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Nun fährt er ein – ohne Auto

Elfeinhalb Jahre seines Lebens verbrachte ein Radebeuler im Gefängnis. Jetzt rückt der 29-Jährige wieder ein.

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Von Jürgen Müller

Der 29-jährige Radebeuler Michael Schiffer kann es einfach nicht lassen, das Autofahren. Was im Normalfall nicht schlimm ist, endet für den Mann regelmäßig in der Katastrophe. Denn er hat keine Fahrerlaubnis, fährt aber trotzdem immer wieder. Dass er auch schon einen Menschen auf dem Gewissen hat, den er mit dem Auto totfuhr, kratzt ihn überhaupt nicht. Gesetze und Vorschriften sind nur für andere da. Er hat keine Fahrerlaubnis, na und? Schiffer ist ein notorischer Wiederholungstäter, der permanent die Rechtsordnung verletzt.

Bei einer Fahrt mit einem Golf, den er - obwohl er keine Fahrerlaubnis besitzt - ein paar Tage zuvor gekauft hatte, wird er mal wieder von der Polizei erwischt. Dennoch bestreitet er vor Gericht die Tat. Die Verteidigung bietet sogar eine Zeugin - wohl die Freundin des Angeklagten - auf, die aussagen soll, dass er an jenem Tag nicht gefahren sei.

Er ist jeden Tag gefahren

Doch zunächst wird ein anderer Zeuge gehört. Es ist derjenige, von dem er das Auto kaufte. Dass der Angeklagte keine Fahrerlaubnis hatte, will der 58-Jährige nicht gewusst haben. „Ich habe mir keinen Führerschein zeigen lassen. Er fuhr doch ständig mit dem Moped und mit anderen Fahrzeugen“, sagt er und ging selbstverständlich davon aus, dass der Mann das auch darf. Darauf hätte er allerdings nicht vertrauen dürfen, sondern sich zuvor erst den Führerschein zeigen lassen müssen, belehrt ihn der Richter.

Das Auto hatte der Zeuge auf den Hof gestellt mit dem Schild, dass er es verkaufen wolle. Schiffer wollte den Golf unbedingt haben. Am 22. Juli wurde der Kaufvertrag abgeschlossen. 1 000 Euro sollte der Angeklagte in 100-Euro-Raten zahlen. Tatsächlich bezahlt hat er zwei Raten, seitdem nichts mehr. Angeblich hat er das Auto inzwischen abgemeldet. Gut zwei Wochen, nachdem er das Auto gekauft hatte, wurde er erwischt. Der Zeuge, der im gleichen Haus wie der Angeklagte wohnt, sagt, dass dieser seit dem Kauf jeden Tag mit dem Auto gefahren sei.

Das reicht dem Richter. Er will verhindern, dass andere Zeugen eine Falschaussage und sich damit selbst strafbar machen. Deshalb bietet er an, gegen den Angeklagten bei einem Geständnis eine Strafe von nicht mehr als vier Monaten zu verhängen. Klingt viel, ist es aber nicht. Theoretisch sind bis zu zwölf Monate drin.

Das Gefängnis kennt der junge Mann ja schon bestens. Bereits vor 13 Jahren wurde er wegen Raubes zu einer Jugendstrafe verurteilt. Die Bewährung wurde widerrufen, er saß die Haft ab. Ähnliches wiederholte sich drei Jahre später. Wegen fahrlässiger Tötung, Gefährdung des Straßenverkehrs und Fahrens ohne Fahrerlaubnis erhielt er zwei Jahre Jugendstrafe, die er zum Teil absaß. Der Rest wurde zur Bewährung erlassen. Wieder bewährte er sich nicht und saß den Rest auch noch ab. Wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 25 Fällen sowie Betruges gab es weitere zwei Jahre und sechs Monate. Auch die vier Jahre, die er wegen Betruges in 43 Fällen aufgebrummt bekam, verbüßte er vollständig, ebenso wie ein weiteres Jahr wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Im Gefängnis handelte er dann mit Haschisch, das er in Margarinedosen im Kühlschrank versteckte und auf „Kommissionsbasis“ verkaufte. Der Richter am Amtsgericht Bautzen brachte es doch tatsächlich fertig, trotz der Vorstrafen und der Tatsache, dass er während der Haft erneut straffällig wurde, nur die Mindeststrafe von einem Jahr zu verhängen und diese auch noch für drei Jahre zur Bewährung auszusetzen. Während der neuen Tat stand Schiffer unter Führungsaufsicht. Das Landgericht Görlitz hatte ausdrücklich angewiesen, dass er während dieser Zeit nicht mit dem Auto fahren darf.

Selbst Gefängnis hält ihn nicht von neuen Straftaten ab. Ein Gutes hatte die Haft wenigstens für ihn: Er holte im Gefängnis die 9. Klasse nach und machte eine Berufsausbildung, was er im richtigen Leben nicht schaffte.

Schon wieder eine neue Anklage

Letztlich gibt der Angeklagte zu, dass er an jenem Tag gefahren ist, erkauft sich so mit den vier Monaten ein mildes Urteil. Der Richter hat schon berücksichtigt, dass es für Schiffer noch viel dicker kommt. Denn er stand unter Bewährung. So wird er eine weitere Strafe von einem Jahr zusätzlich absitzen. Außerdem verhängt der Richter eine Fahrerlaubnissperre von fünf Jahren, die längste Sperrfrist, die möglich ist.

Ob es dabei bleibt, ist fraglich. Es gibt schon wieder eine neue Anklage: wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis.