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Als begehrte Jalousien aus Zittau kamen

Eine 1873 von Gustav Görner gegründete Fabrik machte sich deutschlandweit einen Namen. Davon geblieben sind nur noch Reste.

Von Heike Schwalbe
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Vom Lamellen-Rollo (links) über die Auszeichnung auf der Oberlausitzer Gewerbe-und Industrieausstellung 1902 (Mitte oben) bis zur boomenden Fabrik an der Kaiserstraße (rechts oben) reicht die Palette. Heute ist die Fabrik ein Technologiezentrum (Bild unte
Vom Lamellen-Rollo (links) über die Auszeichnung auf der Oberlausitzer Gewerbe-und Industrieausstellung 1902 (Mitte oben) bis zur boomenden Fabrik an der Kaiserstraße (rechts oben) reicht die Palette. Heute ist die Fabrik ein Technologiezentrum (Bild unte © Heike Schwalbe

In Zittau gab es im 19. Jahrhundert eine Fabrik, die Fensterverkleidungen herstellte. Sie wurde 1873 von Gustav Görner gegründet und hatte als „Fabrikation von Jalousien, Roll-Läden, Holz-Rouleaux und Roll-Schutzwänden“ auf der Bahnhofstraße 6 ihren Sitz. Unter diesem Namen wurde die Firma auch im Zittauer Adressbuch von 1892/93 erwähnt. Das Geschäft lief gut, Görners Produkte waren gefragt. Er verkaufte sie nicht nur in der heimischen Region, sondern in ganz Deutschland. Boten doch die Rollläden für Wohn- und Geschäftsräume nicht nur Verdunklung und Schutz vor grellem Sonnenlicht, sie waren auch als Sichtschutz gefragt. Praktisch waren sie außerdem für die ganz Neugierigen in den Wohnungen: Sie konnten durch die Lamellen hindurchschauen, ohne selbst gesehen zu werden.

Dann tauchte mit Max Vetterlein ein neuer Name als Mitinhaber der Zittauer Jalousiefabrik auf. 1894 stand er bereits als alleiniger Besitzer im Adressbuch. Vetterlein ließ Kataloge drucken, teilweise sogar farbig. Sie gaben Zeugnis von der Vielfalt seiner Produkte. Seine Jalousien zum Beispiel bot Vetterlein mit einer Regulierung zum Auf- und Zuklappen der Lamellen an, und das in sechs verschiedenen Ausführungen. Detailgenaue Zeichnungen sind in seinen Angebotsheften zu finden. Auch Schaufensterrollos bis über sechs Meter Breite pries er an. Ganz nach Wunsch der Kunden konnten sie mit bunten Werbe-Bemalungen und -beschriftungen versehen werden. Schattendecken für Wintergärten und Gewächshäuser gehörten gleichfalls zum Sortiment. Vetterlein verwendete nur hochwertige Materialien wie „echt galizisches Resonanzholz, Ölfarben, lichtechte Metallfarben, verzinkte Ketten und rein leinene Schnuren und Bänder (ohne Jute und Baumwolle)“. So stand es zumindest in seiner Werbung.

Von zufriedenen Kunden aus ganz Deutschland erreichten ihn viele Referenzen, denn die Rollos und Jalousien des Unternehmens waren in vielen Rathäusern, Schulen, Behörden, Krankenhäusern, Geschäften, Restaurants und natürlich in Wohnhäusern zu finden. Als 1902 in Zittau die „Oberlausitzer Gewerbe- und Industrieausstellung“ stattfand, war die Fabrik einer der Teilnehmer. Bei dieser Leistungsschau wurde Vetterlein mit der Königlich-Sächsischen Staatsmedaille ausgezeichnet. Vetterleins Betrieb lief jetzt so gut, dass er seine beengte Produktionsstätte auf die Kaiserstraße 18 (heute Rathenaustraße) verlegen konnte. Zudem eröffnete er eine Filiale im benachbarten böhmischen Grottau (heute Hradek nad Nisou). 

Auch für sich und seine Familie plante Max Vetterlein eine Veränderung, nämlich den Bau eines Hauses auf einem Grundstück Görlitzer Straße 11. Vom Erstantrag 1906 bis zur Vollzugsanzeige für den Roh- und Innenausbau vergingen zwei Jahre. Noch heute ist diese Villa ein Schmuckstück im Zittauer Osten. Auch später war die Fabrik noch in Familienbesitz, Herbert Vetterlein steht als Inhaber bis 1938 im Adressbuch. Zur DDR-Zeit blieb man in dem Betrieb dem Rohstoff Holz treu und stellte Stühle her. Nach der Wende wurde das Haus saniert und zum Technologiezentrum umgebaut. Nachkommen der Vetterlein-Familie sind in unserer Region nicht bekannt. Nur ganz selten sind noch Rollos und Jalousien zu sehen, die ihren Ursprung in Zittau haben könnten. So lassen sich nahe der einstigen Rollofabrik auf der Rathenaustraße an zwei Häusern Außenjalousien mit Verblendungen entdecken, so am unbewohnten Eckhaus Dresdner Straße/Rathenaustraße.

Vom Rollo-Fabrikanten zum Bäder-König

Gustav Görner
Gustav Görner © Regiowiki

Der erste Besitzer der Zittauer Jalousiefabrik, Gustav Görner, hat eine Biografie mit einem großen Bruch. Obwohl er es mit seiner Rollo-Produktion zu Ansehen gebracht hatte, verkaufte er sein Unternehmen und verließ Zittau, als er 45 war. Er soll nach Bad Wildungen in Hessen wegen eines Nierenleidens zur Kur gefahren sein, so die Legende. In Wahrheit, so fand sein Urenkel Dr. Wolfgang Lorenz heraus, kehrte er der Stadt wegen eines Streits mit dem Zittauer Bauamt den Rücken. Das Amt hatte ihn beim Bau seines Wohnhauses behindert.

In Reinhardshausen, das später nach Bad Wildungen eingemeindet wurde, entdeckte Görner eine Heilquelle und wurde trotz bereits etablierter Quellen- und Kurbadeigner zu einem geachteten Kurortgründer. Gustav Görner, 1849 in Niedergrund bei Varnsdorf (heute Dolni Podluzi) geboren, starb 1939 in Reinhardshausen. Die Gemeinde Bad Wildungen erinnert an ihren Ehrenbürger bis heute: mit einer Büste vor der Wandelhalle und einer Gustav-Görner-Allee. (dD)

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