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Wie Pirna weiter zum Spitzentechnologie-Standort wird

Im Gewerbegebiet Copitz-Nord siedelt sich eine US-amerikanische Firma an, spezialisiert auf Ionenstrahltechnologie. Weitere Betriebe sollen folgen.

Von Thomas Möckel
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Professor Dr. Günter Zschornack: Die Firma in Pirna soll international als Hightech-Standort wahrgenommen werden.
Professor Dr. Günter Zschornack: Die Firma in Pirna soll international als Hightech-Standort wahrgenommen werden. © Daniel Schäfer

Viele Jahre lang gab es auf der Fläche vor allem Gras, viel Gras. Und Schafe. Die sollten das viele Gras kurzhalten. In einer Ecke des Areals stand ein Schild mit dem Aufdruck „Gewerbegebiet Copitz-Nord – hier ankern!“, doch Firmen-Schiffe, um mal bei diesem Bild zu bleiben, legten lange Zeit nicht an. Das knapp sieben Hektar große Gelände an der Ecke Lohmener Straße/Wehlener Straße in Pirna blieb über Jahre hinweg wegen mangelnder Nachfrage Brachland.

Dabei war Pirna von jeher ein Ort der Industrie und Forschung, dazu zählten früher beispielsweise Betriebe wie die Kunstseide, das Strömungsmaschinenwerk, die Fahrzeugelektrik, das Getriebewerk, eine Glashütte, ein Klebstoffwerk, eine Marmeladenfabrik, das Chemiewerk in Neundorf. Doch die meisten der DDR-Großbetriebe wurden nach der Wiedervereinigung abgewickelt, einige überlebten, neue kamen hinzu. Doch die Menge an vorwendlichen Industriearbeitsplätzen wurde nicht mehr erreicht.

Allerdings siedeln sich seit etwa zehn Jahren wieder vermehrt Betriebe in Pirna an, inzwischen sind es so viele, dass die Stadtentwicklungsgesellschaft Pirna (SEP) in den drei großen Gewerbegebieten kein freies Grundstück mehr anbieten kann. Über diesen Zuzug kam auch Schwung ins Gewerbegebiet Copitz-Nord, 2017/2018 ließ die SEP das Areal erschließen, längst sind auch dort alle Flächen verkauft und zum Teil schon bebaut. Zu den Neuansiedlern auf dieser Fläche gehört eine Firma, die es so in Pirna noch nicht gibt – und die die Stadt durchaus zu einem besonderen Standort machen könnte.

Erster D.I.S.-Neubau in Copitz-Nord: 1.300 Quadratmeter Bürofläche, 5.000 Quadratmeter Produktionshalle.
Erster D.I.S.-Neubau in Copitz-Nord: 1.300 Quadratmeter Bürofläche, 5.000 Quadratmeter Produktionshalle. © Karl-Ludwig Oberthür

Vom Ruhestand zum Geschäftsführer

Das US-amerikanische Unternehmen D.I.S., die Abkürzung steht für „Dynamic Integrated Solutions“, hatte bereits vor einigen Jahren einen Deutschland-Ableger gegründet, die D.I.S. Germany GmbH. Das Hauptunternehmen in den USA wurden von David Diep gegründet, er ist auch Eigentümer der gesamten Firmengruppe. Vor reichlich viereinhalb Jahren entschloss sich Diep, nach Europa zu expandieren und hier präsent zu sein, unter anderem deswegen, weil D.I.S. inzwischen Kunden in vielen europäischen Ländern beliefert. Dass es ausgerechnet Pirna wird, hängt mit einem versierten Fachmann zu tun – tätig auf demselben Gebiet wie die Firma.

Der Fachmann ist Professor Dr. Günter Zschornack, 72, aufgewachsen in Heidenau, in Pirna auf die erweiterte Oberschule gegangen und seit vielen Jahren in Birkwitz-Pratzschwitz zu Hause. Er war früher Hochschullehrer für Physik an der Technischen Universität Dresden, noch während dieser Zeit gründete er mit einem Kollegen eine Firma, die sich mit Ionenstrahltechnologie beschäftigte, ein Spezialgebiet von ihm. 2018 verkaufte er die Firma, mit 68 war es durchaus an der Zeit, etwas ruhiger zu treten – dachte er zumindest.

Doch noch in demselben Jahr standen zwei Amerikaner bei ihm vor der Tür, er war ihnen als Experte empfohlen worden. Sie erkundigten sich bei Zschornack, ob er sich noch einmal vorstellen könnte, für das Unternehmen D.I.S. eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung neben angeschlossener Produktion aufzubauen. Er sagte zu, 2019 wurde der Deutschland-Ableger gegründet, Zschornack wurde dessen Geschäftsführer. Seither arbeitet die Firma in Kesselsdorf und baute eine Kernmannschaft auf, perspektivisch sah sich das Unternehmen aber nach einem größeren Quartier um. Aus Heimatverbundenheit legte Zschornack großen Wert darauf, dass sich die Firma in Pirna ansiedelt – was sie inzwischen auch tut.

Fläche für das Gewerbegebiet Copitz-Nord 2015: Lange Brachland wegen mangelnder Nachfrage.
Fläche für das Gewerbegebiet Copitz-Nord 2015: Lange Brachland wegen mangelnder Nachfrage. © Marko Förster

In Pirna soll ein Exzellenz-Zentrum entstehen

Der Betrieb kaufte eine insgesamt 27.000 Quadratmeter große Fläche im Gewerbegebiet Copitz-Nord, bebaut wird seit vergangenem Jahr zunächst ein 13.000 Quadratmeter großes Areal. Darauf entsteht ein Gebäude im US-amerikanischen Stil, bestehend aus einem zweigeschossigen 1.300 Quadratmeter großen Büro- und Sozialtrakt, an den sich nach hinten zur Nordstraße eine etwa 5.000 Quadratmeter große Produktionshalle anschließt. Ab Herbst 2023 soll in dem neuen Gebäude gearbeitet werden.

D.I.S. ist spezialisiert auf Elektronen- und Ionenstrahltechnologie – kleinste geladene Teilchen, die sich mittels elektrischer oder magnetischer Felder steuern lassen. Das Unternehmen fertigt und bestückt damit hochkomplexe Baugruppen. Sie werden beispielsweise für Ionenquellen in der Medizin bei der Krebstherapie eingesetzt. Darüber hinaus ist diese Technologie auch Bestandteil von Massenspektrometern, mit denen Gase und auch Oberflächen von Festkörpern analysiert werden. Ziel ist es, in Pirna ein Exzellenz-Zentrum für Ionenstrahltechnologie aufzubauen.

Künftig will das Werk weiter wachsen, auch die anderen Grundstücke sollen sukzessive bebaut werden. Mit der neuen Niederlassung entstehen etwa 30 Arbeitsplätze, in fünf bis sieben Jahren könnten es laut Zschornack vielleicht schon 100 Mitarbeiter sein. Generell soll der Betrieb in Pirna international als Hochtechnologie-Standort wahrgenommen werden mit dem Ziel, weitere Spezialfirmen im Umfeld anzusiedeln. Gespräche dazu laufen bereits.