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Mursi trotzt seinen Richtern

Der abgesetzte Staatschef nutzt seinen Strafprozess für forsche Rededuelle mit der Justiz.

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Von Pol O Gradaigh und Gregor Mayer

Diesen Tag wusste Mohammed Mursi, Ägyptens gestürzter Präsident und bis zum Montag abgeschirmter Gefangener des Militärs, für sich zu nutzen. Zum Auftakt des Strafprozesses gegen ihn und 14 weitere Funktionäre seiner Muslimbruderschaft brachte er seine durchaus simple Botschaft einigermaßen wirkungsvoll an den Mann. „Ich bin Dr. Mohammed Mursi, legitimer Präsident der Republik“, rief er, als ihn der vorsitzende Richter Ahmed Saber zu Beginn der Sitzung ganz formell nach dem Namen fragte.

Die sieben Mitgefangenen im Anklagekäfig – gegen weitere sieben, die flüchtig sind, wird in Abwesenheit verhandelt – bildeten den Hintergrund-Chor. „Nieder mit der Militärherrschaft!“, skandierten sie immer wieder. Die Muslimbruderschaft betrachtet Mursis Absetzung am 3. Juli durch das Militär als Putsch. Der Übergangsregierung und ihren Organen, und in weiterer Folge den Gerichten, die sie nun aburteilen sollen, verweigern sie die Anerkennung.

Mursi wurde als Letzter in den Anklagekäfig geführt. Bemerkenswerterweise trug er einen edlen, dunklen Anzug, während die anderen Angeklagten in den weißen Büßerhemden steckten, die für Untersuchungshäftlinge vorgeschrieben sind. So hatte sein Einzug in den Käfig fast einen Hauch von präsidialer Würde. Mitangeklagte und Verteidiger jubelten und applaudierten. Als Mursi erklärte: „Beenden Sie die Farce! Für mich sind Sie kein Gericht. Bei allem Respekt für Euer Ehren ...“, unterbrach ihn der Richter: „Dann zeigen Sie diesen Respekt!“ Nach einer zweiten Unterbrechung blieb es dem Gerichtssekretär überlassen, die Vertagung des Prozesses auf den 8. Januar zu verkünden.

Zwischen den Rededuellen verlas der Staatsanwalt die Anklageschrift, begleitet von Zwischenrufen des Angeklagten-Chors: „Ungültig! Ungültig!“ Demnach wird Mursi und den anderen Anstiftung zum Mord vorgeworfen. Kern der Anklage sind blutige Zusammenstöße vor Mursis Präsidentenpalast in Kairo im Dezember des Vorjahres. Zehn Menschen starben, als islamistische Schlägertrupps Mursi-feindliche Demonstranten vor dem Palast angriffen. Die Staatsanwaltschaft behauptet, dass Mursi und andere Angeklagte die Schlägertrupps gesteuert hätten. Auf die meisten Ägypter dürfte die Gerichtsshow Mursis, der seine Popularität schon vor dem Umsturz verspielt hatte, allerdings wenig Eindruck gemacht haben. (dpa)