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Nach biblischem Rezept

Seit 150 Jahren backen Diakonissen in Dresden Hostien. Sie finden: Beim Leib Christi sollte man nicht sparen.

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© dpa

Von Simona Block

Dresden. Klein, schmucklos, ohne Geschmack: Hostien sind kein gewöhnliches Backwerk. Sie bestehen nur aus Mehl und Wasser, stillen weder Hunger noch Gelüste und brauchen zwei Tage, bis sie fertig sind. „Der reine Backvorgang dauert nur anderthalb Minuten“, erklärt Christine Ullmann, Leiterin der Hostienbäckerei der Evangelisch-Lutherischen Diakonissenanstalt in Dresden. Die Manufaktur feiert dieses Jahr ihr 150-jähriges Bestehen. Es ist die einzige ihrer Art in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Jährlich liefert sie eine Million der zarten Oblaten für das Abendmahl in Kirchgemeinden – auf Bestellung. Im Büro der Diakonisse sind ihre Kunden auf einer Deutschland-Karte markiert, die Stecknadeln bündeln sich vor allem im Süden und Norden Ostdeutschlands. Seit 1989 werden die mit einem Kruzifix oder einem Lamm mit Siegesfahne versehenen Hostien auch nach Österreich, in die Schweiz, nach Dänemark, Amerika und sogar Papua-Neuguinea versandt – zu 500 oder 1 000 Stück pro Karton. Bestellt wird per Brief, Fax, Telefon und immer häufiger per E-Mail.

Vor allem Ostern und Pfingsten herrscht Hoch-Zeit in dem schlichten Gebäude in der Dresdner Neustadt. „Da helfen auch zwei Diakonissen ehrenamtlich aus“, erzählt Ullmann. Seit 2000 ist der Verein der Schwesternschaft Träger der Hostienbäckerei, die neben Ullmann zwei gehörlose Mitarbeiterinnen hat. Eine davon, Carola Schmiedt, steht am elektrisch beheizten Eisen und backt eine Hostienplatte nach der anderen mit je 37 Zentimeter Durchmesser, aus der später 66 kleine und eine größere Schauhostie mit Christusmonogramm gestanzt werden.

Immer wieder nimmt die frühere Damenmaßschneiderin eine Kelle mit beigefarbener Flüssigkeit aus einem Eimer, gießt sie in die Mitte der 135 bis 140 Grad heißen runden Metallfläche und schließt das Backeisen. Es zischt und qualmt. „Das muss ganz schnell gehen, sonst gibt es Luftblasen“, sagt Ullmann. Mit einem Spachtel schabt Schmiedt die herausgelaufenen Teigreste ab. Dann öffnet sie den Deckel mit den eingravierten Motiven, entfernt die Platte und legt sie in einen Korb.

Die frisch gebackenen und brüchigen Hostienplatten müssen einige Stunden mit einem Raumluftbefeuchter geschmeidig gemacht werden. Eine Kollegin von Schmiedt drückt dann an der mit Fußkraft betriebenen Stanzmaschine jede Hostie einzeln aus der Platte. Wie viele es täglich sind, kann Ullmann nicht sagen. „Wir verarbeiten sechs Kilogramm Teig pro Tag.“ Der wird nach biblischem Rezept jeweils aus einem Kilogramm feinem Weizenmehl und 1,25 Litern Wasser gemischt, wie das ungesäuerte Brot für das Passahmahl. „Auch in den meisten Klöstern wurden die speziell zubereiteten Oblaten hergestellt“, sagt Pfarrer Thilo Daniel und Rektor der Diakonissenanstalt. Daniel schätzt, dass es etwa noch ein Dutzend Hostienbäckereien in Deutschland gibt. Außerdem vertreibe ein Versandhandel für Gottesdienstausstattung auch Hostien. „Die Qualität ist unterschiedlich.“ Über das Internet sind dickere und billigere Exemplare beziehbar, wie Matthias Oelke von der sächsischen Landeskirche berichtet. „Aber wir sind schon der Ansicht, dass die Kirchgemeinden beim Leib Christi nicht sparen sollten.“

Die Oblaten aus der Dresdner Hostienbäckerei sind Einzelanfertigungen – und an ihren Motiven erkennbar: Kruzifix, Lamm mit Siegesfahne und Christussymbol. Der Titel der Manufaktur ist laut Daniel eher irreführend. „Eine Bäckerei sind wir eigentlich nicht, es ist eher Dienstleistung als Handwerk, im geistlichen und theologischen Sinne.“ Bei Herstellung und Versand wird auch gebetet – für die Gemeinden, die die Hostien erhalten und für die Menschen, die mit ihnen das Abendmahl feiern.

In Sachsens evangelischer Landeskirche nimmt die Zahl der Abendmahlfeiern zu. Bei den Hostienbestellungen schlägt sich das aber nicht nieder, sagt Pfarrer Daniel. Auch das Landeskirchenamt sieht nach Auskunft von Matthias Oelke einen verstärkten Trend. „Ging man früher zwei Mal im Jahr zur Abendmahlsfeier, gibt es jetzt mindestens einen solchen Gottesdienst pro Monat, der gut besucht ist.“ Zum Jubiläum jedenfalls wird die Dresdner Hostienbäckerei überrannt von jungen Interessenten, wie die Chefin sagt. „Die Führungen sind ausgebucht.“ (dpa)