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Pirnas neuer OB: Der auskunftsscheue Rathauschef

Tim Lochner (für die AfD) hat am Montag sein Amt angetreten. Inhaltlich bleibt er vage. Bereits am frühen Morgen gab es einen kleinen Protest.

Von Thomas Möckel
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OB Tim Lochner bei seiner ersten Pressekonferenz: Inhaltlich vage, keine Auskünfte zu seinen Schwerpunkten.
OB Tim Lochner bei seiner ersten Pressekonferenz: Inhaltlich vage, keine Auskünfte zu seinen Schwerpunkten. © Daniel Schäfer

Das erste Begrüßungskomitee wartet schon im Morgengrauen, gegen sieben Uhr, gleich links neben dem Rathauseingang. Aktivisten einer Pirnaer Initiative haben eine weiße Leine zwischen zwei Säulen gespannt, darauf fädeln sie blaue Besenstiele, Helfer bringen immer neue hinzu. Dazwischen baumelt ein Schild mit dem Zitat eines ehemaligen Landrates, es lautet: „Man hätte einen Besenstiel hinstellen können, der wäre auch gewählt worden.“

Die blauen Stangen samt Zitat sind eine Anspielung darauf, dass die AfD in Pirna nun ihren ersten Oberbürgermeister bundesweit stellt. Die Initiatoren verstehen die „Galerie mit Stiel“ als Kunstaktion, als satirischen Willkommensgruß an den neuen Rathauschef. Nur eine reichliche Stunde steht die Installation, bis sie ein eifriger Hausmeister wegräumt. Der, um den es geht, wird sie nicht sehen.

Der, um den es geht, betritt am Montag kurz vor 9 Uhr den Markt, in weitem Bogen schreitet Tim Lochner – dunkler Anzug, AfD-blaues Hemd, braune Schuhe, Aktentasche – in Richtung Rathaustür. Lochner ist kein AfD-Mitglied, hat aber für die Partei für das Amt des Pirnaer Oberbürgermeisters kandidiert. Am 17. Dezember 2023 wurde er im zweiten Wahlgang zum neuen Rathauschef gekürt. Vor dem Rathaus warten an diesem Morgen etwa 20 seiner Anhänger, Lochner wechselt einige Worte mit ihnen, dann tritt er ziemlich pünktlich 9 Uhr durch die Rathaustür. Es ist sein erster Arbeitstag als Oberbürgermeister.

Blaue Besenstiele vor dem Rathaus: Kunstaktion als satirischer Willkommensgruß an den neuen Oberbürgermeister.
Blaue Besenstiele vor dem Rathaus: Kunstaktion als satirischer Willkommensgruß an den neuen Oberbürgermeister. © Daniel Förster

"Wir haben telefoniert, das muss als Antwort reichen"

Um 11 Uhr hat er zu seiner ersten Pressekonferenz im Amt geladen, das Medieninteresse ist groß, Pressevertreter, Rundfunk-Journalisten, Fernsehleute sind gekommen, der kleine Ratssaal im Rathaus ist voll besetzt. Bevor die Runde jedoch starten kann, drängen Anhänger von Lochner in den Raum, schenken ihm Blumen, beglückwünschen ihn. Danach beginnt die Fragerunde, Lochner bestreitet sie allein, kein Sprecher, kein Parteivertreter ist an seiner Seite, er sitzt auf dem großen Stuhl an der Stirnseite des Tisches, vor ihm Mikrofone und eine Kamera. Ein wenig scheint es, als sei ihm der Termin etwas lästig.

