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Oberbürgermeister bindet sich ein Buch

Auch Dresdner, Meißner, Riesaer probieren sich derzeit beim „KreaTIEFgang“ aus. Solch einen Komplexworkshop gibt es selten.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Großenhain. Graffiti war als erstes voll. Für den Workshop mit Sebastian Bieler hatten sich rasch ein Dutzend Kinder und Jugendliche angemeldet. Denn sie haben diesmal die Chance, Platten frei Hand zu besprühen oder mit Lackstiften zu gestalten, und sie schließlich nach Hause mitzunehmen.

Wasser, Seife, Wolle sowie Geduld und Muskelkraft braucht man beim Filzen. Celine (11) probierte es aus, angeleitet von Kostüm- und Bühnenbildnerin Sylvia Fenk.
Wasser, Seife, Wolle sowie Geduld und Muskelkraft braucht man beim Filzen. Celine (11) probierte es aus, angeleitet von Kostüm- und Bühnenbildnerin Sylvia Fenk. © Klaus-Dieter Brühl
Ein selbst hergestelltes Notizbuch ist immer etwas Besonderes. Auch Tara (11) aus Meißen hatte sich für den Buchbinder-Kurs eingeschrieben.
Ein selbst hergestelltes Notizbuch ist immer etwas Besonderes. Auch Tara (11) aus Meißen hatte sich für den Buchbinder-Kurs eingeschrieben. © Klaus-Dieter Brühl

„Wir bieten hier nicht nur eine sinnvolle kreative Beschäftigung für die Kids am verlängerten Wochenende“, sagt der Großenhainer Künstler. Das Graffiti hat für die Heranwachsenden auch den Reiz, dass sie sich in der Gruppe frei entfalten und eigene Motive sprühen dürfen. Justin (13) hat zum Beispiel eine Blume gestaltet, Eric (14) versucht sich an Donald Duck. Und machen sie Fehler wird das nicht streng wie im Kunstunterricht der Schule geahndet. „Sie dürfen dann einfach noch mal probieren“, gibt sich Kursleiter Bieler locker.

Insgesamt 53 Teilnehmer zog der Komplexworkshop „KreaTIEFgang“ wieder an – auch aus Dresden, Meißen oder Riesa. Die Jüngsten sind Grundschüler, die ältesten schon über 70 Jahre. Sechs künstlerische Bereiche stehen zur Auswahl – und so mancher kommt jedes Jahr und macht immer etwas anderes. Familie Rohm aus Kalkreuth ist zum Beispiel zum wiederholten Mal dabei. Eine Oma ist mit zwei Enkeln da, eine Mutter mit zwei Töchtern.

Gebühr für zwei Heimkinder bezahlt

Auch sechs Schüler des Landesgymnasiums St. Afra aus Meißen haben sich angemeldet – obwohl sie am gestrigen Freitag sogar Unterricht hatten. Doch wie Lisa(12) aus Radebeul und Sophie (13) aus der Freiberger Ecke erzählen, wurden sie danach von ihrer Internatsmentorin gebracht. „Sie hat uns auch auf den Workshop hingewiesen“, so die Mädchen. Mit Graffiti kann sich Lisa sogar auf eine Projektwoche vorbereiten. Dass Sophie und Lea aus dem Waldaer Kinderheim teilnehmen können, verdanken sie Wolfgang Sznura, dem „Haus- und Hoffotograf“ des Alberttreffs. „Ich kenne Sophie von der Spielbühne, und weil sie gern mitmachen wollte, habe ich ihr und ihrer Freundin die Kursgebühr bezahlt“, sagt Sznura. Das sind immerhin 50 Euro.

Im Clubraum zwei beim Buchbinden sitzt unter fünf Erwachsenen und einem Kind Oberbürgermeister Dr. Sven Mißbach. Dass er kunstaffin ist, ist bekannt. Sein Mitmachen an diesem traditionellen Handwerk hat einen Grund: Der OB möchte eine lose Blattsammlung seines Fachgebietes – der Fortwirtschaft – wieder zu einem Buch zusammenbinden. Offensichtlich geht es ihm auch wie den Frauen im Kurs. Im Gegensatz zur strengen Arbeit am Computer wollen die Teilnehmer hier kreativ sein und was für sich machen – für vier Tage einen Ausgleich zum Arbeitsalltag finden.

An oberster Stelle steht dabei der Spaß. Den hat auch Kursleiterin Elisa Mattheus aus Dresden. Die 36-jährige Ergotherapeutin bot das Buchbinden beim „KreaTIEFgang“ schon vor fünf Jahren an, war selbst zudem bereits als Teilnehmerin dabei. „Das ist eine tolle Idee und meine Kursleute sind sehr kreativ und engagiert“, lobt Elisa Mattheus. Stefanie Dietrich zum Beispiel hat sich das Know-how genau aufgeschrieben, um die Fadenheftung zu Hause wiederholen zu können. Die 26-Jährige stammt aus Großenhain und lebt jetzt in Jena. Sie macht zum dritten Mal mit. „Denn es gibt nirgendwo sonst so etwas“, sagt sie.

Aquarellzeichnen im Stadtpark

Mit viel Fingerfertigkeit und Geschick gestaltet Tara (11) ihr Heftchen aus Buntpapieren. Schwester Bindi hat sich auf den Bronzeguss bei Jochen Zieger eingelassen. Mama Nancy McDonnell aus Meißen sitzt derweil mit Kursleiterin Cornelia Fischer im Stadtpark beim Aquarellzeichnen. „Es entstehen immer schöne Sachen“, ist Tara begeistert. Auch sie kommt gern, wenn es passt, über Himmelfahrt nach Großenhain, um Neues auszuprobieren. Dabei besuchen sich die verschiedenen Kurse in Pausen gegenseitig, man bekommt auch von den anderen Angeboten etwas mit.

So zum Beispiel von der Filzwerkstatt mit Sylvia Fenk, die als Bühnen- und Kostümbildnerin am Meißner Theater arbeitet. Bei ihr braucht man – wie jedes Jahr – Wasser, Seife, Wolle sowie Geduld und ein bisschen Muskelkraft. Celine (11) schafft das ganz prima für ein eigenes Accessoire. Weil der Workshop vier Tage umfasst, muss sie nicht hetzen. Und allzu kostspielig ist es auch nicht. Der Kulturraum fördert diese künstlerische Betätigung. Von der haben bald auch die Besucher des Großenhainer Alberttreffs etwas. Denn die Ergebnisse der Workshops werden traditionell ausgestellt, bevor sie in privaten Besitz übergehen. Da können die Graffiti-Kinder noch die schönsten Sachen aussuchen – denn jeder von ihnen hat bis zum Workshopende drei bis vier Platten geschafft.

www.skz-alberttreff.de

Fotos von den Workshops finden Sie im Internet auf www.sz-online.de/Großenhain