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Abschiebung aus Pirna: Landrat muss Akteneinsicht gewähren

Linken-Politiker André Hahn will herausfinden, wie das Landratsamt in den nächtlichen Polizeieinsatz involviert war und erhält ungewöhnliche Unterstützung.

Von Gunnar Klehm
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Die Wiedersehensfreude war groß, als die Familie Imerlishvili vergangenes Jahr wieder nach Pirna zurückkehren durfte.
Die Wiedersehensfreude war groß, als die Familie Imerlishvili vergangenes Jahr wieder nach Pirna zurückkehren durfte. © Daniel Förster

Das ist ein nicht alltäglicher Vorgang. Kreisräte aus fünf verschiedenen Fraktionen haben einen Antrag von Linken-Kreisrat und Bundestagsabgeordnetem André Hahn unterstützt. Der fordert seit Längerem Aufklärung darüber, welche Rolle das Landratsamt bei der Abschiebung der georgischen Familie Imerlishvili mit sieben Kindern aus Pirna im vorigen Jahr innehatte.

Die Auskünfte zu dem Fall, die Landrat Michael Geisler (CDU) bisher dazu gab, hält Hahn für nicht ausreichend. "Die Familie war gut integriert. Die Abschiebung hochumstritten", sagt Hahn.

Die Familie war am 10. Juni 2021 in einem nächtlichen Polizeieinsatz abgeschoben und nach Tiflis in Georgien ausgeflogen worden. Am Tag der Abschiebung hatte die Anwältin über das Verwaltungsgericht Dresden versucht, die Abschiebung noch zu verhindern. Das lehnte ab. Das Oberverwaltungsgericht in Bautzen entschied am 13. August jedoch anders: Die Abschiebung sei rechtswidrig gewesen. Daraufhin durfte die Familie wieder nach Deutschland zurückkehren.

Nachhaltige Integration der Familie Imerlishvili

Es gab in der Folge Hunderte Menschen, die sich für die Rückkehr unter anderem mit Unterschriftenaktionen eingesetzt haben. Die Initiative der Pirnaer Nachbarn in dem Zusammenhang ist sogar mit dem Sächsischen Förderpreis für Demokratie ausgezeichnet worden. All diese Menschen hätten eine Aufklärung verdient, so Hahn. "Ich befürchte, dass bei der Abschiebung unverhältnismäßig gehandelt wurde. Ob jemand im Landratsamt übereifrig war, kann ich als Kreisrat aber nur bei entsprechender Akteneinsicht bewerten", sagt Hahn.

Der Landrat verweist auf den Datenschutz, muss angesichts des Antrags von mehr als einem Fünftel des Kreistags aber nun die Akteneinsicht ermöglichen. Der Antrag beinhaltet die Einsicht in sämtliche im Zusammenhang mit der Abschiebung im Landratsamt vorhandenen Unterlagen. Für Hahn und andere Kreisräte ist das nicht nur eine juristische Frage. "Es muss auch geklärt werden, wer die politische Verantwortung dafür trägt", sagt er.

Als die Familie abgeschoben wurde, lief noch ein Verfahren um eine Aufenthaltsgenehmigung. Die Familie hatte einen Antrag auf nachhaltige Integration nach Paragraf 25b des Aufenthaltsgesetzes gestellt. Fünf der sieben Kinder sind in Deutschland geboren, die älteste Tochter besucht ein Pirnaer Gymnasium. Dieser Antrag läuft weiter, sodass die Familie weiterhin hofft, dauerhaft in Deutschland bleiben zu können.

Der Fall hatte eine Debatte um Sachsens Abschiebepraxis ausgelöst und war auch Thema im Sächsischen Landtag. Streitig ist unter anderem die Frage, ob der Paragraf des Aufenthaltsgesetzes, auf den sich das Gericht bei seiner Entscheidung stützt, wirklich auf die Kinder anwendbar ist.

Für Landrat Geisler könnte die Diskussion zur Unzeit kommen. Am 12. Juni dieses Jahres steht die Wahl des Landrates an. Er kandidiert erneut für die CDU. Die Abschiebung der georgischen Familie dürfte im Wahlkampf polarisieren.