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Anderthalb Autos pro Minute

Anwohner der Neiße-Straße in Nieder-Neundorf stören sich am Verkehr. Behörden sehen keinen Handlungsbedarf.

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© André Schulze

Von Katja Schlenker

Nieder-Neundorfer wollen Antworten. Und davon haben auch andere etwas. Denn die Staatsstraße 127 wird von vielen Autofahrern gerne als alternative Nord-Süd-Verbindung zur Bundesstraße 115 zwischen Weißwasser, Bad Muskau, Rothenburg und Görlitz genutzt. Die Straße führt durch Nieder-Neundorf und bringt einige Nachteile für Anwohner mit sich. Immer wieder wird darüber diskutiert, ob und wie die Verbindung ausgebaut werden kann. Das fürchten Anwohner. Sie würden eine Umgehungsstraße bevorzugen. Vor Kurzem ist die Staatsstraße im Dorf ausgebessert worden und hat eine neue Schicht Asphalt erhalten. Auch Vermessungsarbeiten sind den Sommer über beobachtet worden. Das schürt die Sorgen zusätzlich. Die SZ gibt einen Überblick:

Die Nieder-Neundorfer auf dem Foto haben genug davon, hingehalten zu werden. Etwa 300 Einwohner zählt der Ort rund drei Kilometer südlich von Rothenburg.
Die Nieder-Neundorfer auf dem Foto haben genug davon, hingehalten zu werden. Etwa 300 Einwohner zählt der Ort rund drei Kilometer südlich von Rothenburg. © André Schulze

Wie viele Fahrzeuge sind täglich auf der Staatsstraße 127 unterwegs?

Im Jahr 2010 sind rund 2 200 Kraftfahrzeuge innerhalb von 24 Stunden gezählt worden, erklärt Sprecherin Isabel Siebert vom Landesamt für Straßenbau und Verkehr. Die Zahl beinhaltet sowohl Autos als auch Lkw. Und ist für eine Staatsstraße eine vergleichsweise niedrige. Einen Vergleich, wie viel Verkehr auf einer Staatsstraße „normal“ ist, gibt es jedoch nicht. Aktuelle Zahlen für 2015 zum Verkehrsaufkommen werden gegenwärtig im Zuge der Straßenverkehrszählung erhoben. „Wir rechnen nicht mit einer signifikanten Veränderung“, sagt Isabel Siebert.

Wird die S 127 Umleitung für Lkw, wenn die Brücke an der B 115 dicht ist?

Vorgesehen ist das momentan nicht, sagt Isabel Siebert: „Diese Entscheidung obliegt aber nicht uns, sondern der zuständigen Verkehrsbehörde.“ Diese ist das Landratsamt in Görlitz. Und dessen Mitarbeiter wiederum müssen entscheiden, ob der Lkw-Verkehr über die Staatsstraße 127 umgeleitet wird, wenn die Brücke über die Magistrale-Gleise an der Bundesstraße 115 gebaut wird. Das ist dann auch von anderen Bauarbeiten sowie dadurch entstehenden Straßensperrungen in und rund um Niesky abhängig. Für den Brückenbau an der Bundesstraße 115 liegen momentan bei der Verkehrsbehörde des Landkreises keine aktuellen und detaillierten Pläne vor, erklärt Gerlind Walter vom Büro des Landrats. Bisherige Pläne betreffen den Zuständigkeitsbereich der Stadt Niesky. Das bezieht sich auch auf gegebenenfalls vorgesehene Umleitungen. Weitere Details dazu sind mit dem Landkreis nicht abgestimmt worden.

Ist Tempo 30 für Lkw in Nieder-Neundorf denkbar?

