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Neue Konkurrenz für Sachsens Winzer

Unternehmer aus dem Anbaugebiet Saale-Unstrut wollen sich einkaufen. Mit einem mächtigen Betrieb im Rücken.

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© Claudia Hübschmann

Von Peter Anderson

Meißen. Der Name der jungen GmbH ist Programm: Sie heißt Weinbaugesellschaft Meißen. Als Zweck wird „Weinbau in der Region Meißen“ angegeben. Verwunderlich erscheint der Ort des Handelsregisters. Dieses wird in Stendal, in Sachsen-Anhalt, geführt. Als Mitglieder sind eingetragen der Geschäftsführer der Winzervereinigung Freyburg Hans Albrecht Zieger, der Aufsichtsratsvorsitzende der gleichen Gesellschaft Andreas Silbersack sowie der dem Unternehmen verbundene Wirtschaftsberater Sven Scharr aus Leipzig.

Stammt aus einer sächsischen Winzerfamilie: Hans Albrecht Zieger ist Geschäftsführer der Winzervereinigung Freyburg-Unstrut. Diese hatte 2017 das umsatzstärkste Jahr ihrer Geschichte und konnte 4,2 Millionen Euro Traubengeld an die Mitglieder verteilen.
Stammt aus einer sächsischen Winzerfamilie: Hans Albrecht Zieger ist Geschäftsführer der Winzervereinigung Freyburg-Unstrut. Diese hatte 2017 das umsatzstärkste Jahr ihrer Geschichte und konnte 4,2 Millionen Euro Traubengeld an die Mitglieder verteilen. © Hendrik Schmidt / dpa

Im Weinanbaugebiet Saale-Unstrut sorgt diese Information für weitreichende Spekulationen. Der Betreiber der Saale-Unstrut-Vinothek Rainer Albert Huppenbauer vermutet in seinem Internet-Blog, die Winzervereinigung Freyburg könnte hinter dem Coup stecken. Plant diese womöglich einen Konkurrenzbetrieb zum größten sächsischen Weinerzeuger, der Winzergenossenschaft Meissen?

Tatsächlich gibt es in dieser Richtung mehrere Anzeichen: Vor einem Jahr brachte das Weinhaus Freyburg, eine Tochter der dortigen Winzervereinigung, unter der Marke „100 Prozent Sachsen“ erstmals Wein aus dem Elbtal auf den Markt. SZ-Informationen zufolge sollen die dazu verwendeten Trauben – mindestens zu einem Teil – von der Winzerfamilie Zieger im Ortsteil Golk der Gemeinde Diera-Zehren stammen.

Über die gleichen Informationen verfügt Blogger Huppenbauer. Er berichtet, diese Erzeuger seien „mit der Politik der Meißner Winzergenossenschaft nicht einverstanden.“ Auslöser für ihre Lieferung nach Freyburg soll Unzufriedenheit über den Umgang mit dem sogenannten Weinskandal gewesen sein.

Damit nicht genug: Schon längere Zeit existieren engere Geschäftsbeziehungen zwischen dem Vorstandsvorsitzenden der Winzervereinigung Freyburg Siegfried Boy und Sachsens größtem Privatwinzer Georg Prinz zur Lippe. Vor rund drei Jahren hatte dieser sein 45 Hektar bewirtschaftendes Weinhaus Weimar für zwei bis fünf Millionen Euro an die Agrargenossenschaft Gleina im südlichen Sachsen-Anhalt verkauft. Das Unternehmen dominiert mit einer Rebfläche von rund 200 Hektar die Winzervereinigung Freyburg. Chef der Agrargenossenschaft ist Siegfried Boy.

Allen Indizien zum Trotz: Auf direkte Nachfrage dementiert die Winzervereinigung, sich in Sachsen engagieren zu wollen. Sie werde weder um Mitglieder werben, noch Immobilien erstehen, teilt das Pressebüro der Genossenschaft mit. Zudem soll es vom Jahrgang 2017 nicht erneut eine Edition „100 Prozent Sachsen“ geben.

Statt im Auftrag ihres Freyburger Unternehmens investieren Hans Albrecht Zieger und Andreas Silbersack als Privatleute. „Aktuell bieten sich in Sachsen interessante Möglichkeiten für ein privates weinwirtschaftliches Engagement. Die Gesellschafter stehen in verschiedenen Verhandlungen, die noch keine spruchreifen Ergebnisse zeitigten“, heißt es auf SZ-Anfrage. Bei den Gesprächen gehe es sowohl um den Erwerb als auch die Pacht von Rebflächen oder Immobilien. Ankauf und Vermarktung von Trauben seien ebenfalls ein Thema. „Da kann sich noch vieles bewegen, deshalb können wir zum jetzigen Zeitpunkt keine belastbaren Aussagen machen“, so Hans Albrecht Zieger.

Wie für die SZ zu erfahren war, sind die Pläne für den Sprung über die Landesgrenze in den vergangenen Monaten allerdings über das Anfangsstadium weit hinaus gediehen. Brancheninsider gehen davon aus, dass das neue Weingut der Winzer aus Sachsen-Anhalt rund 30 Hektar umfassen dürfte. Saale-Unstrut-Blogger Rainer Albert Huppenbauer schreibt auf seiner Internet-Seite sogar von 40 Hektar.

Freunde des sächsischen Weins können über diese Zahlen nur staunen. Seit der Wende wird kontinuierlich von einer Flächenknappheit im sächsischen Anbaugebiet berichtet. Mehr Rebrechte waren über Jahre hinweg eine wichtige Forderung an die Politik. Woher tauchen plötzlich die überzähligen 30 Hektar auf?

Der Löwenanteil davon dürfte aus dem Bestand des Weinguts Schloss Proschwitz Prinz zur Lippe stammen. Wie die SZ vergangene Woche meldete, möchte sich das Unternehmen künftig auf 80 Hektar beschränken, das Weingut Zadel abstoßen und die Kellerei in Ockrilla konzentrieren. In früheren Jahren war im Zusammenhang mit Proschwitz stets von knapp 100 Hektar Rebfläche die Rede gewesen. „Es kommt mir nicht darauf an, der Größte zu sein“, so Chef Georg Prinz zur Lippe. Neben Flächen hat der Privatwinzer überschüssige Mengen an Trauben zu bieten, welche er über Jahre hinweg an das Staatsweingut Wackerbarth lieferte. Dieses winkt mittlerweile dank einer gesteigerten Eigenproduktion ab. Auch sollten sich die Grundweine für einige Sekte preiswerter zum Beispiel in der Pfalz als in Sachsen einkaufen lassen.

Bleibt die Frage, welche Folgen der Einstieg eines neuen Privatweinguts für die hiesigen Betriebe haben wird. Die Winzergenossenschaft Meißen lehnt einen Kommentar zu den Expansionsplänen der Kollegen aus Freyburg ab. In der Branche existieren allerdings durchaus Bedenken. So wird befürchtet, dass die Exklusivität des sächsischen Weins unter mehr Masse leiden könnte. Der Weinskandal hat seit 2015 bereits zu erheblichen Umsatzausfällen geführt. Die Zeiten, als der vorangegangene Jahrgang vor dem neuen Wein ausgetrunken war, gehören der Vergangenheit an.