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OB-Wahl-Pirna: Mindestens zwei Kandidaten bei der zweiten Runde

Der AfD-Mann Tim Lochner tritt erwartungsgemäß an und die Freien Wähler von Ralf Thiele preschen vor. Das stellt insbesondere die CDU vor ein Dilemma. Drei Szenarien für den zweiten Wahlgang.

Von Thomas Möckel & Domokos Szabó
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Steht fest, dass sie zum zweiten Wahlgang in Pirna antreten: Ralf Thiele (Freie Wähler, l.) und Tim Lochner (für die AfD).
Steht fest, dass sie zum zweiten Wahlgang in Pirna antreten: Ralf Thiele (Freie Wähler, l.) und Tim Lochner (für die AfD). © Daniel Förster

Die Oberbürgermeisterwahl in Pirna am 26. November hat das Ergebnis gebracht, das viele schon im Vorfeld erwartet haben: Wer neuer Rathauschef in Sachsens zehntgrößter Stadt wird, entscheidet sich im zweiten Wahlgang, der für den dritten Advent angesetzt ist. Überraschend hingegen war die geringe Wahlbeteiligung von knapp über 50 Prozent – obwohl jetzt die Karten für die kommenden sieben Jahre völlig neu gemischt werden und kein Amtsinhaber mit Amtsbonus mehr zur Wahl angetreten war.

Der von der AfD nominierte Kandidat Tim Lochner holte zwar mit 32,9 Prozent die meisten Stimmen der insgesamt fünf zur Wahl angetretenen Bewerber, blieb aber noch weit weg von den 40 Prozent, die die AfD wohl im Blick hatte. In Prozent konnte er keine Zugewinne gegenüber 2017 verbuchen, als er damals noch als parteiloser Einzelkandidat ins Rennen um den Chefsessel im Pirnaer Rathaus ging. Auch da kam er auf 32,9 Prozent der Stimmen. Ob es am vergangenen Sonntag ohne die AfD mehr Stimmen gewesen wären oder die AfD mit einem anderen Kandidaten mehr geholt hätte – über diese Frage wird man jetzt hinter den Kulissen grübeln.

So herrscht seit Sonntag bei der AfD auch keine Jubelstimmung. Die Wahlparty am Sonntag im Gasthaus „Zum Anker“ sei weder sehr lange gegangen noch sei die Stimmung überwältigend gewesen. Mit Kommentaren zum Wahlergebnis auf den einschlägigen Facebook-Seiten hält sich die AfD auffallend zurück. Gleichwohl gab sich Lochner am Sonntag entschlossen: Er will beim zweiten Wahlgang erneut antreten.

Seine Stärke rührt nicht zuletzt von der hohen Zahl der Kandidaten her – bei drei weiteren Konkurrenten von CDU, Freien Wählern und SPD/Bündnis 90/Die Grünen sowie einem Einzelbewerber war klar, dass sich die Stimmen stärker verteilen als bei nur zwei oder drei Kandidaten. Nun kommt es darauf an, wer sich aus dem Rennen zurückzieht und wie viele Namen am 17. Dezember auf dem Stimmzettel stehen – und vor allem welche.

So laufen nun Gespräche und Sondierungsrunden. Fest steht mittlerweile, das auch Ralf Thiele (Freie Wähler) als Zweitplatzierter vom Sonntag im zweiten Wahlgang wieder antritt. Wie sich die anderen Kandidaten verhalten, ist noch unklar, sie wollen sich aber recht schnell positionieren. Denn für Pirna geht es um viel: Die AfD tut immer wieder kund, ohne die in einer Demokratie üblichen Kompromisse regieren zu wollen und eine völkische und nationalistische Politik zu verfolgen. Ein AfD-Oberbürgermeister könnte die Stadt in den kommenden sieben Jahren in dieser Richtung prägen. Hier analysiert die SZ nun drei Szenarien, wie der zweite Wahlgang laufen könnte.

Szenario 1: Nur noch zwei Kandidaten

Eine reine Stichwahl zwischen lediglich zwei Kandidaten wäre nach dem jetzigen Stand de facto schon gegeben. Denn Lochner tritt zum zweiten Wahlgang an. Und am Montagmittag gaben die Freien Wähler bekannt, dass auch Ralf Thiele im zweiten Wahlgang abermals ins Rennen geht. Für ihn als Zweitplatzierten sei es nur logisch, erneut anzutreten. Das haben die Freien Wähler allein für sich entschieden. Thiele, so sagt er, habe zwar versucht, die CDU-Kandidatin zu erreichen, das sei ihm aber nicht gelungen. Wäre er im ersten Wahlgang Drittplatzierter gewesen oder hätte hinsichtlich der Stimmen gleichauf mit der CDU gelegen, dann wäre er im zweiten Wahlgang nicht angetreten.

