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Schweinemast: Verfahren wird eingestellt

In Langenwolmsdorf wurden Gewässer durch Schweinegülle verunreinigt. Das Gericht sieht den Betreiber dafür verantwortlich. Es fehlen jedoch Beweise.

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Warum gelang 2019 von der stillgelegten Schweinemastanlage Gülle in den Langenwolmsdorfer Bach? Auch das Gericht konnte das nicht klären.
Warum gelang 2019 von der stillgelegten Schweinemastanlage Gülle in den Langenwolmsdorfer Bach? Auch das Gericht konnte das nicht klären. © Daniel Förster

Von Friederike Hohmann

Sauber gespült standen die Schraubgläser im Keller. Sie sollten eigentlich mit Kirschen befüllt werden. Am 8. April 2019 landete jedoch etwas anderes darin - Wasserproben aus dem Langenwolmsdorfer Bach, die Anwohner genommen hatten. Diese waren in heller Aufregung, denn das Gewässer führte plötzlich eine widerlich stinkende, schäumende Brühe. Der Geruch war ihnen vertraut. Bis 2017 war die Schweinemastanlage in Langenwolmsdorf in Betrieb. Wie Gülle riecht, wussten die Einwohner deshalb und waren alarmiert.

Die damals noch stillgelegte Schweinemastanlage hatte der Niederländer Marten Tigchelar gekauft, um sie wieder zu betreiben. Anwohner und Umweltaktivisten gründeten daraufhin die Bürgerinitiative „Keine Wiederinbetriebnahme der Schweinemastanlage in Stolpen“.

Anwohner nehmen Wasserproben bei Stolpen

Anwohner liefen im April 2019 nun das Bächlein von der Mündung bis zur Quelle ab, um nach der Ursache des Übels zu suchen. Sie entdeckten, dass stinkende Brühe in der Nähe der Schweinemastanlage einen völlig durchweichten Hang hinab lief. Das Bächlein speist sich aus einem Teich, der oberhalb der Schweinemastanlage in einem Biotop liegt. An drei Stellen wurden damals Wasserproben genommen und in die Schraubgläser gefüllt. Die Langenwolmsdorfer machten zudem einige Fotos vom Bereich der Gülleeinleitung.

Ein Vertreter der Bürgerinitiative schickte noch an diesem Abend eine erste Mail an die Umweltbehörde des Landratsamts in Pirna. Am nächsten Morgen waren Anwohner erneut vor Ort, dokumentierten die Gülleeinleitung durch Fotos vom durchweichten Hang, dem Schaum auf der Wiese und im Bachlauf. Auf einem Bild ist ein Schlauch zu sehen, aus dem sich die Brühe ergossen hatte.

Auch diese Bilder erhielt das Landratsamt, genauso wie die Information über die genommenen Wasserproben. Für die Gläser sah man sich aber nicht zuständig und verwies an die Polizei. Die wiederum verwies zurück an das Landratsamt. Das Hin und Her dauerte an, bis schließlich ein paar Tage später eine Streifenwagen-Besatzung die Gläser bei dem Anwohner abholte. So schilderte es der Zeuge nun vor dem Amtsgericht in Pirna, wo der Fall verhandelt wurde.

Havarie in der Schweinemast soll der Grund sein

Das Begängnis rund um die Schweinemastanlage war bei den dort Beschäftigten indes nicht unbemerkt geblieben. So erhielt das Landratsamt eine Mail vom Bauleiter des Betriebes von Marten Tigchelar. In der Anlage in Langenwolmsdorf habe es eine Havarie gegeben, in deren Folge Gülle ausgetreten sei, hieß es dort.

Für die Umweltbehörde war das allerdings kein Grund, den Anzeigen der Anwohner nachzugehen oder Beweise zu sichern. Das hätten ja die Anwohner schon erledigt, rechtfertigt sich der als Zeuge geladene Vertreter der Umweltbehörde vor Gericht. Vielleicht waren es schließlich die von der Stadt Stolpen zugesandten Bilder toter Fische aus dem Langenwolmsdorfer Bach, die dazu führten, dass sich Tage später zwei Mitarbeiter des Landratsamtes auf den Weg nach Stolpen machten. Im Schweinemastbetrieb hörten sie sich die Aussagen der zwei anwesenden Beschäftigten zur angeblichen Havarie an. Dass vieles nicht zusammenpasste und Beweismittel entfernt worden waren, störte sie offensichtlich nicht.

Landratsamt Pirna steht in der Kritik

Richterin und Staatsanwältin sind entsetzt von den Aussagen des Mitarbeiters des Landratsamtes, der den Vorfall mit einer Kollegin untersucht hatte. Auch dass sie sich - nachdem sie den Vorfall an die Polizei abgegeben hatten - nicht weiter darum kümmerten, macht das Gericht fassungslos.

Fast viereinhalb Tausend Schweine sind zurzeit in Stolpen eingestellt. Der Betreiber plant eine Erweiterung, um dort künftig bis zu 14.480 Ferkel zu mästen. Die Umweltbehörde müsste einer Genehmigung zustimmen und auch über den Weiterbetrieb befinden, wollte diese Entscheidung nun aber offensichtlich dem Gericht überlassen. So jedenfalls hatte es die Richterin in der Zeitung gelesen und ist empört darüber.

Über mehrere Stunden befragt das Gericht etliche Zeugen. Um sich nicht selbst zu belasten, machen Mitarbeiter der Schweinemastanlage von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Auskunftsfreudiger sind die betroffenen Anwohner. Detailliert beschreiben sie, was sie im April 2019 beobachtet haben.

Beweise reichen nicht für Verurteilung

Die Fotos und gefüllten Schraubgläser reichen dem Gericht am Ende nicht für eine Verurteilung des Geschäftsführers Marten Tigchelar. Denn gerichtsfeste Beweise wären vorschriftsmäßig entnommene Proben gewesen, die dazu hätten angesäuert werden müssen. Diese gibt es nicht. Die Mitarbeiter des Landratsamtes hatten nicht dazu beigetragen, den Vorfall aufzuklären und dies stattdessen der Justiz überlassen.

Richterin Simona Wiedmer schlägt den Beteiligten die vorläufige Einstellung des Verfahrens gegen eine Zahlung von 20.000 Euro vor. Sie betont, dass sie keineswegs von der Unschuld des 40-jährigen Geschäftsführers überzeugt sei, der schon einmal wegen eines solchen Delikts verurteilt worden war. 2016 wurde Tigchelar vom Amtsgericht Döbeln für die Einleitung von Schweinegülle in einen Bach verurteilt. Die Staatsanwältin stimmt dem Vorschlag trotz erheblicher Bedenken zu. In sechs Monaten wird das Verfahren eingestellt, wenn bis dahin der Geldbetrag vollständig an die Staatskasse bezahlt wurde.

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