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Als der Krieg in Döbeln zu Ende ging

Döbelner Gymnasiasten haben zum Zweiten Weltkrieg recherchiert. Sie fanden viele persönliche Schicksale.

Von Jens Hoyer
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Die Schüler des Leistungskurses Geschichte des Lessing-Gymnasiums haben zum Ende des Zweiten Weltkrieges in Döbeln recherchiert und einen Vortrag gehalten.
Die Schüler des Leistungskurses Geschichte des Lessing-Gymnasiums haben zum Ende des Zweiten Weltkrieges in Döbeln recherchiert und einen Vortrag gehalten. © Lutz Weidler

Döbeln. Albert Wünsch war 36 Jahre alt, als er starb. Erschossen wurde er am 23. April 1945. Der Fleischermeister aus Kleinbauchlitz war wenige Tage vor Ende des Zweiten Weltkrieges desertiert und nach Hause gekommen. In Döbeln wurde er erkannt, vom Polizeihauptwachtmeister Willi Baatz verhaftet und in die Kaserne gebracht. Ein Standgericht verurteilte ihn zum Tode. An den Schießanlagen in den Klostergärten wurde der Fahnenflüchtige erschossen und begraben. Erst einen Monat später fand er seine letzte Ruhe auf dem Niederfriedhof, wo heute noch sein Grabstein steht.

Das Schicksal des Döbelner Fleischermeisters haben Schüler des Lessing-Gymnasiums recherchiert. Wenige Wochen vor dem 75. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai 1945 hielten die Zwölftklässer einen Vortrag im Sitzungssaal des Rathauses. Die jungen Leute, die den Leistungskurs Geschichte absolvieren, bereiten sich gerade aufs Abi vor. Für ihre Recherchen zum Kriegsende waren sie auch in Archiven unterwegs und haben mit Zeitzeugen gesprochen, sagte Katrin Niekrawietz, die Tutorin des Leistungskurses.

Unterlagen zum Fall Albert Wünsch haben die Schüler im Sächsischen Staatsarchiv in Chemnitz gefunden. Hauptwachtmeister Baatz – Musiker, Berufssoldat und seit 1926 Polizist – war 1947 verurteilt worden. Für die Verhaftung und Auslieferung des Fahnenflüchtigen erhielt er wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit zwei Jahre Zuchthaus und drei Jahre Ehrverlust.

Persönliche Schicksale verbinden sich auch mit dem Abi-Jahrgang 1932, zu dem die Zwölftklässler recherchiert haben. Von den 19 Abiturienten hatten vier den Krieg nicht überlebt, drei Schicksale sind ungeklärt. Werner Feicht wurde nur 29 Jahre alt. Als Zugführer der Wehrmacht erhielt er am 14. Januar 1942 in der Ukraine einen Granaten-Volltreffer. Danach war keine Bestattung mehr möglich. Bei einem Flugzeugabsturz starb im Mai 1944 Helmut Rosenbaum. Als Kommandant von U 73 torpedierte er im August 1942 den britischen Flugzeugträger HMS Eagle und wurde dafür mit dem Ritterkreuz dekoriert.

Die metallverarbeitenden Betriebe in Döbeln waren in dieser Zeit in der Rüstung eingespannt – und griffen wegen des Mangels an Arbeitskräften auch auf ausländische Zivil- und Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene zurück. Die Metallwarenfirma H.W. Schmidt produzierte Minen, Gasmasken und Geschirrbehälter und beschäftigte dabei auch 95 Zwangsarbeiter und 15 französische Kriegsgefangene. 

Die Firma Großfuß, Entwickler und Produzent des Maschinengewehrs MG 42, hatte eine Abteilung im Zuchthaus Waldheim mit rund 500 Zwangsarbeitern, haben die Gymnasiasten herausgefunden. Auch die Firma Robert Tümmler produzierte neben ihren Beschlägen Tellerminen, Gewehrgranaten und Panzerfäuste. Dafür war der Betrieb im Krieg vergrößert worden. Bei Tümmler waren von 1939 bis 1945 550 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene beschäftigt.

Untergebracht wurden sie unter anderem im Lager an der Leisniger Straße – die Baracken stehen heute noch. Und auch in Gasthöfen wie dem in Sörmitz, wo französische Kriegsgefangene lebten.

Der Krieg endete für die Döbelner am 6. Mai 1945 mit dem Einmarsch der Roten Armee. Die Stadt blieb unzerstört und galt als „Goldene Stadt“. Besondere Verdienste daran hatten Herbert Näcke und Karl Krötel. Der Elektrikermeister Näcke war den Russen entgegengefahren und hatte sie überzeugen können, kampflos in die Stadt einzurücken, während Krötel den Abbau der Panzersperren organisierte. Näcke war 1952 nach einem Schlaganfall gestorben. Es sei schade, dass bis heute keine Straßen in Döbeln nach den beiden Männern benannt wurde, sagte eine Schülerin.

Das Beschäftigen mit der Geschichte wird im Lessing-Gymnasium großgeschrieben. Es gibt eine Arbeitsgemeinschaft „Geschichte der Region Döbeln“, die sich vor allem mit dem Schulmuseum und dem Schularchiv beschäftigt, sagte Schulleiter Michael Höhme. Seit 1990 arbeiten Schüler auch am Projekt Jüdische Geschichte und Kultur mit, das in Zeiten von Multimedia im Internet auch mit Filmen ergänzt wird. „Wir haben pro Tag etwa 3000 Besucher auf den Seiten“, sagte Höhme. „Besonders Schüler und Studenten schätzen, dass die Texte von Schülern geschrieben wurden und leicht zu lesen sind.“

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