„Wir hätten mehr Lebensqualität, wenn die Geschwindigkeit im Ort auf Tempo 30 heruntergesetzt würde“, sagt Anwohner Wilfried Gutte. Wenigstens für Lkw. Am Morgen und am Nachmittag gehen viele Kinder zum Schulbus beziehungsweise kommen wieder nach Hause. Im Ort gibt es keinen separaten Fußweg. Jedoch: Die Geschwindigkeit zu regulieren, sei im Fall Nieder-Neundorf nicht zwingend erforderlich. Gegenwärtig begründen weder die Anzahl der Fahrzeuge oder die gefahrenen Geschwindigkeiten eine solche Maßnahme, erklärt die Leiterin des Straßenverkehrsamtes beim Landkreis Görlitz, Angelika Voigt. Ganz im Gegenteil: Weil die Straße so eng und kurvig ist, sollten Kraftfahrer ihr Fahrverhalten von ganz alleine entsprechend anpassen.

Gibt es statt des Ausbaus eine Umverlegung der Straße?

Sollte die Staatsstraße ausgebaut werden, würden die Lkw weiter durch Nieder-Neundorf fahren. Damit würde die Fahrbahn breiter. Die Folgen wären nicht nur mehr Verkehr, sondern auch eine schnellere Fahrweise. Gut für Autofahrer, aber ein Nachteil für die Einwohner. „Für uns ist die Umgehungsstraße die Lösung für das ganze Problem“, sagt Ortschaftsrat Frank Bartsch. „Etwas anderes können wir nicht akzeptieren.“ Jedoch gibt Isabel Siebert auf die Frage nach der umverlegten Straße ein klares Nein als Antwort. Der Grund: Eine Umfahrung für die Rothenburger Ortschaft steht nicht mehr im Landesverkehrswegeplan. Die Folge ist, dass eine Umverlegung der Staatsstraße und nicht einmal deren Planung dadurch noch gerechtfertigt sind.

Was passiert, wenn Häuser durchden Lkw-Verkehr beschädigt werden?

An manchen Häusern sind mittlerweile Risse zu sehen, die von den Vierzigtonnern stammen sollen. Dazu gehört das Haus von Yvonne und Dirk Seifert. Sie leben auf dem ersten Grundstück am Ortseingang aus Richtung Görlitz. Wenn die Lkw an ihrem Haus vorbeifahren, sind sie meist noch dabei abzubremsen. Wenn überhaupt, denn viele der Fahrzeuge fahren, laut Aussagen mehrerer Einwohner, schneller als erlaubt durch den Ort. Doch wer zahlt, wenn ein Haus Risse aufweist, die auf den Verkehr zurückzuführen sind? Wenn Straßenbauarbeiten ein Wohnhaus beschädigen, haftet der Straßenbauunternehmer nur dann, wenn er bei seinen Arbeiten die einschlägigen DIN-Normen zu Erschütterungen im Bauwesen nicht beachtet hat und sich keine erhöhten Sorgfaltspflichten im Einzelfall ergeben haben, erklärt Isabel Siebert. Bei Erschütterungen aus Verkehr verhält es sich ähnlich. Oft sei mangelhafte Bausubstanz eine Mitursache von Schäden.

Was passiert mit der Baumallee, sollte die Straße ausgebaut werden?

Vor allem die Baumallee südlich von Nieder-Neundorf ist ein Nadelöhr. Falls die Staatsstraße ausgebaut wird, ist die Gefahr groß, dass die alten Bäume weichen müssen. Mit dieser Variante sind Anwohner allerdings nicht einverstanden. Sie wollen, dass die Allee erhalten wird. Ob das machbar ist, muss sich zeigen. Gegenwärtig werden durch eine Studie die theoretisch möglichen Bauweisen untersucht und mit ihren Vor- und Nachteilen dargestellt, erklärt Isabel Siebert. Das Ergebnis liegt noch nicht vor. Folglich ist derzeit noch nicht abzusehen, ob die Allee abgeholzt wird. Außerdem befinden sich in der Nähe der Staatsstraße schützenswerte Gebiete, welche von dem Ausbau betroffen sein könnten. Auch das wird mit der Studie untersucht. Und kann daher momentan noch nicht beantwortet werden.