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Nicht nur Schnitzen hält Sepp jung

Mein Großvater hat immer zu mir gesagt: ,Was du erlebt hast, musst du alles mal aufschreiben“, erinnert sich Joseph Hegewald. Gemeint waren damals vor allem die Kriegs- und Nachkriegserlebnisse. Als 15-Jähriger...

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Von Madeleine Siegl-Mickisch

Mein Großvater hat immer zu mir gesagt: ,Was du erlebt hast, musst du alles mal aufschreiben“, erinnert sich Joseph Hegewald. Gemeint waren damals vor allem die Kriegs- und Nachkriegserlebnisse. Als 15-Jähriger hatte der gebürtige Schlesier noch in den Krieg ziehen müssen und war in Gefangenschaft geraten. Als er endlich heim konnte, war er quasi über Nacht zum Fremden in der Heimat, in der jetzt Polen siedelten, geworden. So kam Hegewald als Umsiedler in die Oberlausitz.

Anfangs tat er sich schwer, hier heimisch zu werden. Doch da gab es noch einen Schatz, den seine Mutter in einer Kiste über all die Wirren dieser Zeit bewahrt hatte: seine Schnitzmesser und einige Schnitzarbeiten aus seiner Kindheit. Denn bereits als Neunjähriger hatte er sich beim Kühehüten die Zeit mit Schnitzen vertrieben. Eine lustige Kapelle aus Stockmännchen ist dabei zum Beispiel entstanden.

So fing er an, sich seine neue Heimat schnitzenderweise zu erschließen — und fand durch die Beschäftigung mit der Natur, mit Sagen und Bräuchen heraus, dass sie der seinen ja gar nicht so fremd war. Nicht immer ließen Alltag und Berufsleben Zeit fürs Hobby. Als Besamungstechniker fuhr Joseph Hegewald im Kreis Löbau viele Jahre mit dem Moped über Land. Er studierte nebenbei Landwirtschaft, war später Hauptzootechniker und zuletzt Direktor für Kooperation im damaligen Molkereikombinat.

In den 80er Jahren rieten ihm die Ärzte, auf Grund seines Gesundheitszustandes aufzuhören. „Damals habe ich mich wieder aufs Schnitzen besonnen“, sagt Hegewald und erzählt schmunzelnd, wie ihn seine damalige Frau mit dem Schnitzmesser und verbundenem Finger bei seinen ersten Versuchen im Wohnzimmer vor fand. „Mein erstes Exponat habe ich damals meinem Arzt geschenkt“, weiß er noch heute.

Aus dem wiederentdeckten Hobby wurde mit der Zeit ein Nebenerwerb. In Seitschen, wohin er zu seiner Lebensgefährtin gezogen war, richtete er sich eine Werkstatt ein. Hier entstanden Tiergestalten, Sagenfiguren wie Rübezahl, Karasek oder Kräuterfrau, Räuchermänner, Nussknacker, aber auch sakrale Figuren. „Wir haben bis zu 50 Geschäfte in der Oberlausitz beliefert.“

Inzwischen ist es still geworden in der Werkstatt. Vor drei Jahren erlitt Joseph Hegewald, der diesesJahr 75 wird, einen Schlaganfall. Seitdem ruhen die Schnitzmesser. Trotzdem hat ihn sein Hobby, das er sehr mit seiner Liebe zur Natur verband, nicht losgelassen. Gern wollte er etwas davon weitergeben. Diesen Wunsch hat er sich jetzt erfüllt. Gerade ist sein „Niederschlesisch-Oberlausitzer Holzbastelbuch für Groß und Klein“ erschienen. Darin erklärt er nicht nur verschiedene Holzbastelarbeiten, sondern erzählt viele Tiergeschichten, die auf eigenen Erlebnissen beruhen.

Doch das Holzbastelbuch ist nicht sein erstes Werk, wenn auch das, was ihm am meisten am Herzen liegt. Bereits vor Jahren hat er sich dessen besonnen, was ihm einst sein Großvater geraten hatte. Außerdem „hat mich beunruhigt, was so geredet wurde“, sagt er mit Blick auf aktuelle Debatten über die Geschehnisse im Zweiten Weltkrieg und die Zeit der Vertreibung. „Ich wollte schreiben, was ich tatsächlich erlebt habe.“ So entstand sein autobiografischer Roman „Gestohlene Jugendjahre“. Wenig später folgte unter dem Titel „Schutzengel wider Teufel und Tod“ eine Sammlung von Geschichten aus seinem Leben. Mittlerweile hat Opa Sepp, wie er sich im Buchuntertitel nennt, schon wieder Material für ein weiteres Buch in petto.

Wer Interesse an seinen Büchern hat, kann sich an Joseph Hegewald wenden, 035930/5 03 48.