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100 Jahre Gartenglück

In Bautzen sind Kleingärtner seit 1919 organisiert. Ihr Chronik berichtet von Notzeiten, Promis und Rekorden. 

Von Madeleine Siegl-Mickisch
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Vorfreude aufs neue Gartenjahr: Reinhard Kliemann bewirtschaftet eine Parzelle in der Anlage „Am Steinberg“. Insgesamt gibt es in Bautzen 48 Kleingartenanlagen mit rund 3 000 Parzellen – und seit 100 Jahren organisiertes Kleingartenwesen. Das wird am Sonn
Vorfreude aufs neue Gartenjahr: Reinhard Kliemann bewirtschaftet eine Parzelle in der Anlage „Am Steinberg“. Insgesamt gibt es in Bautzen 48 Kleingartenanlagen mit rund 3 000 Parzellen – und seit 100 Jahren organisiertes Kleingartenwesen. Das wird am Sonn © Archivfoto: SZ/Uwe Soeder

Sieben Fakten aus der Geschichte des Bautzener Kleingartenverbands

Die Gründung der Schrebergenossenschaft Bautzen ist die Geburtsstunde.

Am 19. März 1919 trafen sich 18 Herren zur Gründungsversammlung im Brauhausgarten. Das Restaurant befand sich dort, wo heute die Arbeitsagentur steht. In den Notzeiten nach dem Ersten Weltkrieg gewann das Kleingartenwesen zur Selbstversorgung an Bedeutung. Um die Interessen der Kleingärtner zu vertreten, gründeten sich Genossenschaften. Und in der Weimarer Republik wurde am 31. Juli 1919 die „Kleingarten- und Pachtlandordnung“ beschlossen, der Vorläufer des heutigen Bundeskleingartengesetzes.

Der Ursprung des Kleingartenwesens in Bautzen liegt noch weiter zurück.

Die älteste Kleingartenanlage in der Stadt ist der Verein „Prießnitz“. Der Name bezieht sich auf Vincenz Prießnitz, ein Naturheilkundler des 19. Jahrhunderts. In Bautzen wollte seine Ideen der 1893 gegründete „Verein für Gesundheitspflege und naturgemäße Heilweise“ verbreiten. Der Nachfolger betreibt eine Gartenanlage mit 66 Parzellen in der Nähe von Marktkauf. Ebenfalls auf mehr als 100 Jahre können die Vereine „Sonnenlehne“ an der Welkaer Straße und „Erdenglück“ an der Preuschwitzer Straße verweisen.

Eine Zäsur brachten der Zweite Weltkrieg und die Nachkriegszeit.

Die Ernährungsnot nach dem Krieg war so groß, dass 1946 auch die Bautzener dazu aufgefordert wurden, „jeden Quadratmeter nutzbaren Boden für den Anbau von Gemüse und Kartoffeln freizumachen. ... Es darf kein Stückchen unbebautes Land im Stadtgebiet zu sehen sein.“ Die DDR tat sich zunächst schwer mit dem organisierten Kleingartenwesen. So kam es nach einigem Hin und Her erst 1959 endgültig zur Gründung des zentralen Verbandes der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (VKSK), der bis 1990 bestand.

Die größte Gartenanlage hat 230 Parzellen.

Die „Morgensonne“ in der Ostvorstadt, die 2019 auch 100-jähriges Bestehen feiern kann, bietet die meisten Gärten, dicht gefolgt von „Land in Sonne“ an der Muskauer/Müntzerstraße mit 215 Parzellen. Die kleinsten Anlagen sind dagegen mit jeweils sechs Gärten neben dem Handelshof an der Niederkainaer Straße und Am Wasserwerk in der Südvorstadt sehr überschaubar. Insgesamt gibt es in Bautzen 3 008 Parzellen in 48 Anlagen. Sie nehmen rund 100 Hektar ein, das entspricht etwa 1,4 Prozent der Gesamtfläche Bautzens. Die durchschnittliche Größe einer Parzelle liegt bei 348 Quadratmetern.

Die jüngste Anlage ist erst 30 Jahre alt.

Zu DDR-Zeiten war die Nachfrage nach Gartenparzellen groß. „Es gab lange Wartelisten“, weiß Andrea Lange, Vorsitzende des Territorialverbandes der Gartenfreunde. So stimmte im Juli 1989 der Stadtrat einer Neugründung zu. 150 Parzellen sollten auf einem idyllischen Gelände in Bautzen-Strehla zwischen Thrombergstraße und Oberkaina entstehen. Tatsächlich wurden aber nur 52 angelegt. Durch die Wende waren auf einmal zwei Drittel der Bewerber abgesprungen. So ist bis heute zwischen den bewirtschafteten Gärten viel Luft. Einen Teil der Fläche nutzt seit einigen Jahren die Bautzener Tafel, um dort Gemüse anzubauen und damit ihr Angebot zu bereichern.

Einige Gärten mussten im Laufe der Zeit Bauvorhaben weichen.

Heute erinnert nichts mehr an die Anlagen „Sonneneck“ und „Frohe Stunde“ an der Neusalzaer Straße. Sie mussten nach der Wende Platz für den Bau eines Autohauses und die Erweiterung von Hentschke Bau machen. Durch den Bau der Westtangente fielen fast 40 Parzellen weg. Während des Zweiten Weltkrieges war eine Anlage an der Wilthener Straße liquidiert worden. Dafür wurde damals an der Neusalzaer Straße mit der Anlage „Abendfrieden“ Ersatz geschaffen.

Ideen gegen Leerstand sind heute gefragt.

Im vorigen Jahr wurden in Bautzen 99 freie Parzellen gezählt, das sind 3,3 Prozent, wie aus der jüngst verabschiedeten Kleingartenkonzeption der Stadt hervorgeht. Neben der Werbung neuer Pächter, vor allem junger Familien, wird auch über neue Modelle nachgedacht, etwa die gemeinsame Nutzung eines Gartens durch mehrere Familien, berichtet Reinhard Kliemann, Vizevorsitzender des Territorialverbandes. Zwar stehe heute die Eigenversorgung nicht mehr im Vordergrund, aber für eines stünden die Kleingärten nach wie vor: Gemeinschaft und sozialen Zusammenhalt.

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Prominenter Besuch: Die in der DDR bekannte Moderatorin der Fernsehsendung „Du und Dein Garten“, Erika Krause, stattete in den 1980er-Jahren Bautzens ältester Gartenanlage „Prießnitz“ einen Besuch ab.
Prominenter Besuch: Die in der DDR bekannte Moderatorin der Fernsehsendung „Du und Dein Garten“, Erika Krause, stattete in den 1980er-Jahren Bautzens ältester Gartenanlage „Prießnitz“ einen Besuch ab. © PR
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