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Als die Glocken von Dresden nach Rom flogen

Ostern in der Residenzstadt vor 100 Jahren: Erst kam der besinnliche Teil, dann wurde gefeiert.

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Von Andreas Them

Ostern versteckt der Osterhase schon vor über 100 Jahren Eier in Gärten, Parks und Wohnungen. Der Schriftsteller Erich Kästner, Jahrgang 1899, hat dies sogar in einem Gedicht beschrieben: „Dort legen sie Eier, als ob’s gar nichts wäre, aus Nougat, Krokant und Marzipan.“ Der Osterhase wurde wahrscheinlich, – nicht in Sachsen, sondern in Hessen –, zum ersten Mal 1682 in der Abhandlung „De ovis pascalibus – von Oster-Eyern“ erwähnt. Der Medizinprofessor Georg Franck von Franckenau schildert den Brauch für die Region des Elsass und der angrenzenden Gebiete. Er schreibt dabei von einer „Fabel“ des Ostereierversteckens, „die man Simpeln und Kindern aufbindet“. Aber erst Ende des 19. Jahrhunderts war der Osterhase in vielen deutschen Städten, so auch in Dresden, wirklich angekommen.

Selbst der König schaute zu

Natürlich war für die Dresdner auch Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts Ostern vor allem ein hohes kirchliches Fest. Am Karfreitag schwiegen die Glocken aller katholischen Kirchen der Stadt. Erst am folgenden Tag läuteten sie um sechs Uhr abends das Osterfest ein. Der Volksmund soll dazu gesagt haben, „die Glocken wären nach Rom geflogen, um im gleichen Augenblick das große und freudige Fest einzuläuten“. Um sie wieder in Dresden zu begrüßen, waren die Straßen in der Altstadt in den Nachmittagsstunden des Ostersonnabends überfüllt. Ein quirliges, buntes Leben bot sich da dem Auge des Betrachters. Doch mit dem ersten Glockenschlag der Katholischen Hofkirche verstummte für einen kurzen Augenblick jegliche Unterhaltung. Jenen erhabenen Moment wollte sich wohl keiner entgehen lassen. Zumal andere zahlreiche Kirchen ebenfalls ihre Glocken läuten ließen.

Doch lange dauerte die Besinnlichkeit nicht an. Der Dresdner liebt das Feiern. Der Glockenklang war noch nicht richtig verhallt, da begann der Sturm auf die Kaffeehäuser. Am Altmarkt gab es damals eine große Anzahl davon. Ein beliebtes Ziel war das „Café Kreutzkamm“. In einem alten Reisebericht liest sich das so: „Und man drängte sich gern durch den schmalen Raum hindurch, man wartete geduldig auf die Bedienung oder ,erstand‘ sich ohne Murren einen freiwerdenden Platz, nur um sich dieser kulinarischen Osterfreude hingeben zu können. In dieser Konditorei im Elb-Florenz verspeiste ich an einem solchen Osterläut-Sonnabend die ersten Florentiner meines Lebens! Diese lockeren, zartknusprigen Gebilde aus Mandeln, Zitronat, Rosinen und Schokolade gebacken, sie haben mir nirgends wieder so gut geschmeckt.“ Wer keinen Platz im Café bekam, oder zu wenig Geld fürs Konditern hatte, der flanierte wenigstens durch die Innenstadt. Im munteren Gedränge wurden Freunde und Bekannte begrüßt. Man bewunderte gegenseitig die neue Frühlingsgarderobe. Die Dresdner Schneiderinnen standen jedes Mal unter Druck, denn, so ist nachzulesen, manche langjährige Stammkundschaft ging verloren, „wenn sie das Neubestellte nicht rechtzeitig zum Osterläuten“ liefern konnte.

Ostersonntag gingen die meisten Familien erst einmal in die Kirche. Danach gehörte, wie auch an den anderen Feiertagen, der Familienausflug zum Osterprogramm. Wer es sich leisten konnte, fuhr ins Lausitzer Land, um die Tradition des „Osterreitens“ zu erleben. Auch der letzte sächsische König Friedrich August III., seit 1902 alleinerziehender Vater, soll mit seinen Kindern bei diesem Osterbrauch als Zuschauer gesichtet worden sein.

Neben dem Osterreiten war auch das „Fest des Eierschiebens“ in Bautzen beliebtes Ausflugsziel. Beschrieben wird der Brauch in einer Zeitung von 1913 so: „Ein großes Volks- und Kinderfest ist das Bautzner Eierschieben, das am ersten Osterfeiertage am romantischen Abhange des Protschenberges jenseits der Spree abgehalten wird und das auch diesmal wieder von tausenden von Menschen besucht war. Eine riesige Kinderschar besetzte den Abhang des Berges. Auf der Höhe sind eine Reihe von Verkaufsständen mit Pfefferkuchen, Apfelsinen, Äpfeln und Grützewürsten usw. errichtet. Alle diese Sachen werden von den Erwachsenen gekauft und den Berg hinab unter die Kinder geworfen. Höchst ergötzliche Szenen gibt es, wenn große runde Kuchen, sogenannte Fladen, durch die Lüfte schweben und ihr Ziel suchen. Unter dem beutegierigen kleinen Volk gibt es einen förmlichen Kampf um einen solchen Kuchen, von denen vorgestern einige Hundert umgesetzt wurden.“

Übrigens: Früher galt der Gründonnerstag auch als Termin, an dem Schulden zu bezahlen waren. Mancher beglich sie mit Eiern. Der schuldenfreie Mann soll dann mit einem Hasen verglichen worden sein, der nicht vom Hund gehetzt wird. Vielleicht ist dies auch eine Begründung, warum der Osterhase die Eier bringt.