Merken

Neue Heimat Dresden

Nur zwei Taschen konnten sie mitnehmen. Familie Klosho aus Aleppo ist vor den Bomben in Syrien geflüchtet.

Teilen
Folgen
NEU!
© André Wirsig

Von Andreas Weller

Sie kommen aus dem Ort, der 2006 als erste Kulturhauptstadt des Islams ausgezeichnet wurde. Jetzt herrscht dort Krieg, Bomben haben viel zerstört. Eine hat ihnen das Dach über den Köpfen genommen. Aus Angst um ihr Leben – vor allem das der vier Kinder – sind sie nach Deutschland geflüchtet. Familie Klosho aus Aleppo in Syrien lebt seit gut fünf Wochen in Dresden. So langsam kommen die sechs hier an.

„Bis vor gut einem Jahr war es ruhig in unserer Stadt“, sagt Mustafa Klosho. Damals hätte er sich nicht vorstellen können, seine Heimat in Richtung Dresden zu verlassen. „Aber seitdem fallen ständig Schüsse und Bomben“, so der 49-Jährige. Sein bis dahin gut gehendes Restaurant „Antab“ musste er schließen. Islamisten hatten einen Drohbrief an die Tür gehängt. Die Aufschrift lautete übersetzt: „Gott wird euch bestrafen.“ Eine Anfeindung gegen Klosho, weil er in seinem Restaurant auch Alkohol ausschenkt und nicht nur traditionelle Speisen anbietet. „Wir sind Muslime, leben aber moderat“, erklärt Ehefrau Rothvin Hamoto. Aber es waren nicht nur die Anfeindungen, die sie zur Flucht trieben. Die Einschläge kamen buchstäblich immer näher. Es fielen permanent Schüsse. „Dort, wo wir gewohnt haben, war plötzlich die Front“, so Klosho: „Im direkten Umfeld kämpfte die syrische Befreiungsarmee gegen die staatliche Armee. Wir wussten gar nicht, wer genau auf wen schießt – furchtbar.“

Die Familie mit einer 15-jährigen Tochter, einem 13-jährigen Sohn und zwölfjährigen Zwillings-Jungs flüchtete zunächst zu Verwandten aufs Land. Als auch dort Schüsse fielen und die Familie erfuhr, dass der Fünfgeschosser, in dem sie ihre Wohnung in der Stadt hatten, von einer Bombe getroffen war, fiel der Entschluss zu flüchten. „Mit zwei Taschen und dem, was wir anhatten“, so die 41-jährige Frau: „Mehr konnten wir nicht mitnehmen.“ Der Syrerin steigen bei der Erinnerung Tränen in die Augen. Viel mehr möchte sie über die Flucht nicht sagen, weil die Erinnerung sie noch immer sehr belastet.

Klar war für die Kloshos, dass es nach Deutschland gehen soll. „Das Land hat einen guten Ruf“, so Frau Klosho: „Und es leben Brüder und Schwestern von mir hier.“ Allerdings verstreut auf die Republik.

Über Chemnitz nach Dresden

Nach einer viermonatigen Odyssee landete die Familie in der zentralen Auffangstelle in Chemnitz. Etwa fünf Wochen später waren sie in Dresden. In einem Sechsgeschosser in Tolkewitz hat die Familie eine kleine Gagfah-Wohnung von der Stadt zugewiesen bekommen. Die drei Zimmer auf 60 Quadratmetern reichen gerade so für die sechs Personen. „Schade ist, dass wir kein richtiges Wohnzimmer haben, sondern alle Räume auch zum Schlafen genutzt werden“, so Klosho und fügt lächelnd hinzu: „Auch arabisches Fernsehen wäre schön.“ Gegen die Sprachbarriere wird eifrig gekämpft. Die vier Kinder gehen seit wenigen Tagen in Dresdner Schulen, lernen Deutsch und haben sich, da sie etwas Englisch sprechen, auf der Straße mit anderen Jugendlichen angefreundet.

Die Sozialarbeiterin Halya Kulyk und ihr Kollege Karsten Dietze vom Caritasverband helfen der Familie im Alltag. Klosho: „Danke für die Unterstützung und Danke, dass wir nach Dresden kommen durften.“ Mittlerweile weiß seine Frau aber selbst, wo sie gut einkaufen können: „Es gibt hier mehrere arabische Geschäfte. Dort bekommen wir auch das Brot, das wir so mögen.“ Aber sie kauft auch gerne in deutschen Supermärkten ein: „Gurken, Tomaten, Milch und so. Das Gute hier ist, dass überall die Preise dranstehen. Das war in Syrien anders.“ Sie bekommen vom Staat Geld nach dem Asylbewerbergesetz. Etwa 300 Euro pro Person im Monat. „Das reicht für alles Notwendige“, sagt Klosho: „Extras sind natürlich nicht möglich. Aber das erwarten wir selbstverständlich auch nicht.“

Das Kennenlernen der Nachbarn haben die Kloshos gleich am ersten Tag selbst in die Hand genommen, geklingelt und sich vorgestellt. Seither grüßt man sich in dem Zwölf-Parteien-Haus. „Anfeindungen haben wir hier noch nicht erlebt“, so der Syrer. Etwas mehr Kontakt zu den Dresdnern wünscht er sich schon: „Wir möchten uns integrieren, aber das ist schwierig, wegen des Sprachproblems.“ Einen Sprachkurs erhält er aber erst, wenn er und seine Familie Asyl bekommen. Die Zusage haben sie bereits, jetzt fehlt nur noch der offizielle Bescheid. Bei Syrern geht dies wegen des Kriegs aktuell relativ schnell. Andere Asylbewerber müssen zum Teil Jahre warten.

Derzeit leben in Dresden 1.260 Asylbewerber, unter ihnen 34 Syrer. „54 Prozent, also 675 Personen, wohnen in eigenen oder von der Stadt gemieteten Wohnungen“, so Marco Fiedler, Referent von Sozialbürgermeister Martin Seidel. Die anderen 585 müssen in Übergangswohnheimen leben. 17 Kontingentflüchtlinge werden im Februar in Dresden erwartet und 2014 insgesamt mehr als 1.000 weitere Asylbewerber. Die genaue Zahl steht noch nicht fest.

Klosho träumt davon, in ein paar Jahren zurück nach Syrien zu können: „Wenn der Krieg vorbei ist, es sicher ist und es wieder Wasser und Strom gibt. Bis dahin würde ich gerne in Deutschland arbeiten.“