Thomas Schade, Alexander Schneider, Tobias Wolf, Ulrich Wolf
Dresden. Zwinger, Semperoper, Hofkirche – die Kulisse ist barock und gewaltig. Der Gesang gestern war es weniger, trotz der etwa 17 500 Menschen, die der islamkritischen Pegida zum besinnlichen Liederabend auf den Dresdner Theaterplatz gefolgt waren.
Auf dem Programm standen „Alle Jahre wieder ...“, „Oh, du fröhliche ...“ und natürlich „Stille Nacht! Heilige Nacht!“. Ein besinnlich-musikalischer Jahresausklang sieht landläufig jedoch anders vor. Erneut versuchte das Bündnis „Dresden nazifrei“ mit rund 4 500 Anhängern vom benachbarten Schlossplatz aus, die Pegida zu stören. Das gelang jedoch kaum. Auf der Augustusbrücke kam es zu einer Keilerei, nach Polizeiangaben zwischen Pegida-Anhängern und Gegendemonstranten.
22.12.: Die Demos in Bildern
Renommierte Kulturinstitutionen wie die Semperoper und die Staatlichen Kunstsammlungen bezogen mit einer vom Bündnis „Dresden für alle“ unterstützten Aktion Position gegen Pegida. Losungen wie „Dresden ist für alle da“ und „Menschenrechte sind nicht teilbar“ wurden von der Schinkelwache aus mit Beamern an die Fassaden der Gebäude gestrahlt. Pegida-Anhänger versuchten unentwegt, den als Kunstinstallation deklarierten Protest zu unterbinden. Vergeblich wollte eine junge Frau die Polizei dazu bewegen, die Störungen zu unterbinden. Die Beamten blieben untätig. Die Installation sei nicht genehmigt, so ihre Begründung. Weiße Fahnen rechts und links vom Portal der Semperoper wurden nicht angegriffen. Auf ihnen standen Losungen wie „Augen auf“, „Herzen auf“, „Türen auf“ und „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.
Pegida spult Montagsprogramm ab
Während dessen arbeiteten sich Pegida-Frontleute wie bereits gewohnt an den Medien und an der Bundeskanzlerin ab. So gab Lutz Bachmann zum Besten, wie er einem Team von Spiegel-TV entwischen konnte, das offenbar Kontakt zu ihm gesucht hatte. Er zog es offenbar vor, den Reportern aus dem Weg zu gehen.
Auf dem Theaterplatz konnte er sich des Beifalls seiner Anhänger gewiss sein. Nicht wenige waren wohl gekommen, um zu sehen, ob Bachmann und Co. die Gesänge persönlich anstimmen würden. Sie taten es nicht und hatten stattdessen Vorsänger Martin mitgebracht. Zwischen den Reden, in denen es wie immer um Politikschelte und Angst vor Überfremdung ging, stimmte der Vorsänger die angekündigten Melodien aus dem „umfangreichen deutschen Weihnachtsliedgut“ an, wie er sagte. Sobald er nach der ersten Textzeile absetzte, war auf dem Theaterplatz jedoch kein Chor von fast 20 000 Menschen zu hören. Lauter war zeitweise das Knattern der Fahnen im Wind. Neben Schwarz-Rot-Gold waren auch Banner aus Berlin, Brandenburg und vom Weihnachtsmann zu sehen.
Vor der Kundgebung hatten die Kirchen Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung gesetzt. Rund 400 Menschen versammelten sich zu einem ökumenischen Friedensgebet in der Kreuzkirche. Der evangelische Landesbischof Jochen Bohl kritisierte, dass „Pegida“ ihre Kundgebung als Weihnachtsliedersingen ausgewiesen habe. „Ich sehe darin den Versuch, ein christliches Symbol und eine christliche Tradition zu instrumentalisieren für eine politische Aktion“, sagte Bohl.
Wie auf der Internetseite des Bündnisses mitgeteilt wird, ist Pegida seit 19. Dezember beim Amtsgericht Dresden als Verein registriert. Laut Satzung bekennt sich der Verein zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und werde auch keine Personen oder Organisationen beauftragen, die sich gegen diese Ordnung betätigen.
Nach SZ-Informationen sollen laut Protokoll der Gründungsversammlung zwölf Personen an der Abstimmung teilgenommen haben, in der Anwesenheitsliste finden sich jedoch nur zehn. Im Vorstand tauchen ausschließlich die bekannten Pegida-Organisatoren auf. Als Vorsitzender wurde Lutz Bachmann benannt, zweiter Vorsitzender ist René Jahn. Als Kassiererin fungiert Kathrin Oertel. Sie entscheiden auch über die Aufnahme neuer Mitglieder. Auch Absprachen im Falle einer Vereinsauflösung wurden getroffen. So soll das Vermögen an den Verein Dunkelziffer aus Hamburg gehen, der gegen sexuellen Missbrauch von Kindern kämpft. Den hatte ein Journalist des Magazins Stern gegründet.