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Obama am Abgrund

Den USA droht im Haushaltsstreit wieder einmal der finanzielle Kollaps. Die erste Hürde kommt am Dienstag.

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© AFP

Peer Meinert, Washington

Es ist wieder einmal so weit: Im Kampf zwischen US-Präsident Barack Obama und den Republikanern läuft alles auf das große Finale zu. Wenn es im Etatstreit nicht doch noch eine Einigung in letzter Minute gibt, geht der Regierung am kommenden Dienstag das Geld aus. Die Folgen: Beamte müssen in Zwangsurlaub, Ämter bleiben geschlossen, Soldaten erhalten nicht rechtzeitig ihren Sold. Beobachter sprechen von „italienischen Verhältnissen“. Doch warum passiert so etwas in den USA? Und warum gibt es in Washington fast jedes Jahr das gleiche Theater?

Tatsächlich sind die Fronten im politischen Washington seit der Wahl Obamas 2008 völlig verhärtet. Schon Wochen nach seinem Amtsantritt formierte sich die radikalfundamentalistische Tea-Party-Bewegung. Ihr Credo: gegen „Big Government“, für niedrige Steuern. Doch in Wahrheit hat die Bewegung nur ein Ziel: Obama möglichst viele Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Das Wort Kompromiss ist für die Tea-Party zum Schimpfwort geworden. Ein weiteres rotes Tuch ist die Gesundheitsreform – der Kampf der Republikaner dagegen mutet geradezu zwanghaft an.

Hinzu kommt ein Höchstmaß an politischer Trickserei. Jüngstes Beispiel: So haben die Republikaner zwar im Repräsentantenhaus einen Etat gebilligt, doch den Gesetzentwurf hintersinnig mit umfangreichen Kürzungen für die Gesundheitsreform („Obamacare“) verbunden. Im Kern wollen sie das wichtigste Reformwerk Obamas auf diese Weise zu Fall bringen. Das ist für den Präsidenten und seine Demokraten unannehmbar. Obama macht klipp und klar deutlich, dass es keine Verhandlungen über die Gesundheitsreform geben werde.

Das Szenario, das sich nun abspielen wird, sieht wie folgt aus: Die Demokraten im Senat werden den Etatentwurf der Republikaner annehmen, die Verbindung zu „Obamacare“ jedoch streichen. Das dürfte im Laufe des Wochenendes geschehen. Dann liegt der Ball im republikanisch beherrschten Repräsentantenhaus. Entweder die Republikaner winken den Entwurf durch – oder drehen der Regierung den Geldhahn ab.

Auch höchst hintersinnige Gedanken spielen eine Rolle. Die frühere Senatorin und Außenministerin Hillary Clinton etwa äußerte sich laut „Washington Post“ wie folgt: „Es wäre nicht das Schlechteste für die Demokraten, wenn sie (die Republikaner) versuchen, die Regierungsarbeit zu lähmen (...). Wir haben das ja schon mal gesehen.“

Tatsächlich pokern die Republikaner hoch. Mitte der 90er-Jahre hatten sie schon einmal einen „Government Shutdown“ erzwungen. Zeitweise standen die Regierungsräder für drei Wochen still. Doch geschadet hatte das vor allem den Republikanern. Präsident Bill Clinton ging gestärkt aus der Auseinandersetzung hervor.

Doch es kann alles noch viel schlimmer kommen. Bereits Mitte Oktober steht ein neues, noch dramatischeres Kräftemessen bevor. Bis zum 17. Oktober muss das Schuldenlimit der USA erhöht werden, das derzeit bei 16,7 Billionen Dollar (rund 12,4 Billionen Euro) liegt. So, wie es aussieht, wollen die Republikaner das zum ganz großen Kampf werden lassen.

Bei diesem Streit steht deutlich mehr auf dem Spiel als beim Ringen um den Etat. „Ein Government Shutdown ist nicht das Ende der Welt“, meint Expertin Isabel Swahill vom Washingtoner Brookings Institut. „Es ist nur eine schlechte Art, die Regierung zu führen.“ Doch wenn die USA kein frisches Geld mehr aufnehmen können, bedeute das die Zahlungsunfähigkeit der weltgrößten Volkswirtschaft. Und das „kann eine Finanzkrise auslösen, sogar eine Depression“. (dpa)