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Mit Kanonen auf den Kormoran

Hagen Rothmann sagt, dass die Abschuss-Erlaubnis weder den Teichwirten, noch dem Naturschutz dient. Was nun?

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© dpa

Kamenz. Es wird geballert. Scharf und mit Gasdruck. Die sogenannte Vergrämung des hartnäckigsten Fischräubers bewegt nicht nur den Kormoran, sondern auch die Leute. Immer wieder klagen Leser, die in der Nähe von Fischteichen wohnen, über nervtötenden Lärm im Sekundentakt. Und auch die Naturschützer geben ihnen recht: Die Knallerei soll auch anderes geschütztes Getier vergrämen, heißt es, Die SZ sprach mit Artenexperten Hagen Rothmann, Naturschutzbezirksleiter im Landkreis.

Hagen Rothmann ist Naturschutzbezirksleiter im Landkreis Bautzen. Er hält die Kormoran-Verordnung in Sachsen für gescheitert.
Hagen Rothmann ist Naturschutzbezirksleiter im Landkreis Bautzen. Er hält die Kormoran-Verordnung in Sachsen für gescheitert. © Rainer Könen

Herr Rothmann, vertreibt die Ballerei nicht nur den Kormoran, sondern auch andere geschützte Arten?

Es gibt darüber bislang keine Vorher-Nachher-Erhebung. Man sollte aber nicht nur vom Augenschein ausgehen. Enten mögen von offenen Wasserflächen verschwunden sein, es gibt aber bislang keine Erkenntnisse darüber, dass geschützte Schilfbrüterarten gravierend betroffen sind. Der Sichtschutz dürfte weiterhin funktionieren. Außerdem werden seitens der Naturschutzbehörde Mindestabstände der Knallanlagen zu Schilfbeständen gefordert. Beim Auftreten streng geschützter oder seltener Arten kann die Kormoran-Vergrämung auch gänzlich untersagt werden.

Können Sie den Anwohnerstress in der Nähe von ballernden Teichwirtschaften verstehen?

Natürlich ist die Ruhe im heimischen Lebensumfeld ein hohes Gut. Wenn es dauernd wummert, ist sie nachhaltig gestört. Dazu kommt, dass die Ballerei auch den Teichwirten nichts bringt, außer womöglich das Gefühl, überhaupt irgendetwas gegen Fischverluste getan zu haben.

Sie meinen, die Vergrämung des Kormoran bringt nichts?

Ja. Da ist zum einen der Gewöhnungseffekt bei den Tieren, wenn nicht scharf geschossen wird. Und beim Jagen erwischt man vielleicht einen von 40 Vögeln. Die anderen 39 werden aufgescheucht und lassen sich dann noch viel hungriger am Nachbarteich nieder. Wenn man etwas gegen die starke Vermehrung des Kormorans tun wollte, sollte man nicht erwachsene Tiere schießen, sondern man müsste mit der Regulierung in den Brutkolonien anfangen.

Aber das sagen die Kritiker der Vergrämung schon lange. Warum geschieht es dann nicht?

Weil der Kormoran dem Anhang 1 der EU-Vogelschutzrichtlinie unterliegt und sich die Brutkolonien der in Sachsen auftretenden Vögel in anderen Ländern befinden. Er kam allerdings auf die Schutzliste, als er insbesondere hier noch nicht so verbreitet war. Er ist erst seit etwa 20 bis 30 Jahren von den Küsten der Ost- und Nordsee in das Binnenland gezogen. Das ist auch der damaligen Intensivierung der Karpfenteichwirtschaft geschuldet.

Weil die Tiere hier einen reichlich gedeckten Tisch vorfinden?

Das ist so. Nach der Wende war der Kormoran jahrelang völlig geschützt, deshalb gab es den sogenannte Härtefallausgleich. Fischwirte bekamen 60 bis 80 Prozent des nachgewiesenen Schadens ersetzt. Später setzten sich die Lobbyisten durch, die einer Bejagung des Wort redeten. Das war die Geburtsstunde der Kormoranverordnung, die das Schießen scharf und mit Gaspatronen möglich machte. Das hat die weitere Verbreitung aber in keiner Weise verhindert – bei gleichzeitigem Wegfall der Schadensregulierung.

Wie viele Kormorane gibt es derzeit im Freistaat? Und muss der Abschuss eines Tieres angezeigt werden?

Wir rechnen mit etwa 2500 bis 3000 Kormoranen. Im Jahr 2015 waren allein in der Naturschutzbehörde des Landkreises Bautzen 724 Abschüsse angezeigt worden. Ohne erkennbaren Effekt. Die Fischwirte sprechen immer noch von regelrechten Staffeln, die eine nach der anderen bei ihnen einsegeln. Die Folge sind immer mehr Ausnahmegenehmigungen von der EU-Vogelschutzrichtlinie.

Ist ein Umdenken beim Gesetzgeber erkennbar?

Davon ist mir bisher nichts bekannt. Einbezogen sind wir in mögliche Überlegungen nicht.

Gespräch: Frank Oehl