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Muttermilch für die Ewigkeit

Nicole Aulich fertigt Schmuck, in dem sie ganz persönliche Erinnerungen festhält. Mancher Wunsch klingt kurios.

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© Christian Juppe

Von Henry Berndt

So ein Blick in den Kühlschrank kann viel über einen Menschen verraten. Ob er sich gesund ernährt zum Beispiel, ob er gern selbst kocht – oder ob er sich Tüten mit Muttermilch schicken lässt, um daraus Schmuck zu zaubern. Natürlich hat Nicole Aulich für diesen Zweck einen eigenen Kühlschrank in ihr Arbeitszimmer gestellt. Hier lagern stets einige Dutzend kleine Zip-Beutel mit der wertvollen Fracht – alles fein säublich beschriftet.

Die Halskette.
Die Halskette. © Christian Juppe
Der Ring.
Der Ring. © Christian Juppe
Die Perle mit Nabelschnurkrümeln.
Die Perle mit Nabelschnurkrümeln. © Christian Juppe
Die Ohrringe.
Die Ohrringe. © Christian Juppe

Nicole Aulich kann sich noch gut an die Zeit erinnern, als sie selbst ihre 2015 geborene Tochter Emma gestillt hat. „Ich war richtig traurig, wenn ich ans Abstillen gedacht habe und wollte mir irgendwas Greifbares von dieser Zeit bewahren“, sagt die 32-Jährige. Was es so gab an Angeboten im Internet überzeugte sie nicht und so begann die gelernte Kosmetikern, selbst mit ihrer Muttermilch und Epoxidharz zu experimentieren. Die ersten Versuche endeten mit unansehnlich schwarz verfärbten Schmuckstücken, aber irgendwann hatte sie den Dreh raus, wie sie die Milch so sterilisieren und konservieren konnte, dass sie dieses Stück Natur für immer festhielt. Wie ein Fossil im Bernstein. Ob als Ring, als Kettenanhänger oder in Form von Ohrringen. Noch während ihrer Elternzeit 2016 startete sie ihr kleines Business namens Memoria über das Internet.

Erst Naserümpfen, dann Staunen

Wem auch immer man von dieser Idee erzählt, die erste Reaktion ist fast immer die gleiche: ein naserümpfendes „Muss das denn sein?“ Ja, das muss es, sagt Nicole Aulich und spätestens wenn sie einige der Stücke aus ihrer Kollektion zeigt, verfliegt bei den meisten jegliche Skepsis. Da riecht nichts mehr nach Milch und da kann man nichts mehr schütteln. Man kann nur noch wissen oder daran glauben, dass in dieser Perle ein paar Tropfen Muttermilch eingearbeitet sind. Und nicht nur das. Auch andere persönliche Erinnerungen schließt Nicole auf Anfrage in Harz ein. Blüten aus dem Brautstrauß zum Beispiel, Krallen des verstorbenen Hundes, Haarlocken des Babys, aber auch Krümel der Nabelschnur oder der Plazenta. „Viele Wünsche der Kunden lassen sich ganz individuell umsetzen“, sagt sie. Gern erfahre sie vor dem Beginn ihrer Arbeit etwas zu den persönlichen Hintergründen. „Manchmal bekomme ich auch Asche verstorbener Kinder geschickt“, sagt sie. „Da gibt es so schlimme Fälle, bei denen ich oft selbst schlucken muss. Trotzdem bin ich dankbar, mit meiner Arbeit vielleicht etwas Trost spenden zu können.“

Das frühere Kinderzimmer in ihrer Vierraumwohnung in Leuben ist heute ihr Arbeitsplatz. Auf dem Schreibtisch liegen Bohrer, Waagen und Feilen aus dem Nagelstudio bereit. An der Wand hängt noch die Blümchentapete und unter dem Tisch liegt meist Hündin Kira. Den Husky-Mischling haben Nicole und ihr Mann Robert aus einem Tierheim in Teneriffa mitgebracht. In seiner neuen Heimat hat Kira ihr Frauchen nun oft an ihrer Seite, denn inzwischen ist die Schmuckproduktion für Nicole zum Vollzeitjob geworden.

Der Laden brummt

Vor einem Jahr kündigte sie ihren Job als stellvertretende Filialleiterin in einem Klamottenladen. Nun arbeitet sie mit einem Juwelier um die Ecke zusammen, der aus Perlen die gewünschten Ketten oder Ohrringe macht. Nicoles Mann unterstützt sie derweil mit dem Schreibkram, damit sie sich ganz auf den kreativen Teil konzentrieren kann. Wie genau sie den Schmuck fertigt, das soll ihr Geschäftsgeheimnis bleiben. „Im Internet gibt es leider viele falsche Anleitungen, für die Mütter ihre letzte Muttermilch verschwenden“, sagt sie. Bei ihr gibt es das günstigste Stück zurzeit für 85 Euro. Einen eigenen Onlineshop betreibt sie nicht und ist auch nicht bei den üblichen Portalen für Handgemachtes gelistet. Alles läuft über E-Mail, Facebook und Instagram. Und wie.

„Am Anfang hätte ich niemals damit gerechnet, dass das so einschlägt.“ Inzwischen nimmt sie nur noch alle drei bis vier Monate Bestellungen entgegen und muss viele Interessenten enttäuschen. „Das tut mir sehr leid, aber mehr geht nicht.“

Sie glaubt, all die Mütter, die sich solch ein persönliches Schmuckstück wünschen, empfinden es entweder als Erinnerung an eine besonders schöne Zeit oder als Belohnung für schwierige Wochen und Monate. Den größten Schatz an Erinnerungen dieser Art hat die Künstlerin selbst. Von jeder neuen Kreation fertigt sich Nicole ihr persönliches Exemplar – solange sie noch genug Muttermilch hat.

www.muttermilchschmuck.de