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Namens-Guru blickt von Leipzig nach Amerika

Er war Deutschlands einziger Professor für Namenskunde. Auf den Ruhestand hat Jürgen Udolph aber keine Lust.

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Von Franziska Höhn

Leipzig. 1998 ging es los. Damals rief ein Radiosender beim Namenskundler Jürgen Udolph in Leipzig an und schlug ihm vor, in einer Sendung die Namen von Hörern zu deuten. Inzwischen ist der selbst ernannte „Herr der Namen“ bei neun Radiostationen auf Sendung und deutschlandweit bekannt. Eigentlich ist Udolph seit 2008 im Ruhestand. Damals gab er die einzige deutsche Professur für Onomastik (Namenskunde) an der Uni Leipzig auf und die Hochschule widmete seinen Lehrstuhl in eine andere Richtung um. Am 6. Juli eröffnet Udolph sein privat finanziertes Institut für Namensforschung dort, wo er jahrelang forschte: in Leipzig.

„Ich bin der Namenskunde einfach verfallen“, erklärt Jürgen Udolph diesen Schritt. Der Slawist beschäftigt sich seit 40 Jahren mit Namen. 750 000 von ihnen hat er gesammelt, erzählt er. Lange vor dem Computerzeitalter schrieb er sie mit Erklärungen auf ebenso viele Karteikarten. Drei Schrankwände füllen sie in seinem Göttinger Arbeitszimmer. Auf einer Karteikarte etwa steht der längste deutsche Nachname: Ottovordemgentschenfelde. Wenn er heute auf Anfrage Familiennamen untersucht, dann hilft auch ihm der Computer. Vor allem aber seine langjährige Erfahrung.

Das nach ihm benannte Institut für Namensforschung soll vor allem auf Anfrage von zahlenden Kunden arbeiten. 80 Euro kostet es mindestens, wenn der populäre Namenskundler Udolph mit seinen sechs Mitarbeitern einen Namen unter die Lupe nimmt. „Jede Deutung eines Namens ist auch wissenschaftliche Forschung“, betont Udolph, der seine Rückkehr auf privatwirtschaftlichen Füßen nicht als reines Geldverdienen verstanden wissen will. „Ich forsche auch weiter, vor allem zu Orts- und Gewässernamen.“ Er kann lang und interessant erzählen, wie viel die Onomastik aussagen kann, wo Historiker passen müssen.

Mitarbeiterin setzt Werk fort

Gewässernamen seien oft über Tausende von Jahren gleich geblieben. „Fast immer bedeuten unsere Flussnamen etwas Banales wie Wasser, Fluss oder fließen“, sagt Udolph. Aber eben in den unterschiedlichen Dialekten umherziehender Stämme. Der Name der Leine zum Beispiel stammt nach Udolphs Recherche vom indogermanischen „Lagina“ ab, einem Wort für See, und ist mindestens 3000 Jahre alt.

Sein Institut lebt vom Interesse an Familiennamen und soll jetzt auch amerikanische Kundschaft locken. „Viele US-Amerikaner haben Wurzeln in Deutschland“, sagt Udolph. Er habe die Fühler über den großen Teich ausgestreckt und „auch dort gibt es großes Interesse an der eigenen Herkunft“.

Der Blick Richtung USA dürfte auch mit Udolphs alter Wirkungsstätte zu tun haben, der er weiter verbunden ist. Denn die Uni Leipzig widmete zwar Udolphs Professur um und setzte den Master-Studiengang laut einer Sprecherin „wegen mangelnder Nachfrage“ aus, doch die Onomastik gibt es weiter. Udolphs langjährige Mitarbeiterin Dietlind Kremer stemmt die Lehre allein, bietet Onomastik als Wahlfach für sprachwissenschaftliche Studiengänge an. (dpa)