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Amtsposse in Pirna

Die Stadt straft Autofahrer wegen fehlender Park-Markierungen ab. Kurz darauf lässt sie die verblassten Striche erneuern.

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Von Alexander Müller

Die Jahns aus Pirna sind ganz sicher nicht das, was man üblicherweise als Querulanten oder notorische Nörgler bezeichnet. Und so akzeptierten sie auch erst einmal einen Strafzettel, den sie Anfang September erhielten. Weil sie angeblich rechtswidrig am Schlängelbachweg, Ecke Max-Schwarze-Straße, geparkt hätten. „Dazu ist zu sagen, dass an dieser Stelle schon vor etlichen Jahren Parkbuchten ausgewiesen wurden“, erläutert Thomas Jahn aber. Im Laufe der Zeit seien diese Markierungen allerdings verblasst. Die weißen Striche waren aber noch zu sehen, wie Familie Jahn mit einem Foto beweisen kann.

„Trotz des Ärgers über den Strafzettel bezahlten wir – im guten Glauben, dass diese Parkflächen vielleicht wegfallen sollten und daher nicht mehr nachgezogen wurden“, sagt Thomas Jahn. „Nur aus diesem Grund verzichteten wir auf einen Widerspruch.“ Umso erstaunter sei man dann gewesen, als etwa zwei Wochen später ausgerechnet diese Parkbuchten nachgezeichnet wurden. Also die, die angeblich zuvor nicht mehr zu sehen waren, jahrelang nicht erneuert wurden und deren angebliches Fehlen die Jahns zehn Euro Strafe kostete.

Jetzt wuchs der Unmut bei der Familie doch. Die Jahns schickten eine E-Mail an die offizielle Kontaktadresse der Stadtverwaltung. „Darauf bekamen wir keine Antwort“, schildert Thomas Jahn. Aus diesem Grund habe man sich dann persönlich beim Ordnungsamt gemeldet, um den Vorgang zu hinterfragen. „Natürlich – wie konnte es auch anders sein – hat man angeblich diese Mail nie erhalten.“ Auch das vom Ordnungsamt gemachte Beweisfoto sei sinnigerweise so aufgenommen worden, dass man die vorhandenen Reste der Markierungen darauf nicht ausmachen kann, ärgert sich Thomas Jahn.

Arrogante Behandlung

Und auch der direkte Umgang im Amt stößt Familie Jahn bitter auf. „Wie man von den Mitarbeitern des Ordnungsamtes behandelt wird, ist gewöhnungsbedürftig“, formuliert Thomas Jahn vorsichtig. Es werde dem Bürger deutlich suggeriert, wer hier am längeren Hebel sitze, Einsehen oder Verständnis für das Anliegen sei eine klare Fehlanzeige. „Es ist schon traurig, wie Mitarbeiter der Stadt Pirna gegenüber ihren Bürgern auftreten.“

Es bleibe schlussendlich der Ärger über den Strafzettel und über die Behandlung durch das Ordnungsamt. „Jedenfalls drängt sich hier das ungute Gefühl auf, dass man bewusst schnell noch mal abkassiert, um sich die neuen Markierungen finanzieren zu lassen“, erklärt Thomas Jahn.

Bei der Stadtverwaltung Pirna schätzt man diesen Vorgang auf SZ-Nachfrage anders ein. Man habe keineswegs mit der Erneuerung der Markierungen gewartet, bis man genug Strafgebühren einkassiert habe. Das sei im Rahmen der üblichen Unterhaltungsarbeiten passiert. Dass die Linien unmittelbar nach diesem Vorfall und vorher Jahre nicht nachgezogen wurden, das sei purer Zufall, teilt die Stadtverwaltung auf SZ-Anfrage mit. Zurücknehmen könne man den Strafzettel im Übrigen nicht, er sei ja bereits bezahlt.

Selbst wenn die Jahns gegen das Ordnungsgeld in Widerspruch gegangen wären, hätte das nach Auffassung der Stadt keine Aussicht auf Erfolg gehabt, da im Straßenverkehr der Grundsatz der Sichtbarkeit bestehe. Ein Verkehrsschild, das etwa von Rowdys beseitigt worden sei, gelte ja auch nicht stillschweigend weiter. Und was die Unfreundlichkeit der eigenen Mitarbeiter angeht, so könne man nur erklären, dass diese immer wieder darauf hingewiesen würden, die notwendige Höflichkeit und den gebührenden Respekt gegenüber den Bürgern einzuhalten.

Familie Jahn dürften diese Aussagen kaum befriedigen. Es bleibt die Frage, warum hier rein formaljuristisch gehandelt wurde und nicht im Interesse der Bürger. Denn dass an der besagten Stelle ohne Probleme geparkt werden kann, das steht nach der Auffrischung der Markierungen ja auch wieder ganz offiziell fest.