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Neue Lampen aus alten Balken

Der Freitaler Thomas Schönberg nutzt Material aus einem Abrisshaus für leuchtende Unikate. 

Von Thomas Morgenroth
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Thomas Schönberg baut in seiner Werkstatt in Freital Leuchten und dekorativen Weihnachtsschmuck.
Thomas Schönberg baut in seiner Werkstatt in Freital Leuchten und dekorativen Weihnachtsschmuck. © Karl-Ludwig Oberthür

Ein wurmstichiger Balken, aus dem das Holzmehl rieselt und die Fraßgänge der Larven des Gemeinen Nagekäfers dicht an dicht sichtbar sind, treiben einem Hausbesitzer meistens große Sorgenfalten auf die Stirn. Thomas Schönberg hingegen erfreut sich an der lebendigen Struktur. Der Freitaler nimmt ein Stück, bekämpft den Schädling, beizt den ausgefaserten Pfosten schwarz und bringt drei Lampenfassungen an. Die Zuleitungen führt er durch Bohrungen nach oben. Mit Schirmen aus Milchglas vollendet der Bastler und Tüftler sein Werk – fertig ist eine neue Esstischlampe aus einem alten Balken, sie ist ein Unikat.

Schönbergs Werkstatt in der Wehrstraße in Deuben ist voll davon. Auf selbstgebauten Tischen, in Regalen und in alten Schränken stehen leuchtende Objekte aus Holz, Stein, handgestrichenen Ziegeln, Metallteilen oder historischen Bierflaschen, keines gleicht dem anderen. Abgesehen von den modernen elektrischen Zutaten, die Schönberg von Sinus in Potschappel bezieht, verwendet der 47-Jährige Material, das schon ein sehr langes Leben hinter sich hat – bis zu mehr als vierhundert Jahren. Es war in einem Wohnhaus an der Dresdner Straße in Tharandt verbaut, das vor zwei Jahren abgerissen wurde. Einiges, wie Glasscherben, fand er auf dem Hang dahinter.

Ein Sandstein mit der eingemeißelten Jahreszahl 1595 steckte in einer Seitenwand. Darauf nimmt Schönberg Bezug, wenn er vom Alter des auf immer verlorenen Denkmals spricht, es war eines der ältesten Häuser der Stadt. Möglicherweise stecken so sogar Teile der einstigen Tharandter Burg- und Schlossanlage in Thomas Schönbergs Tisch- und Hängeleuchten. Ende des 16. Jahrhunderts nämlich hatte der sächsische Hof die nach einem Blitzschlag schwer beschädigte Anlage als Baumaterial für die Stadtbewohner freigegeben.

Nun lässt sich trefflich spekulieren, ob die Bruchsteine, Balken, Dielenbretter oder Einschübe, von denen sich Schönberg einen großen Vorrat zugelegt hat, einst Teil der kurfürstlichen Gemächer gewesen sind. Gut möglich ist es. Schönberg greift indes auch auf jüngere Fundstücke zurück, wie Eisenklammern, Nägel oder Abflussrohre aus Gusseißen, die ihm als Accessoires für seine Kreationen dienen.

Schönbergs Signatur, die er in das Holz brennt, sind sein Kürzel und die Jahreszahl 1595. Das könnte einmal sein Markenzeichen werden. Momentan allerdings, betont er, sei das Kunsthandwerk ausschließlich sein Hobby. „Ich lerne noch viel dazu“, sagt Schönberg, der erst durch den Abriss des Hauses überhaupt auf die Idee mit den Lampen kam: „Ich fand das schöne Holz zu schade, um es nur zu verfeuern.“

Handwerklich begabt indes ist er, das hat er bereits beim Bau seines eigenen Hauses bewiesen, den er alleine bewerkstelligte – in nur einem Jahr, neben seiner eigentlichen Arbeit. Auch die angemietete Werkstatt in der ehemaligen Tischlerei Burkhardt baute er selbst aus. Dort hat Schönberg nun genügend Platz, um seine Ideen umzusetzen. „Ich sehe das Material und weiß, was daraus werden kann“, sagt er. Derzeit auch mal ein Engel oder eine Kerze aus Holz, passend zum Advent.

Seine Brötchen verdient der Vater von drei Kindern mit dem Ausfahren von Waschmaschinen, Trocknern oder Geschirrspülmaschinen für eine Freitaler Werkstatt. Es ist nicht seine erste berufliche Station. Im Edelstahlwerk lernte Schönberg kurz vor der Wende den Beruf eines Glühers, hatte aber im Zuge des Personalabbaus nach der Privatisierung keine Chance auf eine Weiterbeschäftigung.

Nach einigen Intermezzi, unter anderem als Fahrer für einen Zahntechniker und als Bauarbeiter, fing er als Verkäufer bei einem Auktionator an, der das Inventar insolventer Unternehmen meistbietend veräußert. Das brachte Thomas Schönberg auf eine eigene Geschäftsidee. Mit seinem Schwiegervater eröffnete er in einem Gebäude der ehemaligen BHG neben dem Tharandter Bahnhof einen Insolvenzhandel. Das lief lange gut – bis der Bau des Radweges begann. „Unser Geschäft befand sich mehr als ein halbes Jahr lang mitten in der Bauampel“, sagt Schönberg. „Die Autofahrer waren froh, wenn sie endlich Grün hatten, da hielt doch keiner mehr an.“

Im vergangenen Jahr zog Thomas Schönberg deshalb aus wirtschaftlichen Gründen die Reißleine. Einen neuen Job fand er schnell und widmet sich nun in seiner Freizeit seiner Passion. Für seine Objekte verarbeitet er inzwischen nicht mehr nur Abrissholz. Er verhalf auch einem ausgehöhlten Walnussstamm zu neuem Leben, einem selten dicken Mahagoniblock oder auch einer gebrauchten Gerüstbohle. Jüngst schenkte ihm einer den Stamm eines wilden Weines – für mehr schöne Leuchten mit dem Signum 1595.