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Nur wer brennt, kann ausbrennen

Dieter Höntsch ist Fachmann für Burnout-Prävention. Er hat jahrelang selbst unter dieser Krankheit gelitten.

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© Arvid Müller

Von Wolf Dieter Liebschner

Weinböhla. Freundlich, zuvorkommend, kommunikativ, kompetent. Das ist der erste Eindruck von Dieter Höntsch. Im Gespräch mit dem Weinböhlaer festigt sich dieser Eindruck. Das war nicht immer so. Jahrelang war der promovierte Informatiker phasenweise immer wieder von Angstzuständen und innerer Unruhe zerfressen, hatte massive Schlafstörungen, musste sich krankschreiben lassen.

„Dr. Dieter Höntsch – Vorträge, Seminare, Coaching, Moderation und Beratung“, steht auf seiner Visitenkarte. Konkret geht es unter anderem um Burnout-Prävention. Seit Mitte 2015 ist der 58-Jährige selbstständig. Ein Schritt, den mancher in seinem Alter nicht mehr wagen würde. Wenn er über Burnout redet, weiß er ganz genau, wovon er spricht. Wichtig ist ihm vor allem, auf der Grundlage seiner Erfahrungen, Unternehmen, Verwaltungen und Beschäftigte dabei zu unterstützen, Situationen, wie er sie erlebt hat, zu vermeiden oder zu überwinden.

„Die ersten Symptome traten 2005 auf“, erzählt er. Zu dieser Zeit war er mit der Bereitstellung komplexer Softwaresysteme für den kommunalen Bereich befasst. Als Abteilungsleiter hatte er 26 Mitarbeiter unter sich. „Die typische Sandwich-Situation, in die man in der mittleren Leitungsebene schnell geraten kann“, sagt er. Die Krankheit verschlimmerte sich, die Symptome traten häufiger auf, auch die Krankschreibungen. „2012 war meine Situation sehr kritisch“, erinnert sich Höntsch. „2013 war ich neun Monate krank. Und danach arbeitslos.“ Die Firma betrachtete ihn wohl als zu großen Risikofaktor.

Die Krise als Chance begriffen

Nach 30 Jahren im Angestelltenverhältnis war der Arbeitsplatzverlust ein weiterer Rückschlag. „Das war wie Fallschirmspringen ohne Fallschirm.“ So beschreibt es Höntsch selbst. Bis dahin hatte er an Veränderungen kaum gedacht. „Wir haben doch alle unser eigenes Lebensmuster“, sagt er. „Für mich stand die Existenzsicherung der Familie und die Verantwortung für die Mitarbeiter vornan. Dem wollte ich mich stellen bis zum Gehtnichtmehr.“ Diese selbstgestellten Aufgaben haben sein Leben über die Maßen bestimmt. „Nur wer brennt, kann ausbrennen“, sagt er.

Höntsch war in einer Spirale gefangen. Einer Spirale, die stetig nach unten führt. „Gerettet hat mich ein Traum, den ich schon länger hatte. Ich wollte als selbstständiger Coach arbeiten, hatte aber den Mut noch nicht.“

Auch wenn das vielleicht wie ein Allgemeinplatz klingt: Höntsch hat die Krise als Chance begriffen, war an diesem So-geht-es-nicht-mehr-weiter-Punkt angekommen. Mit dem neuen Bild seines künftigen Lebens und der Unterstützung von Familie und Freunden kamen Begeisterung und Energie zurück. Bei privaten Anbietern ließ er sich ausbilden, musste dies aus eigener Tasche bezahlen, denn als Arbeitsloser war er nicht förderfähig. „Allein 2015 habe ich für verschiedene Kurse 15 000 Euro ausgegeben“, sagt Höntsch.

Auf Messen und Kongressen präsent

Der erste Anlauf schlug fehl. Seine Angebote an verschiedene Weiterbildungsträger wurden nicht ausreichend gebucht. „Die Inhalte habe ich danach kaum verändert, gehe jetzt aber direkt auf Unternehmen und Wirtschaftsorganisationen der Region zu“, sagt Höntsch. Überdies präsentiert er seine Angebote bei Messen, Kongressen oder auch dem Wirtschaftstag des Landkreises Meißen, der kürzlich in Riesa stattfand. Seine Themen sind der Umgang mit Belastungssituationen, die Lösung von Spannungen, die Mediation bei akuten Konflikten und Ähnliches. „Unternehmenskultur ist ein großes Wort, aber sie muss gelebt werden“, sagt Höntsch. „So, dass Arbeitgeber und Mitarbeiter gleichermaßen davon profitieren.“

Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Höntsch zitiert aus einer Studie des deutschen Gallup-Instituts von 2015, nach der „15 Prozent der Beschäftigten zu den Mitarbeitern zählen, die bereits innerlich gekündigt haben. Und mehr als zwei Drittel der Beschäftigten machen lediglich Dienst nach Vorschrift. Die hohe Zahl von inneren Kündigern kostet die deutsche Wirtschaft jährlich zwischen 73 und 95 Milliarden Euro“. An Veränderungen daran will Höntsch mitarbeiten.

„Erste Buchungen gibt es schon, aber noch kann ich davon nicht leben“, sagt er. „Man geht von etwa drei Jahren aus, bis das der Fall ist. Ich will es schneller schaffen.“ Einen Erfolg kann er aber schon verbuchen. Er hat sein Leben radikal verändert, hat sich von Burnout befreit.