollverbands gegeben. Der untersucht die Anlieferungsmilch aller Erzeuger, die an die Molkereien ausliefern. Bei Neumanns ist das der Konzern Müllermilch. Täglich werden rund 1 500 Liter Milch vom Konzern abgeholt.