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Nicht ganz Ikea, aber kurz davor

Das Bauhaus wurde zu einer der wichtigsten Kunstschulen der Welt. Dahinter stand auch die Idee, Design für viele zu machen. Das gelang nicht ganz.

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Eins der wenigen Bauhaus-Produkte, die sich wirklich massenhaft durchgesetzt haben, ist der Stahlrohr-Sessel von Marcel Breuer. Die Dame auf dem historischen
Foto von 1926 trägt
übrigens auch im Gesicht Bauhaus: eine Bühnenmaske von Oskar
Schlemmer.
Eins der wenigen Bauhaus-Produkte, die sich wirklich massenhaft durchgesetzt haben, ist der Stahlrohr-Sessel von Marcel Breuer. Die Dame auf dem historischen Foto von 1926 trägt übrigens auch im Gesicht Bauhaus: eine Bühnenmaske von Oskar Schlemmer. © Archiv/dpa

Von Julia Kilian

Wer heute ein Stück Bauhaus will, stellt sich zum Beispiel die Kugellampe ins Wohnzimmer. Oben rundes Glas und unten ein Metallfuß. Die Wagenfeld-Leuchte ist eines der Designbeispiele für das Bauhaus, ebenso der Stahlrohrstuhl Freischwinger. Mit der Gründung der Kunstschule hat Architekt Walter Gropius vor 100 Jahren Geschichte geschrieben. Am Mittwoch wird in der Berliner Akademie der Künste das Jubiläumsjahr eröffnet. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kommt.

Aber Bauhaus – was war das eigentlich?

„Ich finde es immer extrem schwierig, von ,dem Bauhaus‘ zu sprechen“, sagt Architekt Philipp Oswalt, der an der Universität Kassel unterrichtet. Das Bauhaus habe zwar nur 14 Jahre bestanden, bis es unter dem Druck der Nationalsozialisten geschlossen wurde. „Aber die Entwicklung ist sehr dynamisch gewesen.“ Heute denkt man an klare Linien und Grundfarben. Die Kinderwiege von Peter Keler etwa besteht aus Kreisen, Dreiecken, Rechtecken. Das typische Bild von Wohnsiedlungen zeigt weiße Fassade und Flachdach. Dass vor allem solche Beispiele in den Köpfen geblieben sind, ärgert manchen Experten.

Als Gropius 1919 in Weimar das „Staatliche Bauhaus“ gründet, haben die Menschen gerade den Ersten Weltkrieg hinter sich. Und Deutschland schafft seine erste Demokratie, die nur kurz währen soll. Die neue Kunsthochschule in Thüringen will Handwerk, Architektur, Kunst und Leben verbinden. Als Versuchslabor für eine neue, humanere Gestaltung der Gesellschaft. Lehrer wie Lyonel Feininger, Paul Klee, Wassily Kandinsky und László Moholy-Nagy machen sie im Laufe der Zeit zum Treffpunkt der Avantgarde.

„Die Schule will natürlich auch Gestalter ausbilden“, sagt Oswalt. Aber es habe die Idee gegeben, den Alltag und die Gesellschaft zu verändern. „Das ist etwas, was man mit dem Bauhaus sehr stark verbindet: Die Erwartung, dass der Gestalter in die Gesellschaft hineinwirkt und zur Verbesserung der Alltagswelt beiträgt.“ 1923 kommt der Slogan „Kunst und Technik – eine neue Einheit“ auf. Dort schwingt wiederum die Vision einer „technisch-künstlerischen Elite“ mit, einer „Expertokratie“, kritisiert Philipp Oswalt. Hat die Gruppe wirklich Design für den Alltag von vielen gemacht – oder doch nicht?

Bis die Nazis das Bauhaus entsorgten „Die Bauhäusler haben zwar versucht, die Dinge in Kooperation mit der Industrie seriell aufzulegen und einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen“, erklärt Kuratorin Nina Wiedemeyer, die für das Bauhaus-Archiv Berlin eine Jubiläumsausstellung plant. Aber man dürfe das nicht am heutigen Maßstab messen. „Die uns heute am meisten bekannten Bauhaus-,Ikonen‘ wie Breuers Stahlrohrsessel oder die Wagenfeld-Lampe waren schon damals recht teuer“, erklärt Wiedemeyer. „Der Grund war natürlich das teure Material, das verarbeitet wurde, die kleine Auflage und die Handanfertigung. Es gab keine industrielle Massenproduktion.“

