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Ozzy Osbourne: "Bis ich verkrüppelt bin"

Über Ozzy Osbourne hieß es, er läge im Sterben. Stattdessen bringt er ein neues Album heraus. Ein Interview mit dem Fürsten der Finsternis.

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Ozzy Osbourne inszeniert sich immer noch gern als Fürst der Finsternis.
Ozzy Osbourne inszeniert sich immer noch gern als Fürst der Finsternis. © Sony

Die Meldungen zum Jahresbeginn waren beunruhigend: Ozzy Osbourne, der selbst ernannte Prince Of Darkness, läge auf dem Sterbebett und leide unter Parkinson. Das hindert den 71-Jährigen allerdings nicht daran, jetzt mit „Ordinary Man“ sein erstes Album seit zehn Jahren vorzulegen. Zum Interview lädt Osbourne ein in seine monströse Villa in Hancock Park, einer Promi-Enklave in West-Hollywood. Dort wuseln zwölf Hunde herum, ein persönlicher Assistent, eine Haushälterin und an der Tür warnt ein Schild: Be aware of the owner – Vorsicht vor dem Hausherrn. 

Der trägt ein hellblaues Sakko zu Sonnenbrille und Gehstock, gähnt um 13 Uhr schlaftrunken und verfällt mitunter in ein derartiges Gestammel, dass er schlichtweg unverständlich ist. Um den herumtollenden Hunden zu entkommen, bittet er in den Keller, in sein Privatkino mit plüschigen, roten Samtsesseln. Osbourne nimmt einen Schluck Fiji-Wasser, lehnt sich in seinem Sessel vor und erkundigt sich brav nach dem Befinden.

Herr Osbourne, für jemanden, der vor Kurzem noch auf dem Sterbebett lag, sehen Sie ziemlich fit aus. Wie schlimm war es wirklich?

Ach, das ganze letzte Jahr war der Horror. Das davor auch. Dabei rauche und trinke ich schon lange nicht mehr. Ich nehme auch keine Drogen. Trotzdem passiert mir all dieser Mist. Und das sind immer noch die Folgen dieses Quad-Unfalls von 2003, bei dem ich mir den Nacken, das Schlüsselbein und mehrere Rippen gebrochen habe.

Also werden Sie mit zunehmendem Alter immer anfälliger?

Es scheint so. Ich bin mitten in der Nacht aufgewacht, weil ich pinkeln musste. Ich bin ins Bad, und auf dem Rückweg war es so stockdunkel, dass ich gestolpert bin. Ich bin mit dem Rücken auf den Fußboden geknallt. Und dabei hat es gekracht und ich habe Blitze gesehen. Mein erster Gedanke war: Du verfluchter Idiot. Dabei war ich völlig ruhig. Ich habe zu Sharon gesagt: „Ruf den Notarzt.“ Und sie: „Wovon redest du?“ – „Frag nicht, ruf an. Ich fürchte, ich habe mir wieder den Nacken gebrochen.“ Darauf sie: „Du machst Witze.“ Der Krankenwagen hat mich ins Hospital gebracht. Da bin ich für drei Monate geblieben.

Ozzy Osbourne, Ordinary Man. Sony
Ozzy Osbourne, Ordinary Man. Sony © Smi Epc/Sony Music/dpa

Demnach hatte es etwas Therapeutisches, dieses Album aufzunehmen?

Ganz genau. Und es fing damit an, dass meine Tochter Kelly meinte: „Dad, da ist dieser Typ Andrew Watt, der mit Post Malone arbeitet. Er würde gerne wissen, ob du Interesse hättest.“ Und ich: „Wer zum Teufel ist Post Malone?“ Aber dann habe ich Andrew getroffen, diesen Song „Take What You Want“ mit ihm aufgenommen und daraus hat sich ziemlich schnell alles Weitere ergeben. Dabei war ich mir eigentlich sicher, dass ich nie wieder aus dem Haus komme und bis ans Ende meiner Tage flachliege. Ich war mein ganzes Leben noch nie so lange ans Krankenbett gefesselt.

Wieso haben Sie so lange kein Album veröffentlicht? Seit „Scream“ sind geschlagene zehn Jahre vergangen.

Weil sich die Industrie komplett verändert hat. Da gibt es jetzt Sachen wie Spotify und wie sie alle heißen. Ich habe keine Ahnung, was das ist oder wie es funktioniert. Ich weiß auch nicht, ob man heutzutage überhaupt noch Alben verkauft oder in welcher Form man für seine Musik bezahlt wird. In den letzten zehn Jahren hat sich so viel verändert, dass ich komplett auf dem Schlauch stehe.

Ist der Rock ’n’ Roll tot?

Ich denke, es wird immer ein Publikum für Live-Musik geben, selbst wenn letztlich immer weniger Alben verkauft werden. Die Leute tanzen jetzt zum Computer. Einige Künstler greifen auch auf der Bühne darauf zurück. Da kann ich nur sagen: Fucking hell, in diesem Geschäft laufen ein paar ganz krumme Sachen ab. Andrew hat mir erzählt, dass etliche der Kids, die er in seinem Studio betreut, nicht mal eine vernünftige Stimme haben. Die muss er regelrecht aufbauen. Die meisten können weder singen noch sonst etwas.

Während Sie auch nach über 50 Jahren extrem erfolgreich sind. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Ich schätze, ich bin einfach der glücklichste Mann auf Erden.