Das Vorpreschen der Freien Wähler zahlt sich für Thiele nur aus, wenn sich alle übrigen Kandidaten zurückziehen, vor allem die CDU-Bewerberin Kathrin Dollinger-Knuth, die auf Platz 3 landete. Sie hält sich im Moment mit Äußerungen zurück, könnte sich aber von den Freien Wählern überrumpelt fühlen. Denn es scheint klar: Insbesondere eine Stichwahl mit nur zwei Kandidaten würde den nicht radikalen Kräften die Chance bringen, einen anderen OB als Lochner ins Rathaus zu bringen.

Grundsätzlich gilt es als eher unwahrscheinlich, dass die Wähler von SPD, Grünen und Linken Thiele in einer solchen Zweier-Konstellation unterstützen. Schwer vorstellbar ist zudem, dass die CDU die Freien Wähler unterstützt. Dazu ging der Wahlkampf zu sehr ins Persönliche, vor allem die Freien Wähler überzogen die CDU-Kandidatin Kathrin Dollinger-Knuth mit Vorwürfen und anzüglichen Anspielungen. So gaben die Freien Wähler beispielsweise Kathrin Dollinger-Knuth die Schuld daran, dass sie im Sommer mit dem gemeinsamen Grillfest mit Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) Pirna als „rechte Region“ in den medialen Fokus gerückt habe – und nicht etwa die rechtsextreme Kleinstpartei „Freie Sachsen“, die als Gegendemonstranten die CDU-Veranstaltung niederbrüllten. Und nach einer Absage eines Kandidaten-Forums bei der Lebenshilfe warfen die Freien Wähler der CDU-Frau vor, dass sie sich mit André Liebscher gemein mache, dem sie wiederum vorhielten, er habe hauptamtlich für die Stasi gearbeitet – was allerdings nicht belegt ist. Laut der Freien Wähler sei Dollinger-Knuth eine kühle Machtfrau, der es nur darum ginge, ihr Ziel zu erreichen, und ihr dabei jedes Mittel recht sei. So kann dieses Verhältnis durchaus als zerrüttet gelten.

Darüber hinaus hat Einzelkandidat André Liebscher – dem die Freien Wähler eine hauptamtliche Stasi-Tätigkeit vorwarfen – inzwischen verkündet, dass es aus seiner Sicht jetzt darum geht, sowohl Lochner als auch Thiele als Oberbürgermeister zu verhindern. Er selbst werde Thiele nicht unterstützen.

Szenario 2: Noch drei Kandidaten

Eine solche Dreier-Konstellation zeichnet sich nach derzeitigem Stand wohl als am wahrscheinlichsten ab, möglicherweise in unterschiedlicher Besetzung. So könnte es durchaus sein, dass neben Lochner und Thiele auch CDU-Frau Kathrin Dollinger-Knuth zum zweiten Wahlgang antritt, sofern sie ihrerseits Empfehlungen anderer Kandidaten hinter sich vereinen kann.

Denkbar wäre auch jene Konstellation, dass Liebscher als dritter Kandidat im zweiten Wahlgang dabei ist – vorausgesetzt, dass Kathrin Dollinger-Knuth im zweiten Wahlgang nicht antritt. In diesem konkreten Fall will er nicht Lochner und Thiele das Feld überlassen, Liebscher kündigte bereits an, dann zu versuchen, die Stimmen von CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Linken hinter sich zu vereinen, was aber nicht ganz einfach sein dürfte.

Doch egal, in welcher Dreier-Konstellation – ein Wahlausgang wäre dann offen; Lochner würde aber davon eher profitieren, wenn ein Mitbewerber nicht einen erheblichen Stimmenzuwachs für sich verbuchen kann.

Szenario 3: Mehr als drei Kandidaten

Rein theoretisch besteht noch die Möglichkeit, dass im zweiten Wahlgang mehr als drei Kandidaten antreten, das allerdings gilt als unwahrscheinlich. Denn je mehr Bewerber dann noch im Rennen sind, desto wahrscheinlicher wird es, dass das Wahlergebnis so ähnlich ausfällt wie im ersten Wahlgang – und die AfD mit der dann nur noch erforderlichen einfachen Stimmenmehrheit den Wahlsieg holt.