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Nachts im Hotel

Ein britischer Musiker arbeitet als Portier im Best Western Hotel Via Regia auf der Jauernicker Straße. Er pendelt jeden Tag zwischen Lauban und Görlitz.

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© nikolaischmidt.de

Von Daniela Pfeiffer

Görlitz. Neulich hat er mit City und Dirk Michaelis geplaudert. Die Ost-Musiker hatten im Best Western in Görlitz übernachtet, als Jessie John Wright gerade Dienst hatte. Er ist in dem Hotel auf der Jauernicker Straße Nachtportier. Und studierter Musiker. Eine solche Begegnung ist also auch für ihn etwas ganz Besonderes. Aber auch Filmteams steigen immer mal in dem Hotel ab. Der 25-jährige Wright liebt es, Leute kennenzulernen, die abends – manchmal bis tief in die Nacht – an der Hotelbar sitzen. Es sind etliche Geschäftsleute darunter, die die ganze Woche unterwegs sind, fern von der Familie. Da seien manche dankbar, wenn sie noch ein wenig reden können.

Denn als Nachtportier sitzt Jessie John Wright nicht nur an der Rezeption und wartet auf Gäste. Die kommen durchaus auch mal um ein, zwei Uhr noch. Es gibt schließlich nur wenige Hotels in der Stadt, die die ganze Nacht geöffnet sind. Wenn aber gerade keiner eincheckt, kümmert sich der Nachtportier eben um die Bar, erledigt Verwaltungsarbeit und deckt den Frühstücksraum für den nächsten Morgen ein. Seine Kollegen sieht er eigentlich nicht oft. Wenn sie arbeiten, schläft er. Trotzdem findet er das Kollegium super. Es ist recht international. Neben einem tschechischen Mitarbeiter an der Rezeption gibt es einen polnischen Koch. Mit ihm unterhält sich Wright fast nur auf Polnisch. Das klappt immer besser.

Wenn Wright Dienst hat, was im Normalfall zweimal die Woche ist, im Vertretungsfall bis zu fünfmal, kommt er um 22 Uhr ins Hotel. Bis 6 Uhr geht seine Schicht. Danach geht es nach Hause. Das ist seit zwei Jahren seine Heimat. Obwohl er diesen Begriff für sich so recht gar nicht definieren kann und mag. Geboren und aufgewachsen ist der Sohn einer Deutschen und eines Briten in Norddeutschland. Trotzdem ist ein britischer Akzent unüberhörbar. „Das kommt vielleicht von meinen acht Jahren in England“, sagt Jessie John Wright. Dorthin ging er mit 16, um in Canterbury Musik zu studieren. Bruder und Vater gingen ebenfalls, eine große Verwandtschaft ist ohnehin immer dort gewesen.

Aber da waren noch die Mutter und eine kleine Schwester, ein Nachzügler, die in Deutschland blieben. „Jedes mal, wenn ich sie besuchte, war meine Schwester wieder gefühlte 20 Zentimeter gewachsen“, lacht Wright. Er habe sie einfach aufwachsen sehen wollen. Deshalb entschied er nach acht Jahren England, wieder zum deutschen Teil der Familie zu ziehen. Die war inzwischen nach Lauban übergesiedelt, und so kam auch der Sohn nach Polen – inzwischen als ausgebildeter Tontechniker. In Lauban hat er auch ein Studio. Er produziert Bands, vor allem solche, die in Richtung Pop oder Reggae gehen, spielt selbst Gitarre, Piano und Schlagzeug. „Aber von allem nur ein bisschen“, stellt er klar. Auch Videos produziert er selbst, seit Neuestem.

Das allein finanziert allerdings die Miete nicht. Als er die Stellenanzeige des Hotels las und auch, dass Englisch sehr von Vorteil wäre, bewarb er sich und bekam den Job. Ein bisschen Französisch, Spanisch und einige tschechische Worte kann er auch. Aber Englisch sei schon die gefragteste Fremdsprache. Sogar einen Landsmann, der in England ganz in der Nähe wohnte, hatte er mal als Gast.

Jessie John Wright lebt hier bedeutend günstiger und ruhiger als in England, sagt er. Sogar die Landschaft gefällt ihm besser. In England habe er auf einer Landzunge gewohnt, vorne Meer, hinten Meer. Da sei ihm die hügelige Landschaft hier doch viel lieber. Mit Besuchern wandere er immer auf die Schneekoppe. Und eine Führung durch die Görlitzer Altstadt ist dann ein Muss. Vor allem seine britischen Freunde und Verwandten sind begeistert von der Architektur.

Viel mehr als die Altstadt kennt der Deutsch-Brite bisher aber noch nicht von Görlitz und will das unbedingt ändern. Auch, weil er gern die Görlitzer Musikszene näher kennenlernen möchte. Von Yellow Cap hat er gehört, klar. Dem musikalischen Aushängeschild der Stadt. Aber welche jungen Bands es noch so gibt, die Fuß fassen möchten, das interessiert ihn.

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