Ein Highlight Ihrer wilden Jahre war eine Vertriebstagung Ihrer Plattenfirma in Frankfurt, Mitte der 80er. Da sollen Sie nackt auf einem Konferenztisch getanzt und den Chefs in den teuren Wein gepinkelt haben. Stimmt das?

Was meinen Sie, warum ich so lange kein Hit-Album mehr in Europa hatte? Weil man mir das echt übelgenommen hat und es mir lange Zeit nachhing. Zu meiner Entschuldigung: Ich war völlig unzurechnungsfähig, weil ich alles in mich reingekippt habe, was ich in die Finger bekommen konnte. Und Sharon war stinksauer auf mich. Sie hat mir den ganzen Rückflug vorgeworfen, dass ich meine Karriere an einem einzigen Tag zerstört hätte. Es hat fünfzehn oder achtzehn Jahre gedauert, bis die Plattenfirma mir verziehen hat.

Auf dem neuen Album findet sich auch ein Duett mit Elton John – im Titelstück „Ordinary Man“. Wie kam es dazu und wie lange kennen Sie sich schon?

Die Ballade war eines der ersten Stücke, die wir für das Album geschrieben haben. Elton kenne ich schon ewig. Er ist ein guter Freund, gehört quasi zur Familie. Erst neulich meinte er: „Wer wird uns ersetzen, wenn wir mal nicht mehr da sind?“ Da hat er verdammt noch mal recht. Ich meine, Elton arbeitet wirklich jeden verfluchten Abend. Einfach, weil er es liebt. Es geht ihm schon lange nicht mehr ums Geld.

Im Text Ihres Duetts mit Elton heißt es, dass es eine Ihrer größten Ängste ist, als gewöhnlicher Mensch zu sterben und schnell vergessen zu sein. Stimmt das?

Als ich mit der Musik anfing, war ich ein ganz normaler Typ. Ich war der Prototyp des ganz normalen Typen. Und die Musik war alles für mich – sie hat mir alles gegeben. Aber ich hatte kein besonderes Talent. Alles verdanke ich den Beatles. Ich habe sie geliebt und tue es immer noch. Es wird nie wieder eine Band wie sie geben. Wenn sich die Leute an mich erinnern, toll. Wenn sie es nicht tun, auch okay. Ich habe das nie gemacht, um berühmt zu werden. Ich wollte den Menschen einfach eine gute Zeit verschaffen – und mir natürlich auch.

In dem Stück „Eat Me“ bieten Sie sich selbst als schmackhaftes Menü an. Was hat es damit auf sich?

Erinnern sie sich noch an diesen Typen aus Deutschland, der online jemanden gesucht hat, der ihn essen würde?

Sie meinen den Kannibalen von Rotenburg?

Genau! Ich habe einen Film über ihn gesehen. Das Stück handelt von ihm. Denn seien wir ehrlich: Man muss schon Eier haben, wenn man sich als Fleischstück anbietet. Das ist eine mutige Sache. Deshalb gibt es bei mir gleich noch ein Dessert dazu.

Dann machen Sie sich nicht über diese ganzen Hardcore-Vegetarier lustig, die den Konsum von Fleisch verdammen?

Das auch. Ich habe das Gefühl, als wäre ich überall von radikalen Veganern umgeben. Ich meine, haben sie mal diesen Fleischersatz versucht, den jetzt alle essen? Das ist doch schrecklich. Was soll das, wenn es ungenießbar ist? Warum auf echten Schinken verzichten? Das verstehe ich nicht.

Ozzy Osbourne Ende Januar in Los Angeles.
Ozzy Osbourne Ende Januar in Los Angeles. © Jordan Strauss/Invision/AP/dpa

Sie wollen auf Ihre zweite „No More Tours“-Konzertreise gehen. Ist das wirklich Ihre letzte?

Es ist meine letzte Welttournee. Einfach, weil ich so etwas Langes nicht mehr hinbekomme. Aber ich werde weiterhin Konzerte geben, auch in Deutschland. Ich denke, damit fahre ich langfristig besser, gerade was die Qualität der Auftritte betrifft. Denn normalerweise ist es so: Wenn ich es im Rahmen einer Tour endlich nach Deutschland schaffe, bin ich völlig ausgebrannt. In Zukunft werde ich nach ein paar Gigs auf einem Kontinent erst einmal eine ausführliche Pause einlegen.

Weil Sie nicht ohne Publikum sein könnten?

Richtig. Hoffentlich bin ich bis zum Tourauftakt wieder halbwegs fit. Ich kann es mir nicht leisten, die Termine noch einmal zu verschieben oder ganz abzusagen. Aber heute könnte ich das noch nicht. Deswegen tue ich alles, um schnell auf die Beine zu kommen, arbeite mit einem Physiotherapeuten. Im linken Arm sind die Schmerzen besonders schlimm. Genau wie in den Hüften, in meinen Knien und im Nacken. Sollte ich aber noch ein paar Monate mehr brauchen, werde ich mir die Zeit nehmen. Schließlich will ich mich nicht umbringen. Ich will nicht auf der Bühne zusammenbrechen, einen Abgang hinlegen oder zur Lachnummer werden. Auch ans Fliegen ist momentan noch nicht zu denken. Dafür habe ich zu viele Schmerzen.

Aber Sie haben nicht vor, in Rente zu gehen?

Noch nicht. Ich werde mehr Zeit zu Hause zu verbringen – aber nicht nur. Ich werde weiter irgendetwas mit Musik machen, bis ich irgendwann völlig verkrüppelt bin.

Das Interview führte Marcel Anders.