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Mit Butler und Bootsmann

1890 startete der Engländer H. M. Doughty zu einem ungewöhnlichen Törn.

Von Udo Lemke
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Die Zeichnungen der Reise stammen von H. M. Doughtys Töchtern, die nicht namentlich genannt werden – ziemte es sich doch damals für junge Damen nicht, solch abenteuerliche Reisen zu unternehmen.
Die Zeichnungen der Reise stammen von H. M. Doughtys Töchtern, die nicht namentlich genannt werden – ziemte es sich doch damals für junge Damen nicht, solch abenteuerliche Reisen zu unternehmen. © Repro: SZ

Elbgeschichten – leben mit dem Fluss

Als seine Frau bei der Geburt des sechsten Kindes starb, war das für H. M. Doughty ein schwerer Schlag. Er zog sich auf das Landgut der Familie in Suffolk zurück und widmete sich seinem Hobby, dem Segeln. Und das führte ihn auf einen der außergewöhnlichsten Törns des 19. Jahrhunderts – 1891 fuhr er die Elbe hinauf bis nach Rathen in die Sächsische Schweiz.

Das Boot, die Gipsy (Zigeuner), war ein umgebauter Lastensegler. „Die Gipsy ist auch für heutige Verhältnisse ein geräumiges Boot. Mit mehr als 16 Metern Länge und einer Breite von mehr als vier Metern verfügt sie über eine Grundfläche von 66 Quadratmetern. „Kein Wunder, also, dass sie – komfortabel mit Küche, Salon und Damenkabine ausgerüstet – oft bestaunt wurde.“ Der englische Landedelmann hatte neben seinen vier Töchtern und den beiden Söhnen den Fischer Wilson, den friesischen Seemann Peter de Vries sowie seinen Butler Ifould an Bord, der die Aufgaben des Kochs und Stewards versah. H. M. Doughty selbst war der Skipper.

Als er aufbrach, machte er von Hamburg kommend, erst einmal einen Abstecher über die großen Mecklenburger Seen, bevor der die Elbe weiter stromaufwärts fuhr. Allerdings tauschte er die Abhängigkeit von den Windverhältnissen gegen die von Kettenschleppern, mit denen er sich elbaufwärts ziehen ließ, um den Zeitplan einzuhalten: „Jetzt, hilflos wie ein Holzklotz, waren wir abhängig von ordinären Schleppern.“

Nach „Riesa, offensichtlich eine Handelsstadt“, passierte die Gipsy das hoch auf dem Felsen thronende Schloss Hirschstein. „Die Elbe brachte uns jetzt nach Meilen von trostlosem Sumpfland in eine bergige Gegend mit malerischen Hügeln und Felsen.“ Und: Ein „seltsamer Anblick für uns Reisende aus dem Norden – Weinberge. Der Schlepper, über dessen Langsamkeit wir zunächst genörgelt hatten, schien uns jetzt fast zu schnell voranzukommen“.

Dann kam Meißen in Sicht: „Zu unserer Rechten stieg eine felsige Anhöhe aus dem Wasser auf, deren Fuß von kleinen Häusern umringt war. Einer Krone gleich saß auf ihrem Gipfel das perfekte Schloss aus dem Märchenland – eine romantische Ansammlung von grauen Mauern und hohen roten Dächern. Eine vielfältige Skyline von Türmen, hohen Spitzen und Zinnen.“

Schon H. M. Doughty erlebte das Janusköpfige Meißens. Einerseits beschreibt er „die alte Hauptstadt Misnia als einen bezaubernden Ort.“ Andererseits muss er den Dom in Begleitung eines Küsters besichtigen, „der dauernd über die Schulter blickte und Ausschau hielt nach einer zahlungskräftigen Reisegruppe am Eingang“. Aber: „Im Schloss, in der Albrechtsburg, hatten wir mehr Glück. Ein hübsches Mädchen, das gut Englisch sprach, war uns eine geduldige Führerin.“

Nachdem er noch die Königliche Manufaktur besichtigt hatte, ging die Reise weiter. „Wir waren jetzt ganz dicht bei Dresden, nur sechszehn Meilen zu Wasser. Am Dienstagmorgen vor fünf Uhr hängten wir uns an einen vorbeifahrenden Schleppzug an.“ Als er Dresden erreicht hatte, kam es „uns allen ein bisschen vor wie London von der Themse aus, sogar der Dunst wies eine entfernte Ähnlichkeit mit dem Londoner Nebel auf. Der Strom hatte starke Wirbel unter der Brücke und klatschte seinen schlammigen Bart gegen die Piers.“

Die Zitate sind dem Buch „Mit Butler und Bootsmann – Ein Bootstörn anno 1890/91 von Friesland über die mecklenburgischen Seen bis nach Böhmen“ entnommen. Quick Maritim Medien, 256 Seiten, 11,80 Euro.