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„Alkohol bleibt die Droge Nummer 1“

Der Suchthilfeverein come back wird 25. Vorstandschef Frank Ufer berichtet über neue Pläne und Kritik daran.

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© Matthias Weber

Von Jan Lange

Vor 25 Jahren wurde der Suchthilfeverein come back gegründet. Kümmerten sich die Mitarbeiter anfangs nur um Alkoholabhängige, bestimmen heute auch andere Drogen die Arbeit. Der Verein reagiert darauf und plant den Neubau einer Einrichtung für drogenabhängige Jugendliche. Vorstandschef Frank Ufer erklärt im SZ-Gespräch die neuen Pläne und wie come back mit der Kritik daran umgehen will.

Frank Ufer gehörte 1990 zu den Gründern des Suchthilfevereins come back in Zittau.
Frank Ufer gehörte 1990 zu den Gründern des Suchthilfevereins come back in Zittau. © Mario Heinke

Herr Ufer, Sie wollen in Olbersdorf ein sozialtherapeutisches Betreuungszentrum für jugendliche Drogenabhängige errichten. Gegen die geplante Einrichtung gibt es massive Proteste von Anwohnern. Hat Sie dies überrascht?

Der Widerstand war nicht abzusehen. Bei unseren bestehenden Häusern habe ich noch von keinem Anwohner gehört, dass er Probleme hat. Ich verstehe, dass die Olbersdorfer erst mal Ängste haben. Aber die entstehen, weil die Anwohner nicht richtig informiert sind. Es ist so, dass die Jugendlichen entgiftet und freiwillig zu uns kommen. Keiner wird zwangsweise zu uns geschickt. Sie sollen hier mit ihrer Reintegration in die Gesellschaft beginnen. Natürlich besteht das Risiko von Rückfällen. Aber Rückfälle gehören dazu. Es kommt darauf an, wie die Süchtigen damit umgehen. Es wird regelmäßig Kontrollen geben. Bewohner, die das nicht akzeptieren, müssen wieder gehen.

Haben die Proteste Auswirkungen auf das Projekt?

Auf jeden Fall wollen wir auf die Kritik der Anwohner reagieren. Bei der Bauplanung wollen wir Rücksicht auf sie nehmen und die Gebäude so anordnen, dass die Nachbarn so wenig wie möglich gestört werden.

Wann wird das Vorhaben realisiert?

Im sächsischen Haushalt sind die Mittel für 50 Plätze eingestellt. Es gibt vier Bewerber, die eine solche Einrichtung betreiben wollen. Ich gehe davon aus, dass wir ausgewählt werden. Aber noch ist keine Entscheidung gefallen. Der Doppelhaushalt gilt bis Ende 2016, das heißt, dass bis dahin etwas passieren muss.

Ist die geplante Einrichtung auch eine Konsequenz aus einem veränderten Drogenkonsum?

Die Einnahme von synthetischen Drogen wie Crystal hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Aber die meisten Suchtkranken sind immer noch Alkoholiker. Alkohol wird auch auf lange Sicht die Droge Nummer 1 bleiben.

Alkohol- und Drogensucht wird oft mit sozial Schwachen in Verbindung gebracht. Ist es wirklich ein Problem einer bestimmten Gesellschaftsschicht?

Weit gefehlt. Es geht durch alle gesellschaftlichen Schichten. Es gibt genauso Süchtige, die einen Hochschulabschluss oder Doktortitel besitzen. In unserem Umfeld werden aber meist nur diejenigen gesehen, die mit der Bierflasche auf dem Markt sitzen.

Wie schätzen Sie die Unterstützung durch die Politik ein?

In Sachsen gehört die Suchtberatung zu den kommunalen Pflichtaufgaben. Das ist in keinem anderen Bundesland so. Der Landkreis Görlitz ist beispielgebend bei der Suchtbetreuung. Es gibt ein großes Engagement, den Süchtigen zu helfen und sie wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Dazu haben sich alle Verantwortlichen untereinander vernetzt. Die gute Vernetzung verdanken wir auch der Sozialdezernentin Martina Weber. Die Erwartungen an die Suchtbetreuung dürfen aber nicht zu hoch sein. Das Suchtproblem kann man nicht abschaffen. Aber man kann den Abhängigen beste Möglichkeiten bieten, dass sie den Ausstieg schaffen.

Beim Fachtag zum Thema „Junge Drogenabhängige“ konnten Sie gestern Gäste aus Südafrika begrüßen. Wie kam es dazu?

Die evangelisch-methodistische Kirche betätigt sich seit Jahren in verschiedenen Ländern sozial-diakonisch. Auch in Südafrika gibt es eine Suchthilfe. Die Voraussetzungen für die Arbeit mit Süchtigen sind dort anders als bei uns. Dort gibt es kein Suchthilfesystem wie in Deutschland. Kirchen oder Privatleute leisten weitgehend diese Arbeit. Ich bin der Meinung, dass wir auch von den Südafrikanern lernen können. Sie haben zum Beispiel viel Erfahrung mit synthetischen Drogen wie Crystal.

Ist der Fachtag Teil der Festlichkeiten zum 25-jährigen Jubiläum?

Ja. Heute gibt es auch einen Festgottesdienst in der Hospitalkirche, zu dem wir Rosemarie Wenner, die Bischöfin der evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland, erwarten, sowie eine Feierstunde mit Wegbegleitern wie dem früheren sächsischen Sozialminister Dr. Hans Geisler. Unsere Einrichtung ist ja 1990 die erste ihrer Art in Sachsen gewesen.

Warum entstand gerade in Zittau die erste Einrichtung?

In der evangelisch-methodistischen Kirchgemeinde gab es in den 1980er-Jahren eine Suchtkrankenarbeit. Offiziell durfte es in der DDR keine Suchtkranken geben. Deshalb existierte auch keine adäquate Beratung. In der Gemeinde wurde ein wöchentlicher Treff initiiert. Für eine gewisse Zeit haben die Mitglieder die Alkoholkranken mit nach Hause genommen und mit ihnen zusammengelebt. Eine feste Einrichtung aufzubauen, war in der DDR nicht möglich. Aus dem Bewusstsein heraus, dass Hilfe notwendig ist, gründete sich nach der Wende sehr schnell der Verein come back. In der Friedensstraße entstand dann die erste sozialtherapeutische Wohnstätte.

War das Gebäude ein Neubau?

Nein, das Haus diente zuvor als Wohnheim der Nationalen Volksarmee. Es war aber im Eigentum der Stadt Zittau. Bürgermeister Jürgen Kloß hat dann entschieden, dass wir es nutzen können. Heute haben wir ein Erbbaurecht für das Objekt. Später kam ein zweites Haus als Neubau hinzu. Betreut werden hier heute 45 Alkoholkranke.

Aber das Haus in der Friedensstraße ist nicht ihre einzige Einrichtung?

Ja, es gibt darüber hinaus eine Wohnstätte in der Marschnerstraße, wo 40 Abhängige betreut werden. Und einige Plätze befinden sich in Eckartsberg. Zudem betreiben wir Suchtberatungs- und Betreuungsstellen, ein Begegnungs- und Förderzentrum sowie ein ambulant betreutes Wohnen.