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Mit Uran aus der DDR wurde die Sowjetunion zur Weltmacht

Deutsche und russische Historiker haben die Geschichte der früheren SDAG Wismut erforscht.

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Von Ralf Hübner

Jetzt ist es mit Dokumenten aus russischen Archiven wissenschaftlich erwiesen: Erst mit dem Uran aus Erzgebirge und Thüringen stieg die Sowjetunion zur nuklearen Supermacht auf. „Die erste sowjetischen Atombombe von 1949 wäre ohne dieses Uran deutlich später fertig geworden“, sagt der Historiker Rudolf Boch von der TU Chemnitz, der das Projekt leitete. 14 Wissenschaftler aus Deutschland und Russland haben seit 2008 den Uranbergbau der DDR und die ehemaligen Wismut AG erforscht. Pünktlich zum 20. Geburtstag des Nachfolgeunternehmens, der Wismut GmbH, liegt das 600 Seiten starke Werk jetzt auf dem Tisch.

„Ohne die Bombe wäre die Sowjetunion in der neuen Weltordnung nach dem Zweiten Weltkrieg lange nur Juniorpartner gewesen“, sagt Boch. „Bis Anfang der 50er-Jahre war der Uranbergbau im Erzgebirge und in Thüringen in Moskau deshalb ganz hoch angebunden.“ Etwa 1947 ging es los. Schon 1952 hatte die Wismut AG Belgisch-Kongo von der Spitze der Uranproduzenten in der Welt verdrängt.

Wandel in den 50ern

Die Studie betrachtet den lange geheim gehaltenen DDR-Uranbergbau und die Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut aus verschiedener Sicht. Die Arbeiter wurden vor allem anfangs zwangsverpflichtet. Kleinste Vergehen wurden mit Verhaftung geahndet, meist ging es laut Boch aber mit einigen Tagen Arrest ab. 70 Wismutleute wurden Anfang der 50er-Jahre in Moskau erschossen. Ihnen waren Spionage oder Sabotage vorgeworfen worden.

Doch noch vor den Arbeiterunruhen von 1953 änderten die Sowjets ihre Strategie und versuchten, mit Anreizen, Geld und Privilegien die Stimmung der Bergleute aufzuhellen. Die Wismut ermöglichte plötzlich sozialen Aufstieg und Karriere. „Die gesundheitlichen Risiken der Arbeit waren allgemein bekannt“, sagt Boch. Aber Gehaltszuschläge sollten die gesundheitlichen Risiken kompensieren. Erst ab Mitte der 50er-Jahre sei es mit dem Strahlenschutz besser geworden; ab Anfang der 70er-Jahre wurden die Grenzwerte in der Regel eingehalten. Auch die Umweltschäden waren kein Geheimnis. Ein Umweltbericht der Wismut von 1959 beschreibt zum Teil großflächige radioaktive Verschmutzungen.

Das Unternehmen hielt sich einen Erstliga-Fußballverein, ließ einen Kulturpalast bauen und betätigte sich als Kunstmäzen. Im künftigen Haus der Archäologie in Chemnitz soll ein Teil der mehr als 4000 Wismut-Kunstwerke zu sehen sein.

231000 Tonnen Uran wurden in Sachsen und Thüringen aus dem Berg geholt. Eine neue Wismut GmbH rekultiviert seit 1991 die Bergbau-Hinterlassenschaften. Von geplanten 6,4 Milliarden Euro sind bisher 5,4 Milliarden Euro aufgebraucht. Die Kosten werden voraussichtlich bis auf sieben Milliarden Euro steigen. Am 1. Juli will die neue Wismut in Bad Schlema ihr 20. Jubiläum groß feiern.

Weiße Flecken in der Wismut-Geschichte gibt es laut Boch nun kaum noch. Die Ergebnisse der Forschungen werden noch bis Sonnabend auf einer Tagung in Chemnitz vorgestellt.