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Milliardenstrafe für Banken-Zocker

Die Großen der Branche haben Referenzkurse abgesprochen – den Schaden hat der Kunde.

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Von Lars Radau

Es ist die höchste bislang verhängte Kartellstrafe im Finanzbereich: EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia hat gestern die Deutsche Bank und etliche weitere europäische und amerikanische Großbanken dazu verdonnert, insgesamt 1,7 Milliarden Euro zu zahlen, weil sie Referenzzinssätze manipuliert haben. Von der Rekord-Geldbuße muss die Deutsche Bank rund 725 Millionen Euro tragen – die höchste Summe von allen. Mit dabei sind auch die französische Société Générale (446 Millionen), die Royal Bank of Scotland (391 Millionen) und die amerikanischen Banken Citigroup und JP Morgan Chase sowie RP Martin. Im Kartell waren auch die britische Barclays-Bank und die Schweizer UBS – sie bekommen ihre Geldbußen erlassen, weil sie maßgeblich zur Aufklärung der Manipulationen beigetragen haben.

Mitarbeiter der Banken haben sich bei der Festlegung von Referenzzinssätzen wie dem Euribor, dem Libor und dem japanischen Tibor abgesprochen und sie dadurch manipuliert. Die SZ erläutert die Konsequenzen – für die Banken und die Kunden.

Was sind überhaupt Libor, Euribor und Tibor?

Referenzkurse der Bankenbranche, die täglich angeben, zu welchen Konditionen Banken sich gegenseitig Geld leihen können. Aus diesen Daten wird in London der Libor (London Interbank Offered Rate) gebildet. Berechnet wird er für verschiedene Währungen. Während der Libor für Dollar-Geschäfte besonders wichtig ist, ist es der in Brüssel festgesetzte Euribor (Euro Interbank Offered Rate) für den Euro und der japanische Tibor für den Yen. Auf diesen Sätzen basieren Finanzprodukte im Wert von tausend Billionen Euro – das ist eine Eins mit fünfzehn Nullen.

Warum sind die Zinssätze so anfällig für Manipulationen?

Weil die Banken diese Sätze lange Jahre fast ohne Kontrolle selbst festlegen konnten. Sie basieren nicht auf realen Daten – also den Kosten von tatsächlichen Krediten –, sondern auf Umfragen. Die Banken schätzen, zu welchem Zins sie sich von anderen Instituten Geld leihen können. Ob die gemeldeten Daten stimmen, ist nur schwer nachzuprüfen. Erst in der Finanzkrise fielen die Manipulationen auf.

Welches Interesse steckte hinter den Manipulationen?

Die Banken konnten Handelsgewinne einstreichen oder auch – auf dem Höhepunkt der Finanzkrise – ihr Institut besser dastehen lassen.

Wie viel Geld wurde mit den Tricksereien gemacht?

Das weiß niemand. Wegen des riesigen Volumens haben Manipulationen aber selbst im Mini-Promille-Bereich lukrative Auswirkungen.

Wem schaden die manipulierten Referenzzinssätze?

Fast allen: Anderen Banken, Unternehmen und auch Verbrauchern. Denn an Libor und Euribor orientieren sich weltweit die Zinsen von Finanzprodukten, Derivaten und Krediten. Sie sind gewissermaßen die Thermometer der Finanzmärkte. Direkt beeinflusst werden Kredite mit variablen Zinssätzen. Diese sind vor allem in Großbritannien oder Spanien verbreitet. In Deutschland haben Häuslebauer eher Kredite mit festen Zinsen. „Es trifft Millionen von Verbrauchern, weil Hypotheken-Zinsen daran gekoppelt sind“, betont Joaquín Almunia. Bankkunden könnte auch Schaden bei Sparguthaben entstanden sein. Dies zu messen, ist aber kaum möglich.

Was bedeutet die Rekord-Strafe für die Banken?

Finanziell dürften die Institute die Geldbußen leicht stemmen können. Die Deutsche Bank etwa hat für die Strafe von 725,4 Millionen Euro bereits Rückstellungen gebildet. Ungleich schwerer wiegt der Imageschaden. „Das Vertrauen in die Banken wurde von diesen selbst zerstört“, sagt der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber.

Welche Konsequenzen zieht die EU aus der Affäre?

Nach einem Vorschlag der EU-Kommission dürfen Libor und Euribor künftig nur noch unter behördlicher Aufsicht bestimmt werden. Zinsfälschern drohen hohe Geldbußen und Haftstrafen. Da EU-Parlament und EU-Staaten zustimmen müssen, könnten die Regeln aber erst 2015 Gesetz werden. Brüssel ermittelt auch weiter gegen Großbanken – wegen Manipulation bei Devisen.

Wie wollen die Aufseher den Zockern das Handwerk legen?

In Großbritannien gibt es schon eine radikale Änderung: Im Juli haben die Regulierer den Banken den Libor aus der Hand genommen. Bisher war die britische Bankenaufsicht zuständig, ab 2014 stellt der Betreiber der New Yorker Börse den Zins fest. Dies soll neues Vertrauen schaffen. Die Europäische Zentralbank (EZB) pocht auf grundsätzliche Veränderungen im System.

Sind Zinsmanipulationen damit künftig ausgeschlossen?

Nein, sagen Kritiker. Die Briten hätten eine strengere Aufsicht über Zins-Zocker verhindert, weil sie um den Finanzplatz London fürchten. Denn die Aufsicht über den Libor bleibt in London – trotz der Skandale. Zudem müssten die Zinssätze nach wie vor nicht zwingend auf Basis realer Daten berechnet werden. (mit dpa)