Aus ihrer Sicht wirkt aber vieles nach: „Alleine die Tatsache, dass die Ideen des Bauhauses bis heute wirken und so viele Designer auf der Welt inspirieren, zeigt doch: Das Versprechen, Design für den Alltag und für viele zu machen, wurde eingelöst“. Einen Bestseller habe es später doch gegeben. Die Tapete. Das erklärt auch Architekt Oswalt. Der zweite Bauhaus-Direktor Hannes Meyer habe das Ziel „Volksbedarf statt Luxusbedarf“ verfolgt. Die Tapeten seien viel produziert worden. „Es ist noch nicht Ikea, aber kurz davor.“

Auch Architekten denken Wohnen neu, etwa mit der Siedlung Dessau-Törten oder dem Weimarer Musterhaus „Am Horn“. Die Unesco zählt die Bauhaus-Stätten in Weimar, Dessau und Bernau zum Welterbe: „Die Bauwerke basieren auf dem Funktionsprinzip, die Form der Gebäude verweigert sich den traditionellen, historischen Repräsentationssymbolen.“

Das Bauhaus zieht im Laufe der Jahre mehrmals unter politischem Druck um. Von Weimar nach Dessau nach Berlin. Dort durchsucht die Polizei 1933 das Gebäude, Studierende werden festgenommen. Im Juli löst sich das Bauhaus auf. Die Nazis stufen Werke einiger Künstler später als „entartete Kunst“ ein. Viele Künstler gehen ins Ausland.

Heute findet man Bauhaus auch in Chicago oder in der „Weißen Stadt“ von Tel Aviv. Das Bauhaus sei vielleicht „der bedeutendste deutsche Kulturexport in die Welt im 20. Jahrhundert“, sagte Architekturhistoriker Winfried Nerdinger. Doch zuletzt gab es wieder Debatten, weil die Stiftung Bauhaus Dessau ein Konzert der linken Punkband Feine Sahne Fischfilet abgesagt hatte. Direktorin Claudia Perren befürchtete Demonstrationen vor der Tür, nachdem rechte Gruppierungen gegen das Konzert mobil gemacht hatten. Die Stiftung erklärte, die Schule als Unesco-Welterbestätte solle nicht zum Austragungsort politischer Agitation und Aggression werden.

Viele Kulturschaffende haben die Absage kritisiert. „Das Bauhaus ist ein politischer Ort und war ein politischer Ort“, hatte Annemarie Jaeggi betont, Direktorin des Bauhaus-Archivs.

Zum Jubiläum ist nun viel Programm geplant. Drei neue Museen entstehen in Weimar, Dessau und Berlin, 52 Millionen Euro gibt es dazu vom Bund. Der Einfluss auf Tanz, Theater, Film und Musik soll ebenfalls beleuchtet werden. Bei einer „Grand Tour der Moderne“ können Fans 100 Orte erkunden. Der Reiseführer Lonely Planet empfiehlt Deutschland, auch eine TV-Serie und ein Fernsehfilm sind geplant.

Eine Lampe sagt: Ich bin modern

Kuratorin Nina Wiedemeyer sieht derzeit das Problem, dass vieles aus der Moderne automatisch mit dem Bauhaus gleichgesetzt wird. „Weil man mittlerweile glaubt, dass ein Haus mit flachem Dach schon Bauhaus ist.“ Damit machten viele Werbung. Das kennt auch Architekt Philipp Oswalt, der früher mal Bauhaus-Direktor in Dessau war, dessen Vertrag aber nicht verlängert wurde. Heute werde oft ein Mythos beschworen. „Es werden immer die gleichen Produkte hoch und runter gebetet.“ Das Interessante am Bauhaus seien aber die Suche und das Widersprüchliche, auch das Scheitern und die Krisen.

Viele Objekte sind Lifestyle-Produkte gewesen und bis heute geblieben. Bei der Wagenfeld-Lampe gibt es eine Ironie: Man habe anfangs versucht, sie als Nachttisch- oder Schreibtischlampe zu verkaufen. „So funktioniert sie aber gar nicht“, erklärt Oswalt. Denn die Lampe eigne sich weniger zum Lesen, da sie nur ein diffuses Licht schafft. „Nichtsdestotrotz gab es Bedarf daran. Und in einer Weise ist sie ein leuchtendes Markenzeichen, das da sagt: Ich bin Bauhaus. Ich bin moderne Skulptur. (dpa)