Die ersten Amtshandlungen liegen da schon hinter ihm, sechs, sieben Schriftstücke hat er unterschrieben, worum es sich handelte, gibt er nicht preis. Es sei nichts dabei, sagt Lochner, was für die Öffentlichkeit von Interesse wäre. Den Rathausschlüssel hat er auch bekommen, wenngleich es keine richtige Übergabe mit seinem Vorgänger Klaus-Peter Hanke gab. Er habe aber mal mit Hanke telefoniert. Wie lange das Telefonat ging, will ein Reporter wissen. „Wir haben telefoniert“, sagt Lochner, „das muss als Antwort reichen.“

Dann betont er noch einmal, dass er kein AfD-Mitglied wird. Auf die Frage, wie er die Einstufung der Partei als „gesichert rechtsextrem“ bewerte, sagt er, darauf antworte er nicht. Vom AfD-Landesvorstand habe er keine Hilfestellung für den Amtsantritt bekommen, er müsse auch keine Erwartungen der Partei erfüllen. Während des ganzen Gesprächs sitzt Lochner vorn an der Stuhlkante, die Arme auf den Tisch gestreckt, die Hände gefaltet, die Stimme klar und fest, gelegentlich wirkt er etwas genervt.

Abschiebekalender der AfD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg: Lochner bekam einen solchen geschenkt, ließ ihn aber eigenen Angaben zufolge dort zurück.
Abschiebekalender der AfD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg: Lochner bekam einen solchen geschenkt, ließ ihn aber eigenen Angaben zufolge dort zurück. © Instagram/miguelklaussafd

"Meinen Plan erfährt nicht die Presse zuerst"

Genervt reagiert er auch auf die Frage, ob die Teilnahme am Neujahrsempfang der AfD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg der Grund dafür sei, dass er sein Amt nicht am 22., sondern erst am 26. Februar angetreten hat. Für den Amtsantritt am 26. Februar, sagt er, gebe es eine Absprache mit der Stadt, das sei ein ganz normaler Vorgang. Allerdings wusste er schon vor der Wahl von dem Termin in Baden-Württemberg, zu dem er als Privatperson gereist sei. Die dortige Fraktion schenkte ihm einen sogenannten „Abschiebekalender“, auf einem Bild ist zu sehen, wie Lochner den Kalender in der Hand hält. Darin preist die AfD die zwölf schönsten Abschiebeflugzeuge an, garniert mit Sprüchen wie „Deutschland heißt zuerst Remigration“. Geschenke, sagt Lochner auf Nachfrage, könne man sich nicht aussuchen. Aber er sei gar nicht mehr im Besitz des Kalenders, er habe ihn in Baden-Württemberg zurückgelassen.

Jahrelang, sagt Lochner, habe er sich auf das Amt vorbereitet, sich vor allem mit Kommunalrecht befasst. Nun gelte es, die Vorgänge im Rathaus kennenzulernen, erst dann äußere er sich zu Inhalten. Seine Sitzhaltung behält er das ganze Gespräch über bei. Er habe einen Plan für die ersten 100 Tage, aber den erfahre nicht die Presse zuerst, sondern jene, um die es geht. Er spricht von strukturellen Dingen, bleibt dabei aber vage. Ob er seine Postings in den sozialen Medien künftig drosseln will, will er sich noch überlegen, vielleicht nimmt er sich bei der Quantität etwas zurück.

Auf Fragen zur Haltung und Äußerungen der AfD verweigert er jegliche Aussage. Ob es auch schon Kontakt zu hiesigen Parteien und Stadtratsfraktionen gegeben hat, will ein Reporter wissen. „Ja“, sagt Lochner. „Mit welchem Erfolg?“, fragt der Journalist. „Kein Kommentar“, sagt Lochner. Stattdessen wirft er dem Journalisten von Deutschlandradio vor, er habe ihn schon einmal falsch zitiert. Worum es aber genau geht, sagt er nicht.

Nach einer Stunde ist die erste Pressekonferenz Lochners als Oberbürgermeister vorbei. Als einer der Fotografen zum Schluss fragt, ob er von ihm noch Fotos vor dem Rathaus machen kann, lehnt der Rathauschef ab. „Das ist nicht vorgesehen“, sagt Lochner, „das möchte ich nicht.“