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Note 1 für zwei Dresdner Lehrerinnen

Anja Unger und Sonja Hannemann erhalten den Deutschen Lehrerpreis. Dabei ist ihr Erfolgsrezept überraschend einfach.

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Dominique Bielmeier

Wer Anja Unger in ihrer 11. Klasse erlebt, merkt schnell, dass zwischen der Lehrerin und ihren Schülern ein besonderes Verhältnis besteht. Die jungen Menschen bringen ihr erstaunlich viel Vertrauen entgegen: Sie berichten von Misserfolgen und erzählen, dass sie sich in diesem Jahr vorgenommen haben, mehr zu lernen. Das alles in einer Deutschstunde in der Oberstufe, wo es sonst darum geht, so viel Literatur wie möglich zu lesen und zu interpretieren. Aber die 41-jährige Lehrerin für Deutsch und Geschichte hält nichts davon, für die Schüler nur ein Apparat zur Wissensvermittlung zu sein: „Der Schüler muss von mir nicht erfahren, welches Ereignis wann war“, so Unger. „Dazu schaut er einfach im PC nach. Aber er braucht mich als Lehrer, um kritisch mit dem Medium umzugehen, Informationen einzuordnen und bewusst Entscheidungen zu treffen. Das ist die Aufgabe des Lehrers heute.“

Für Sonja Hannemann ist ein guter Lehrer jemand, der nicht nur Begeisterung für sein Fach, sondern vor allem für die Arbeit mit jungen Leuten mitbringt. Foto: Sven Ellger
Für Sonja Hannemann ist ein guter Lehrer jemand, der nicht nur Begeisterung für sein Fach, sondern vor allem für die Arbeit mit jungen Leuten mitbringt. Foto: Sven Ellger

Unger unterrichtet seit vier Jahren am Beruflichen Gymnasium des Schulzentrums für Gastgewerbe „Ernst Lößnitzer“. Sie sichtet auch die Bewerbungen der Schüler, die nach der Mittleren Reife oder einer Berufsausbildung an das Berufliche Gymnasium wechseln. Daher kennt sie die Geschichte jedes Einzelnen, der vor ihr sitzt und kann individuell auf die Bedürfnisse der jungen Menschen eingehen.

Das wissen scheinbar auch ihre Schüler zu schätzen. Diese haben Unger nämlich heimlich für den Deutschen Lehrerpreis vorgeschlagen – und waren damit erfolgreich. Der Preis ehrt besonderes pädagogisches Engagement und innovative Lehrformate. Seit 2009 wird die Auszeichnung jährlich vom Deutschen Philologenverband und der Vodafone Stiftung Deutschland verliehen. „Schüler zeichnen Lehrer aus“ ist dabei eine besondere Kategorie. Hier schlagen Schüler der Abschlussklassen selbst Lehrer vor, die sie besonders unterstützt oder motiviert haben. Aus etwa 2 800 Einreichungen in diesem Jahr wurden von einer Expertenjury 16 Preisträger ausgewählt und gestern in Berlin geehrt. Darunter zwei Dresdnerinnen, die beweisen: Auch ohne den Unterricht neu zu erfinden, kann man bei seinen Schülern einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Als Anja Unger nach den Herbstferien den Brief der Vodafone-Stiftung erhält, ist sie „ganz aus dem Häuschen“: „Das ist ein wirklich außergewöhnliches Ereignis im Lehrerberuf.“ Besonders das Lob der Schüler rührt sie. So schreibt ein Abiturient in seiner Bewertung: „Sie motivierten uns, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, mit offenen Ohren unseren Vorfahren zuzuhören und den Mund zu öffnen, um nicht zu vergessen.“ Junge Menschen zu motivieren, ist Unger besonders wichtig: „Ich will ihre Stärken fördern und nicht nur schauen, was sie nicht können.“

Dabei unternimmt sie auch außerhalb des Unterrichts viel mit ihren Schülern. Mit einer 11. Klasse entwickelte sie ein Theaterstück über die DDR, aus dem ein Hörspiel und ein Film entstanden. In dieses Projekt flossen neben vielen Unterrichtsstunden auch einige Nachmittage ein, an denen Unger eigentlich freigehabt hätte.

Motivieren, auf den einzelnen Schüler eingehen und ihn zum selbstständigen Denken befähigen – diese Qualitäten eines Lehrers sind auch Sonja Hannemann wichtig. Die 37-Jährige unterrichtet seit acht Jahren Französisch und Englisch am Romain-Rolland-Gymnasium in Dresden. Als Vertrauenslehrerin hat auch sie einen besonders engen Kontakt zu ihren Schülern, organisiert beispielsweise Schülerratsfahrten mit ihnen. Zwei ehemalige Schülersprecherinnen haben sie schließlich für den Lehrerpreis vorgeschlagen.

„Damit wollten wir uns ganz herzlich für alles, was sie für uns während der Schulzeit getan hat, bedanken“, erklärt Hannemanns ehemalige Schülerin Kim Hoan Vu. „Sie engagiert sich sehr für das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern, auch wenn sie es als Vertrauenslehrerin nicht immer leicht hat.“ Die Schülerin hat auch nach ihrem Abitur noch ein sehr gutes Verhältnis zu Hannemann, war sogar bei der Preisverleihung in Berlin dabei.

„Es ist sehr unterschiedlich, welches Schülerbild ein Lehrer hat“, so Hannemann. Viele bevorzugten disziplinierte und angepasste Schüler. „Aber ich habe lieber Schüler, die kritisch sind, auch mal protestieren und etwas einfordern, die aber auch Lust haben, sich zu engagieren.“ Für so viel Vertrauen in ihre Schüler wird die Lehrerin auch mal zum Tanzstundenabschlussball eingeladen. „Das sind zusätzliche lustige Dinge, die man als Lehrer machen kann“, sagt Hannemann und lächelt.

Das Geheimnis des beruflichen Erfolges von Sonja Hannemann und Anja Unger scheint in einem einfachen Satz zu liegen, den man von beiden Frauen hört: „Ich bin einfach sehr gerne Lehrerin.“